„Nein, dass Grundschülerinnen und Grundschüler ihre Zeugnisse verstehen müssen, wäre bei der Entwicklung der neuen Kompetenzzeugnisse durch die Landesregierung nicht vorgesehen gewesen – erklärt uns der von Frau Ministerin Ernst bestellte Experte. Aus Sicht der Schulministerin ist das offensichtlich auch keine Notwendigkeit. Aber nicht nur Schüler, sondern auch Eltern und Lehrer werden mit dem Verstehen der Zeugnisse ihre Probleme haben. So ist es z.B. im Bereich der Mathematik selbst dem Ministerium nicht möglich, die Unterschiede zwischen den verschiedenen Kompetenzfeldern zu erläutern. Wenn in einem Kompetenzfeld ‚geometrische Formen kennen‘ bewertet wird und im nächsten Feld ‚geometrische Muster erkennen‘, dann muss man mindestens Mathematiker sein, um den feinen Unterschied herauszuarbeiten.
Offen bleibt auch der Sinn der Entwicklungsberichte, wenn sie genau die gleichen Kategorien verwenden wie die Zeugnisse. Die Frage drängt sich auf, welchen Sinn es ergibt, im ersten Schulhalbjahr der vierten Klasse einen Entwicklungsbericht zu bekommen, der dem Kompetenzzeugnis nahezu vollständig gleicht? Ministerin Ernst erkennt nicht, dass in einem Entwicklungsbericht Veränderungen und Perspektiven aufgezeigt werden müssen und deswegen keinesfalls die gleichen Kategorien verwendet werden dürfen wie in Zeugnissen.
Zumindest taktisch hat die Landesregierung dazu gelernt. Da sie weiß, dass öffentlicher Gegenwind derzeit schädlich wäre, will sie die Kompetenzzeugnisse erst nach einer dreijährigen Übergangsfrist verbindlich einführen und damit die notenfreie Grundschule durchsetzen.“