In ihrer Rede zu TOP 1 (Aktuelle Stunde: Auswirkungen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November 2023 auf den Landeshaushalt und den finanzpolitischen Kurs der Landesregierung) erklärt die haushaltspolitische Sprecherin und stellvertretende Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Annabell Krämer:
„Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom vergangenen Mittwoch muss einen Schlussstrich unter den bisherigen Umgang Schleswig-Holsteins mit Notkrediten setzen. Ich möchte nun auf die wesentlichen Bestandteile des Urteils und die resultierenden Folgen für die Haushaltspolitik des Landes eingehen.
Erstens: Notlagenbeschlüsse und die damit verbundene Aufnahme von ,Notkrediten' gelten nur für ein Haushaltsjahr. Die notlagenbedingen Kreditermächtigungen müssen in diesem Jahr kassenwirksam werden, nicht verbrauchte Notkreditermächtigungen verfallen zwingend nach Ablauf des jeweiligen Haushaltsjahres.
Sich wie im Dezember 2022 noch mal schnell eine Milliarde als neuen Ukraine-Kreditrahmen für folgende Haushaltsjahre zu genehmigen, ist nun auch offiziell verfassungswidrig. Wir haben davor bereits vor einem Jahr gewarnt. Da verkommt es fast schon zur Bedeutungslosigkeit, dass Ende 2022 lediglich 87 Millionen Euro des ursprünglichen Notkredits von 400 Millionen Euro abgeflossen waren und der Haushalt 2022 im Abschluss positiv war.
Kollege Koch, Sie argumentierten damals, die Mittel seien alle schon verplant und man müsste deswegen den Kreditrahmen dringend erhöhen. Ich empfehle die Lektüre des Umdrucks 20/2302: Von den insgesamt 1,4 Milliarden Euro wurden für 2022 und 2023 rund 855 Millionen Euro verplant. Hiervon sind Ende September 2023 gerade einmal 196 Millionen Euro abgeflossen.
Zweitens: Die Bevorratung von Notkrediten in Sondervermögen ist verfassungswidrig. Daraus folgt für den Landeshaushalt, dass alle noch bestehenden Notkreditermächtigungen in Rücklagen oder Sondervermögen – und eigentlich auch sämtliche Inanspruchnahmen dieser in 2023 – unverzüglich zu löschen bzw. zu tilgen sind.
Gemäß Beantwortung meiner kleinen Anfrage weiß das Finanzministerium angeblich nicht, welche Sondervermögen und Rücklagen mit Kreditermächtigungen gebildet wurden. Ich hoffe sehr, dass dieses nicht der Fall ist.
Es geht heute nicht um Ihren Umgang mit den Auskunftsrechten gegenüber dem Parlament. Nur so viel: Wir werden Ihnen das Vorenthalten von Informationen in Kleinen Anfragen und Falschinformationen in Ausschüssen in Zukunft nicht mehr durchgehen lassen!
Drittens: Ich zitiere aus Ziffer 109 des Urteils des Bundesverfassungsgerichts: ,Die Folgen von Krisen, die lange absehbar waren oder gar von der öffentlichen Hand verursacht wurden, dürfen nicht mit Notkrediten finanziert werden.' Die Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen oder Maßnahmen zur Erlangung der Energiesouveränität aus Notkrediten ist somit nicht verfassungskonform!
Es war übrigens eine CDU/CSU geführte Bundesregierung, die unsere Bürgerinnen und Bürger sowie unsere Industrie abhängig gemacht hat von russischem Pipelinegas. Wohlwissend, dass die Ukraine schon 2014 mit der Annexion der Krim völkerrechtswidrig angegriffen wurde.
Daraus folgt für den Landeshaushalt: Maßnahmen zur Erlangung der Energiesouveränität sind aus dem ordentlichen Haushalt zu bestreiten.
Viertens: Textziffer 133 des Urteils. Ich zitiere: ,Nicht erfasst sind … Neukredite für allgemeinpolitische Maßnahmen, die … anlässlich der vermeintlich günstigen Gelegenheit des Aussetzens der Schuldenbremse ergriffen werden, aber nicht auf die Überwindung der Krisensituation zielen.'
Erwähnt seien hier die Mittel für die Ansiedlung von Northvolt, die Mittel für die Wohngeldreform und das Programm ,Klimaschutz für Bürger', für das gut situierte Grüne Wählerklientel. Dass das Förderprogramm Klimaschutz für Bürgerinnen und Bürger gerade die sozial schwächeren unterstützt, war von Anfang an eine einzige PR-Nummer – zudem wurde es schon vor dem Ukraine-Krieg aufgelegt und lediglich aufgestockt.
Das Bundesverfassungsgericht gesteht dem Gesetzgeber zwar einen gewissen Ermessensspielraum bei der Beurteilung von Notlagen und den heilenden Maßnahmen zu, betont jedoch, dass dieser Spielraum abnimmt, je weiter das auslösende Ereignis in der Vergangenheit liegt.
Dieses gilt insbesondere dann, wenn wiederholt Notkredite genutzt werden. Das Gericht fordert eine überzeugende Begründung, wenn Mittel im Folgejahr erneut bereitgestellt werden sollen, die im Vorjahr nicht benötigt wurden.
Wenn Ihre Notkredite bezüglich der beschlossenen Höhe und Maßnahmen so zwingend zur akuten Bewältigung der Notlage waren, dann frage ich, wie das mit dem geringen tatsächlichem Mittelabfluss vereinbar ist?
62 Seiten im Namen des Volkes, die Ihnen Ihren Verfassungsbruch vor Augen führen sollten.
Eines setzt dem Ganzen jedoch noch die Krone auf. Schleswig-Holstein puffert immer noch Mittel aus der Corona-Notlage, die die Finanzministerin aufgrund der verbesserten Haushaltslage eigenständig im August letzten Jahres für beendet erklärt hat und nun wieder aufleben lassen möchte.
Frau Ministerin, Sie sagen immer gerne, Sie handeln nicht anders als Christian Linder! Dann akzeptieren Sie wie er das Urteil, vor dem wir Sie gewarnt haben! Erfüllen Sie die gemachten Zusagen aus dem ordentlichen Haushalt und tilgen Sie die verbliebenen Notkreditermächtigungen.
Jährigkeit und Jährlichkeit lassen keinen Interpretationsspielraum!"
Sperrfrist Redebeginn!
Es gilt das gesprochene Wort.