Soziales/Psych-KG

Anita Klahn: Die plötzliche rot-grün-blaue Eile ist unverständlich

„Lassen Sie mich zu Beginn gleich klarstellen, dass meine Fraktion in der Breite den Änderungen am Psychisch-Kranken-Gesetz und am Maßregelvollzugsgesetz durchaus zustimmen kann, wir aber insbesondere bei einer Regelung bedenken haben.

 

Umso bedauerlicher ist es, dass die Koalition mit ihrer Geschäftsordnungsmehrheit das parlamentarisch übliche und für einen Gesetzentwurf, der ein so sensibles Thema behandelt, auch angemessene Verfahren von schriftlicher und mündlicher Anhörung einfach niedergestimmt hat. Gerade in einer mündlichen Anhörung hätte man mit den Fachleuten und Experten noch über Details sprechen können, noch einmal gezielt Fragen stellen können und auch noch Rückmeldung zu einzelnen Regelungen bekommen.

 

Auch hätte dies die Möglichkeit gegeben, Anregungen aus der schriftlichen Anhörung für weitere Detailanpassungen im Gesetz zu diskutieren und gegebenenfalls dann auch in die Novelle aufzunehmen. Und sei es nur, dass veraltete Berufsbezeichnungen aktualisiert werden, so wie es die Psychotherapeutenkammer angemerkt hat. Abschließend hätte man auch noch mal Rückmeldung zu den von den Fraktionen vorgelegten Änderungsanträgen bekommen können.

 

Denn es hat ja schon einen guten Grund, warum das Verfahren so ist, wie wir es normalerweise praktizieren. Aber das alles war von der selbsternannten ‚Koalition des Dialoges‘ nicht gewollt. Das Gesetz musste durch den Ausschuss durch. Es tut mir leid, Herr Kollege Peters, aber die fadenscheinige Begründung im Ausschuss, dass ein verfassungsrechtlich hochproblematischer Zustand dringend beendet werden musste, kann kaum überzeugen, da das Gesetz seit Januar 2014 im Ausschuss beraten wurde und damit über ein Jahr bereits im Ausschuss lag. Wenn das alles so dringend gewesen wäre, frage ich mich, wieso sie dann nicht früher darauf gedrängt haben, das Verfahren zum Abschluss zu bringen. Nein, es liegt keine Dringlichkeit vor, wir hätten das Verfahren sauber abschließen sollen. Aber das alles ist jetzt vergossene Milch.

 

Ich komme jetzt zu der Regelung, über die wir aus der Sicht meiner Fraktion noch einmal im Detail sprechen sollten und zu der wir auch einen Änderungsantrag vorgelegt haben. Es geht um die Videoüberwachung im Maßregelvollzug. Ich gehe davon aus, dass wir alle einer Meinung sind, das Videoüberwachung im Regelungsbereich des Psychisch-Kranken-Gesetzes nichts zu suchen hat und dieser Passus deswegen zu Recht nur für den Bereich des Maßregelvollzuges aufgenommen wurde. Aber auch im Maßregelvollzug sollte über die genaue Ausgestaltung nachgedacht werden.

 

Der Vergleich, den die Piraten zwischen PsychKG und Maßregelvollzugsgesetz in diesem Bereich ziehen, trifft aus unserer Sicht nicht zu. Aber: Wenn Menschen videoüberwacht werden, auch unter den im Gesetzentwurf definierten Voraussetzungen, dann ist das immer ein Eingriff in Grundrechte. Wir haben also einen im höchsten Maße grundrechtssensiblen Bereich vorliegen. Das ist ein besonderer Schutzbereich und an Eingriffe müssen besonders hohe Hürden gelegt werden.

 

Hier ist der Gesetzentwurf nicht ausreichend. Wir schlagen daher drei Änderungen vor:

 

1. Eine Videoüberwachung in Wohn- und Schlafräumen ist ausgeschlossen. Wir müssen hier den Vergleich sehen zum normalen Strafvollzug. Denn hier ist der Maßregelvollzug vergleichbar. Nach Untersuchungshaftvollzugsgesetz (§46) ist die Überwachung im normalen Strafvollzug in Hafträumen ausgeschlossen. Nur bei besonderen Gefährdungslagen in besonders gesicherten Hafträumen ist dies erlaubt. Es ist doch nicht einfach sachgerecht, dies im Strafvollzug auszuschließen, aber im Maßregelvollzug die Überwachung von Wohn- und Schlafräumen zu erlauben. Da stimmt die Verhältnismäßigkeit nicht. Das sollte daher ausgeschlossen werden. Die Überwachung in Interventions- und Aufenthaltsräumen bleibt möglich.

 

2. Da es sich um so einen grundrechtssensiblen Bereich handelt, brauchen wir für die Anordnung der Videoüberwachung dringend einen Richtervorbehalt. Diese Entscheidung allein einem Arzt zu überlassen, ist zu wenig und passt auch nicht in den sonst üblichen hohen Standard des Grundrechtschutzes in unserem Rechtssystem (Stichwort: Richtervorbehalt bei Blutentnahme).

 

Auch kann in dem vorliegenden Fall nicht das Argument ‚Gefahr in Vollzug‘ ins Feld geführt werden, da ja wohl kaum auf die Schnelle durch Techniker entsprechende Kameras installiert werden können. Nein, bei Gefahr in Vollzug, z.B. durch Selbstgefährdung müssten sowieso ganz andere Maßnahmen ergriffen werden. Dann müsste durch einen Pfleger eine Sitzwache erfolgen.

 

3. Da es sich im Maßregelvollzug um Straftäter handelt, scheint es für uns eine Selbstverständlichkeit zu sein, dass Kontakte zu Anwälten nicht videoüberwacht werden dürfen. Auch diese Ergänzung sollte daher aufgenommen werden.

 

Ich bitte um Zustimmung für unseren Änderungsantrag. Mit den vorgeschlagenen Änderungen wird unser Rechtsstaat gestärkt.“