In ihrer Rede zu TOP 15 (Umstiegsberatung in Schleswig-Holstein weiterführen) erklärt die stellvertretende Vorsitzende und frauenpolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion, Annabell Krämer:
"Die Umstiegsberatung für Sexarbeitende in Schleswig-Holstein ist ein Thema, das weit über den konkreten Anlass dieses Antrags hinausgeht. Es geht insbesondere um den Schutz und die Unterstützung von Menschen, die sich in einer äußerst vulnerablen und oft verzweifelten Lage befinden. Die Umstiegsberatung ist ein wichtiges Instrument, um denjenigen, die die Prostitution verlassen wollen, eine neue Perspektive aufzuzeigen.
Die Beratungsstellen in Schleswig-Holstein haben in den letzten Jahren großartige Arbeit geleistet, vor allem im Rahmen des Modellprojekts AQUA. Der Bedarf an einer professionellen Umstiegsberatung ist nach wie vor groß und genau deshalb ist es unerlässlich, dass wir die Beratungsstellen, die bisher vom Bund gefördert wurden, auch auf Landesebene etablieren. Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Beratungsstellen auch im zweiten Halbjahr 2024 weitergeführt werden können.
Es ist jedoch nicht damit getan, die bestehende Arbeit einfach zu verlängern. Es ist ebenso wichtig, dass wir uns Gedanken darüber machen, wie wir die Beratungsangebote langfristig sicherstellen und noch effektiver gestalten können. Erstens: Warum ist es so wichtig, dass wir hier als Land aktiv werden? Die Menschen, die aus der Prostitution aussteigen wollen, stehen vor vielfältigen und teils massiven Herausforderungen. Oft fehlt es an einem sozialen Netzwerk außerhalb des Prostitutionsgewerbes, an finanzieller Sicherheit oder an beruflichen Perspektiven.
Genau hier setzt die Umstiegsberatung an. Sie bietet nicht nur emotionale Unterstützung, sondern zeigt konkrete Wege auf, wie ein neues Leben aufgebaut werden kann. Wichtig ist, dass diese Menschen nicht nur punktuell, sondern umfassend begleitet werden. Es reicht nicht, einmal zu beraten und dann sich selbst zu überlassen. Es braucht eine nachhaltige, strukturierte Begleitung – von der ersten Orientierung bis hin zur Integration in den regulären Arbeitsmarkt.
Zweitens: Effizienz und Bündelung von Ressourcen. Wir legen großen Wert darauf, dass die eingesetzten Mittel nicht nur genutzt, sondern auch effektiv eingesetzt werden. Wir dürfen keine Parallelstrukturen fördern, die die Effizienz der Beratungsangebote schwächen. Stattdessen müssen wir überlegen, wie bestehende Angebote besser koordiniert und gebündelt werden können. Hierbei könnte eine Beratungsstelle für das gesamte Land ein möglicher Ansatz sein. Eine Stelle, die die verschiedenen Angebote koordiniert und sicherstellt, dass Ratsuchende im gesamten Land eine gleichwertige Beratung erhalten.
Drittens: Finanzielle Nachhaltigkeit. Die Weiterführung der Beratungsstellen darf nicht Jahr für Jahr auf wackeligen Füßen stehen. Wir brauchen eine auskömmliche und langfristige Finanzierung, die es den Fachberatungsstellen ermöglicht, stabil und verlässlich zu arbeiten. Das gilt nicht nur für die laufenden Kosten der Beratungsstellen, sondern auch für die notwendigen Ressourcen, um gefährdete Personen sicher unterzubringen. Ein Aspekt, der in der bisherigen Arbeit oft übersehen wurde, ist die Unterbringung. Viele Beratende berichten davon, dass es an geschütztem Wohnraum fehlt, der für eine erfolgreiche Neuorientierung entscheidend ist, da die Sexarbeitenden in den meisten Fällen an ihrem Arbeitsort wohnen. Diese strukturelle Hürde dürfen wir nicht ignorieren. Ohne sicheren Wohnraum kann der Ausstieg aus der Prostitution für viele Menschen zu einem kaum erreichbaren Ziel werden.
Viertens: Gespräche und Zusammenarbeit. Es ist unerlässlich, dass die Landesregierung in den Dialog mit allen relevanten Akteuren tritt. Die Fachberatungsstellen, die bereits über Jahre hinweg Erfahrungen gesammelt haben, müssen in diesen Prozess eingebunden werden. Nur durch einen intensiven Austausch können wir sicherstellen, dass die Umstiegsberatung den tatsächlichen Bedarfen entspricht und effektiv ausgestaltet wird. Die fünf vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderten Projekte zum Umstieg aus der Prostitution wurden vom Forschungsunternehmen InterVal wissenschaftlich begleitet. Aktuell wird gemeinsam mit den Modellprojekten an einem Praxisleitfaden gearbeitet, der die wichtigsten Erkenntnisse zusammenfassen soll. Dieser Leitfaden soll noch in diesem Jahr veröffentlicht werden. Außerdem wird das Bundesgleichstellungsministerium im Frühjahr 2025 einen umfassenden Abschlussbericht mit weiterführenden Informationen veröffentlichen. Wir fordern die Landesregierung daher auf, sich diese Evaluierungen zunutze zu machen.
Abschließend möchte ich betonen, dass es nicht nur darum geht, Menschen in der Prostitution zu helfen, sondern auch um ein starkes Signal der Solidarität zu senden. Diese Menschen verdienen unsere Unterstützung und wir haben die Pflicht, ihnen die Möglichkeit zu geben, ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen. Wir stehen hinter diesem Antrag, weil wir davon überzeugt sind, dass diese Beratungsangebote weitergeführt, gestärkt und zukunftssicher gemacht werden müssen."
Sperrfrist Redebeginn!
Es gilt das gesprochene Wort.