Soziales/Kindeswohl

Anita Klahn: Es fehlen der politische Wille und eine starke Ministerin

„Sie haben Recht, wir brauchen eine grundlegende Überprüfung zur Amtsführung im Ministerium. Alles was in diesem Antrag steht, hätte die Ministerin längst veranlassen können. Vorausgesetzt, dass sie ihr Ministerium kennt.

 

Sie wollen eine weitere Ombudsstelle einrichten. Dann seien sie aber auch so ehrlich und sagen: Im Fall ‚Friesenhof‘ hätte das den Mädchen nicht geholfen.

 

Wenn neben Sorgeberechtigten, möglicherweise Vormund, Jugendamt, Heimaufsicht und Kinderschutzbund noch eine weitere Telefonnummer hinzukommt, die die Mädchen nicht anrufen können, weil ihnen das verwehrt wird, hilft ihnen auch keine Ombudsstelle.

 

Die gängige Gesetzeslage sieht längst vor, dass ein in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung betreuter Jugendlicher jederzeit seinen Vormund erreichen können muss.

 

Sie, Frau Ministerin, müssen dafür Sorge tragen, dass die Umsetzung sichergestellt ist. Es wird zu klären sein, warum die ausgesprochenen Beschwerden so lange unbeachtet blieben. Auch eine personelle Verstärkung im Landesjugendamt setzt voraus, dass es eine Aufgabenanalyse gibt.

 

In Bezug auf die Friesenhofheime muss geklärt werden, ob inkonsequentes Handeln der Fachaufsicht auch zu einer erheblichen Arbeitsbelastung der Mitarbeiter im Ministerium geführt hat.

 

Heimkontrollen ließen sich erheblich leichter gestalten, wenn vorhandene Richtlinien konsequent eingefordert würden und Entscheidungen fachliche Expertise berücksichtigen. Ergebnis kann dann durchaus sein, dass gegenüber einer Einrichtung auch ein Belegungsverbot ausgesprochen wird.

 

Die Gesetzgebung gerade im Kinderschutzbereich weiterzuentwickeln, wird von uns nachdrücklich unterstützt. Dass die Koalition aber versucht, sich auf fehlende bundesgesetzliche Regelung zu berufen, um damit das Komplettversagen ihrer Sozialministerin zu kaschieren, ist ein billiges Ablenkungsmanöver.

 

Die Familienministerkonferenz hat sich im Mai 2015, wohl auch mit der Stimme der schleswig-holsteinischen Ministerin, für eine Novellierung des SGB VIII, §§ 45 ff. ausgesprochen.

 

Wie viel Vertrauen sie in ihre Ministerin hier setzen, zeigen sie mit dem Appell ‚die Landesregierung möge sich (...) aktiv in der Arbeitsgruppe einsetzen‘.

 

Eigentlich eine Selbstverständlichkeit – Sie müssen ihre Ministerin jedoch extra auffordern.

 

Im Übrigen kann man den § 45 des SGB VIII Absatz 7 richtig gelesen für sich allein anwenden – und damit sind wir dann wieder bei Fehleinschätzungen in Bezug auf den Friesenhof.

 

‚(7) Die Erlaubnis ist zurückzunehmen oder zu widerrufen, wenn das Wohl der Kinder oder der Jugendlichen in der Einrichtung gefährdet und der Träger der Einrichtung nicht bereit oder nicht in der Lage ist, die Gefährdung abzuwenden. Widerspruch und Anfechtungsklage (gegen die Rücknahme oder den Widerruf der Erlaubnis) haben keine aufschiebende Wirkung.‘

 

Bei richtiger Einschätzung hätte die Betriebserlaubnis für den Friesenhof damit entzogen werden müssen. Warum dieses erst nach öffentlichem Druck geschah, werden wir durch den PUA aufarbeiten.

 

Gerade nach den Vorfällen in der jüngsten Vergangenheit hätte ich von der Landesregierung ein erhöhtes Maß an Sensibilität im Umgang mit Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe erwartet.

 

Gerne erinnere ich die jetzige Regierungskoalition an lautstarke Forderungen, als es seinerzeit zu tragischen Vorfällen in anderen Bundesländern kam. Warum haben sie eigentlich in den letzten drei Jahren nicht gehandelt, wenn ihnen alles bekannt war?

 

Insbesondere muss die Sozialministerin erklären, warum sie die Novellierung der Kinder- und Jugendeinrichtungsverordnung nicht vorangetrieben hat. Seit Anfang 2014 liegt hier ein Entwurf durch die Arbeitsebene vor. Frau Ministerin Alheit muss erklären, warum dieser Prozess von ihr nicht zum Abschluss gebracht wurde.

 

Seit knapp 20 Monaten ist die Ministerin hier untätig. Wie aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage meiner Fraktion deutlich wird, hielt die Ministerin es nicht einmal für nötig, eine Kabinettsbefassung oder zumindest eine Ressortabstimmung für den Verordnungsentwurf durchzuführen.

 

Und argumentieren sie nicht damit, dass ihnen ein Rechtsgutachten der Wohlfahrtsverbände die Hände gebunden hat. Dieses ist so dünn, so dass sich selbst die Wohlfahrtsverbände davon distanzierten.

 

Es fehlen der politische Wille und eine starke Ministerin. Sie alle hätten längst handeln können. ‚Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen‘ scheint aber eher ihr Motto zu sein.“