Anita Klahn zu TOP 9 u.a. „Erste Lesung Corona Artikelgesetz“

Familienpolitische Sprecherin der FDP Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein, Anita Klahn

In ihrer Rede zu TOP 9+35+51+52 (Erste Lesung Corona-Artikelgesetz) erklärt die stellvertretende Vorsitzende und familienpolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion, Anita Klahn:

„Die Corona-Krise hat uns alle mehr oder weniger unvorbereitet getroffen – das gilt für die Bürgerinnen und Bürger, aber natürlich auch für die Politik und uns als Landesregierung. Wenn wir ehrlich zueinander sind, hat sich Anfang Februar wohl kaum jemand vorstellen können, dass im April aus Gesundheitsschutzgründen weltweit ganze Länder umfassend stillgelegt werden müssen. Und dies hatte – und hat – für die meisten Menschen im Land gravierende Konsequenzen.

Konsequenzen, bei denen wir seit Wochen nach bestem Wissen und Gewissen versuchen, sie für die Menschen im Land abzumildern. Bei denen wir immer wieder Entscheidungen nach den Grundsätzen der Angemessenheit, der Verhältnismäßigkeit und Gleichheit mit dem hohen Schutz der Gesundheit des Einzelnen abwägen müssen. Ein Teil dieser Anstrengung ist das hier vorliegende Artikelgesetz, welches in den letzten Tagen in intensiven Debatten zustande gekommen ist und besonders für die Schulen, Hochschulen und den Sozialbereichen mit Kinderbetreuung und Pflegeeinrichtungen die größten Härten im Zusammenhang mit der Corona-Krise zu minimieren versucht.

Doch bevor ich zum Inhalt komme, möchte ich mich noch bei denjenigen bedanken, die daran mitgewirkt haben. Denn zu der Kurzfristigkeit und dem Umfang bei der Ausarbeitung kamen die vielen unterschiedlichen Interessen, die alle berücksichtigt werden wollten. Daher: Vielen Dank für Ihre Arbeit in den letzten Wochen!

Genauso möchte ich Verständnis für alle Leidtragenden der Situation äußern. Besonders hart scheint es mir die Familien getroffen zu haben. Für sie veränderte sich von einem Tag auf den anderen der gesamte Alltag. Es fiel nicht nur der Unterricht für ihre Kinder aus, sondern gleichzeitig auch die Betreuungsmöglichkeiten in den Schulen und Kitas, soziale Kontakte reduzierten sich auf das engste familiäre Umfeld. Das Spannungsfeld aus erschwerter oder nicht mehr möglicher Berufstätigkeit, gepaart mit der Sorge um die Gesundheit von Angehörigen ist das Eine. Die Belastung vieler Familien mit Kurzarbeit, der Organisation des familiären Haushalts und der Rundumbetreuung einschließlich schulischer Aufsicht der eigenen Kinder zu Hause kann sich sicher nicht jeder vorstellen. Mir bleibt nur, den Müttern und Vätern dafür zu danken und ihnen weiterhin die Kraft für die nächste Zeit zu wünschen und zu hoffen, dass wir gemeinsam in den kommenden Tagen erfolgreich weitere Schritte in Richtung Normalität gehen können.

Damit kommen wir zu dem Artikelgesetz. Zunächst wollen wir damit erreichen, dass die Bereiche Schule, Hochschule, Kita und Soziales in der Krise so geregelt werden können, dass den Betroffenen so wenige Nachteile wie möglich aus der aktuellen Krise erwachsen. Und um eins auch deutlich zu sagen: Mit dem Artikelgesetz geht es nicht darum, eine ‚neue Normalität‘ zu schaffen. Es geht auch nicht darum, etwas durchzusetzen, was wir unter normalen Umständen nicht gewagt hätten. Ebenso ist klar, dass das Artikelgesetz bei Bedarf eine Überarbeitung brauchen wird, vor allem wenn sich die Lage in der Corona-Krise verschärfen sollte. Wir werden, in enger Abstimmung mit dem Gesundheitsministerium und den regionalen Gesundheitsämtern, in regelmäßigen Abständen die Maßnahmen auf ihre Durchführbarkeit, aber auch die Verhältnismäßigkeit hin überprüfen. Vor allem sind auch immer wieder regionale Besonderheiten zu berücksichtigen.

Was regeln wir also im Kern? Ein gewichtiger Teil sind die Bedingungen für die Abschlussprüfungen der ‚Corona-Jahrgänge‘. Die von den Schulen erfolgreich organisierten Abiturprüfungen haben gezeigt, dass es die richtige Entscheidung war, an der Durchführung eben dieser Prüfungen festzuhalten, um den jungen Leuten nicht ihre Chancen für die Zeit nach der Krise zu verbauen. Es ging darum, ein ‚Corona-Abitur‘ zu vermeiden, das rein aus Vornoten und Ersatzleistungen zusammengebastelt wird. Auch die Abschlüsse ESA und MSA werden erfolgreich durchgeführt werden. Das Artikelgesetz schafft als Unterstützung dafür die rechtlichen Voraussetzungen, indem wir die Flexibilität bei der Anerkennung und Bewertung von mündlichen und schriftlichen Prüfungsleistungen ausweiten und damit unnötige Härten vermeiden. Und ich vertraue auf die Lehrerschaft, dass sie in dieser Phase ihre Schülerinnen und Schüler motivierend unterstützen.

Wichtig ist uns an dieser Stelle, darauf hinzuweisen, dass mit diesem Gesetz vorbeugend Regularien geschaffen werden, falls das Infektionsgeschehen sich deutlich negativ verändert. Grundsätzlich hoffen wir aber derzeit, dass im Bildungsbereich nicht alle Möglichkeiten angewendet werden müssen. Auch ist es richtig, an die Studierenden und die sich in der beruflichen oder schulischen Ausbildung befindenden Jugendlichen im Land zu denken. Nicht nur die Ausweitung der BAföG-Leistungen ist mit Hinsicht auf die finanziellen Einbußen dieser geboten. Die Krise bietet uns auch die Chance, über flexiblere Rahmenbedingungen die Digitalisierung bei der Lehre an den Hochschulen stärker als bisher zu nutzen und auch weiter ausbauen. Auch die Regelungen für die Notbetreuung und die Ersatzleistungen für ausgefallene Betreuungszeiten sind ein wichtiger Bestandteil der Regelungen, um Eltern nicht noch weiter zu belasten.

Ziel muss es sein, die längerfristigen Voraussetzungen zu schaffen, um den Betrieb in den Schulen, an den Hochschulen und den Kitas Stück für Stück wieder hochfahren zu können und sich der Normalität anzunähern. Es ist uns nicht geholfen, wenn wir über Vorschläge diskutieren, Abschlussprüfungen für alle wegzulassen, automatische Klassenversetzungen ohne Prüfungen einzuführen oder noch einschneidender: das ganze Schuljahr einfach abzusagen. Vielmehr muss es uns darum gehen, wie wir uns verantwortungsvoll an den Regelbetrieb herantasten können und dafür auch mit den Beteiligten Lösungen finden.

Denn eines ist auch klar: Für die Akzeptanz der Bevölkerung im Hinblick auf die einschränkenden Maßnahmen ist es unerlässlich, dass wir eine konkrete, greifbare Perspektive aufzeigen. Die Menschen im Land müssen wissen, wann sie wieder regelmäßig Geld verdienen können, wann ihre Kinder wieder betreut werden und zur Schule gehen können und wann sie wieder Freunde und Familie besuchen können. Wir müssen aber auch ehrlich mit der Gefahr dieser Infektion umgehen. Davon wird ganz wesentlich abhängen, wie gut wir als Gesellschaft mit den bisherigen Einschränkungen zurechtkommen werden.“