Annabell Krämer zu TOP 15 „Finanzielle Belastung durch Coronakrise beim Rentenniveau berücksichtigen“

Annabell Krämer

In ihrer Rede zu TOP 15 (Finanzielle Belastung durch Coronakrise beim Rentenniveau berücksichtigen) erklärt die finanzpolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion, Annabell Krämer:

„Der SSW möchte mit seinem Antrag die Rentenentwicklung von der Lohnentwicklung abkoppeln, indem es 2021 eine systemwidrige Rentenerhöhung geben soll. Wie steht es doch in dem Antrag? ‚Auch Seniorinnen und Senioren haben durch die anhaltende Corona-Pandemie zusätzliche, auch finanzielle, Mehrbelastungen zu tragen‘.

Lieber Herr Kollege Harms, ich muss zugeben, dass mich in den letzten dreieinhalb Jahren kaum ein Antrag emotional so sehr bewegt hat wie dieser. Sei es der Situation geschuldet, dass ich Finanzpolitikerin bin oder dass ich zwei Kinder habe. Wenn ich genau überlege, sind Sie doch erstens schon länger Finanzpolitiker als ich und zweitens sind Sie auch bei der Anzahl der Kinder mir definitiv überlegen. Insofern erstaunt mich dieser Antrag des SSW umso mehr. Lieber Herr Kollege, wäre Gelddrucken ohne negative Konsequenzen möglich, wäre ich sofort dabei! Aber so einen Antrag in einer Zeit zu stellen, in der wir Milliardenkredite aufnehmen, die unsere Kinder und Kindeskinder abzutragen haben, finde ich diesen Antrag sogar unredlich! Und ich bin mir sicher, dass vielen Rentnerinnen und Rentnern bewusst ist, welche Lasten wir den nachfolgenden Generationen in dieser Krise aufbürden. Ich bin mir sogar sicher, dass sich der überwiegende Teil unserer Rentnerinnen und Rentner wünscht, dass auch ihre Kinder und Enkelkinder noch genügend Luft zum Atmen haben.

Liebe Kollegen vom SSW, wir sind tatsächlich nicht selten einer Meinung, aber dieser Antrag ist mir sauer aufgestoßen. Ja, wo es Altersarmut gibt, da muss der Sozialstaat zielgenau helfen – aber grundsätzlich die Rentner besserzustellen als den Rest der Gesellschaft, da gehen wir Freie Demokraten nicht mit. Denn so wird Generationengerechtigkeit mit Füßen getreten. Berichtigen Sie mich gerne, aber mir ist nicht bekannt, dass unsere Eltern oder Großeltern fürchten müssen, dass ihre wohlverdienten Renten zu spät oder gekürzt auf dem Konto landen. Unsere Rentnerinnen und Rentner sind durch eine Schutzklausel in § 68a SGB VI davor gefeit, dass die Rentenauszahlungen sinken. Die Auszahlungen bleiben stabil, obwohl sie eigentlich – der allgemeinen Lohnentwicklung folgend – in diesem Jahr sinken müssten. Das ist eine Regel, die wir unterstützen, weil sie für Verlässlichkeit im Einkommen der Rentner sorgt und dabei hilft, die Konjunktur zu stabilisieren. Die Rentenanpassungsformel besagt aber eigentlich auch, dass eine ausgesetzte Kürzung mit späteren Erhöhungen verrechnet werden muss. So bliebe garantiert, dass sich Renten und Löhne längerfristig immer im Gleichklang entwickeln. Doch diese faire und generationengerechte Formel hat die Große Koalition im Bund schon 2018 ausgehebelt, indem sie den Nachholfaktor bis 2025 außer Kraft gesetzt hat. Bereits mit dieser Benachteiligung der Jüngeren waren und sind wir Freie Demokraten nicht einverstanden, weil sie zu einer ungleichen Lastenverteilung in der gesetzlichen Rentenversicherung führt.

Der Vorschlag des SSW schießt dagegen den Vogel ab. Millionen Selbständige, Beschäftigte in Kurzarbeit oder von Arbeitslosigkeit betroffene Bürger leiden finanziell in dieser Krise. Sie müssen schmerzliche Einkommensverluste verkraften und bangen teils um ihre Existenz. Der SSW-Antrag ist deshalb nicht nur ein renten- und finanzpolitischer Irrweg. Vielmehr ist er dazu imstande, unsere Gesellschaft noch weiter zu spalten. Das dürfen wir in diesen Zeiten jedoch nicht zulassen. Ich habe es in diesem hohen Hause schon so oft betont: Alles, was wir einer Bevölkerungsgruppe zukommen lassen, muss von einer anderen Gruppe bezahlt werden. Bei jeder finanzpolitischen Entscheidung müssen wir stets mitbedenken, wie die nächste Generation entscheiden würde.

Um es ganz klar zu sagen: Ich halte es für legitim und sogar für notwendig, auch die heutige Rentnergeneration an den finanziellen Folgen dieser Pandemie angemessen zu beteiligen. Wir brauchen einen fairen Ausgleich über alle Generationen hinweg. Eine außerordentliche Rentenerhöhung wäre weder angemessen noch generationengerecht. Unsere Gesellschaft trägt seit fast einem Jahr gewaltige Einschränkungen des alltäglichen Lebens mit. Dies ist auch ein Akt der Solidarität gegenüber den Älteren, die von Covid-19 überproportional bedroht sind. Es ist unsere menschliche Pflicht, große Anstrengungen zu unternehmen, um gerade unsere Senioren vor den Risiken einer Corona-Infektion zu schützen. Aber uns muss auch bewusst sein, dass ebenjene Anstrengungen gerade den jüngeren Generationen unglaublich viel abverlangen. Diese jetzt noch finanziell weiter zu belasten, wäre völlig verkehrt. Solidarität ist keine Einbahnstraße. Wenn es nur nach mir ginge, würde ich Ihren Antrag schon heute hier und jetzt ablehnen – da die Koalitionspartner es jedoch wünschen, gehen wir Freie Demokraten die Ausschussüberweisung mit!“

Es gilt das gesprochene Wort!