In ihrer Rede zu TOP 3 (Bericht zur weiteren Gestaltung des Schulbetriebs für das Schuljahr 2020/2021) erklärt die stellvertretende Vorsitzende und bildungspolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion, Anita Klahn:
„Wir haben in den letzten Tagen oft gehört, wie schwierig die Situation ist und dass die bisherigen Maßnahmen nicht ausgereicht haben.
Ich möchte vorweg sagen, dass ich die Enttäuschung und den Frust verstehen kann, dass wir den Jahresstart mit einem verlängerten Lockdown bestreiten müssen. Auch wenn es die Politik ist, die diese Maßnahmen beschließt, bedeutet das nicht, dass diese Beschlüsse für uns Politiker nicht weniger frustrierend sind oder gar leichtfertig gemacht werden.
Die Inzidenzen sind leider so, dass wir nur über konsequente Kontaktbeschränkungen einen Rückgang der Zahlen erreichen können, damit unser Gesundheitssystem nicht überlastet wird. Auch wenn es schwer fällt und Entbehrungen bedeutet: Meine Bitte ist: Bleiben Sie, sofern möglich, weitestgehend zu Hause. Beschränken Sie ihre sozialen Kontakte. Je konsequenter wir uns gemeinsam daran halten, desto schneller werden wir Licht am Ende des Tunnels sehen und den Lockdown beenden können. Denn es ist klar: Wenn wir es bis Ende Januar nicht schaffen, die Zahlen zu drücken und Kitas, Schulen und Geschäfte wieder zu öffnen, dann werden wir dramatische Folgen beobachten können. Wer seine Kinder nicht in die Betreuung oder die Schule geben kann, kann nicht berufstätig sein. Wenn der Einzelhandel, die Gastronomie, die Theater und Kinos weiter geschlossen bleiben, können viele ihren Job nicht ausüben. Dem einen fehlt das Einkommen, den anderen der Umsatz.
Es muss also das Ziel sein, schleunigst aus dem Zustand des totalen Herunterfahrens des öffentlichen Lebens zu kommen, um nicht weitere Existenzen zu gefährden und immer größere Schuldenberge aufzuhäufen. Wenn wir über Kontaktbeschränkungen sprechen, dann gehören dazu leider auch die Kontakte in der Schule. Und so sehr ich mir gewünscht hätte, dass wir wieder zum Präsenzunterricht zurückkehren können: Die Datenlage zeigt, dass wir es nicht verantworten können. Daher finde ich es absolut richtig, den Präsenzunterricht bis Ende Januar auszusetzen. Auch wenn wir in Schleswig-Holstein deutlich niedrigere Inzidenzen haben als in den meisten anderen Bundesländern, werden wir unseren Teil dazu beitragen, dass wir alle schnellstmöglich aus der aktuellen Situation herauskommen. Unser umsichtiges Krisenmanagement bringt uns in Schleswig-Holstein in eine vergleichsweise günstige Situation. Diese sollten wir nutzen und über Schul- und Kita-Öffnungen nachdenken, sobald die Schwellenwerte fallen und eine Öffnung verantwortbar ist.
Die Frage ist jetzt, was ist für das aktuelle und das kommende Schuljahr wichtig? Am dringendsten müssen wir den Abschlussjahrgängen den Abschluss ermöglichen. Wir müssen vermeiden, dass dieses Schuljahr in irgendeiner Form ein ‚verlorenes‘ Schuljahr wird. Das gilt für alle Schülerinnen und Schüler: Es darf kein ‚Not-Abitur‘ oder einen ‚ESA/MSA light‘ geben. Berufliche Schulabschlüsse müssen gewährleistet werden. Aus diesem Grund sind mir einige Dinge besonders wichtig für das laufende und kommende Schuljahr: Ob Präsenzunterricht, Lernen im Distanzunterricht oder Wechselunterricht: Wir, Politik, Verwaltung und Schulen, müssen gemeinsam sicherstellen, dass wir qualitativ guten Unterricht anbieten können. Unterricht zu Hause darf nicht bedeuten, dass jeder machen kann, was er für richtig hält oder dass die Zeit zu Hause als Freizeit oder verlängerte Ferien angesehen werden. Wir brauchen klare Vorgaben, wir müssen Erwartungshaltungen formulieren und wir brauchen eine Kontrolle der Lernfortschritte. Ansonsten bedeutet jede Woche Fernunterricht eine verlorene Woche. Und wenn wir schon beim Thema sind: Für mich kommt auch nicht in Frage, an den grundsätzlichen, regulären Strukturen von Schulen zu rütteln. Ich halte es auch nicht für sinnvoll, immer wieder kurzfristig die Verschiebung der Ferien ins Gespräch zu bringen.
Noch fataler sind die Forderungen nach den Absenkungen der Standards oder der Lernziele oder gar die Forderungen nach einer Fächerreduzierung. Wir haben bereits, soweit das möglich und nötig war, auf die besonderen Herausforderungen der Pandemie und den Schulausfall reagiert und großzügige Regelungen bei der Leistungsbewertung getroffen. Unter dem Aspekt, dass ein Abschluss auch etwas wert sein soll, sollten wir keine weiteren entwertenden Maßnahmen ergreifen, sondern eher zu lernunterstützenden Maßnahmen. Mir drängt sich manchmal der Eindruck auf, dass die Pandemie als Vorwand dienen soll, lang gehegte politisch motivierte Forderungen oder Wünsche zu formulieren, die die aktuelle Situation gar nicht erfordern. Also richten wir unsere Kraft darauf, den Präsenzunterricht wieder möglich zu machen und da, wo es nicht geht, den bestmöglichen Fernunterricht mit digitaler Unterstützung zu ermöglichen.
Moderne Unterrichtskonzepte mit digitalen Lernwelten, digitale Kommunikationswege zwischen Lehrer, Schülern und Eltern erfordern ein schnelles Internet, die Ausstattung mit Endgeräten, Lernsoftware und datenschutzsichere Kommunikationswege. Die dafür vollständige technische Ausstattung aller Schulen, für alle Unterrichtsfächer lässt sich nicht im Hauruckverfahren innerhalb eines Jahres nachholen. Unterrichtskonzepte lassen sich nicht mal eben nebenbei erstellen. Die Lehrkräfte brauchen dafür Zeit. Das müssen wir mit Stunden hinterlegen. Daher möchte ich mich bei allen Beteiligten bedanken, die bereits unter schwierigen Umständen und mit viel Engagement das Beste aus der Situation machen.
Das Positive ist: Wir haben in allen Bereichen seit Pandemie-Beginn deutliche Verbesserungen gesehen. Das ist erfreulich. Doch Selbstlob ist an dieser Stelle fehl am Platz, dafür gibt es einfach noch zu viel zu tun. Wenn ich mir eines wünsche für die kommenden Schuljahre, dann ist das eine konsequente Weiterverfolgung der Digitalisierung, mit einem festen politischen Willen, diese auch zu Ende zu führen. Es wäre zu viel verlangt, jahrzehntelang verschlafene Entwicklungen und Investitionen unter Pandemie-Bedingungen aufholen zu wollen, aber es ist keineswegs zu viel verlangt, sich als Konsequenz aus dieser Krise die Fortführung der Digitalisierung unserer Schulen auf die Fahne zu schreiben.
Wenn wir im Sommer wieder eine hoffentlich halbwegs normale Situation haben, dann werden wir analysieren müssen: Was hat funktioniert, an welchen Stellen haben wir sinnvolle Maßnahmen in die Wege geleitet? Aber auch: Was hat nicht funktioniert, wo müssen wir weiter nachsteuern? Es ist wichtig, dass wir unsere Lehren ziehen und weiterhin den politischen Willen aufbringen, dass wir Schule dauerhaft besser möglich machen als es vor der Pandemie der Fall war. Nur dann können wir sagen, dass wir aus der Corona-Situation wenigstens an dieser Stelle etwas Positives für die Zukunft mitnehmen können.“
Es gilt das gesprochene Wort!