In ihrer Rede zu TOP 2 (Entwurf eines Gesetzes über die Einführung einer optionalen Festlegung differenzierender Hebesätze im Rahmen des Grundvermögens bei der Grundsteuer Schleswig-Holstein) erklärt die stellvertretende Vorsitzende und finanzpolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion, Annabell Krämer:
"Diese plötzlich vorgesehene Einführung von differenzierten Hebesätzen für Gewerbe und Wohnen bei der Grundsteuer ist Ihre Kapitulation vor der eigenen Reform. Wie sagte doch Ministerin Heinold selbst: 'Unabhängig vom Modell wird es Gewinnerinnen und Gewinner beziehungsweise Verliererinnen und Verlierer geben. (…)'. Aus Ihrer Sicht sei das Bundesmodell 'eine pragmatische, eine gerechte Lösung, eine Lösung, die für unsere Kommunen auch berechenbar ist. Es ist eine gute Lösung.' (Quelle: Plenarprotokoll, Freitag, 25. September 2020, S. 7343)
Jetzt scheint auch dem Letzten aufgegangen zu sein, dass Belastungsverschiebungen zwischen den einzelnen Grundstücksarten auftreten – ja, wer hätte das auch ahnen können. Wir Freie Demokraten haben von Beginn an vor den Auswirkungen des von Ihnen bevorzugten Bundesmodells gewarnt – insbesondere vor einer steigenden Belastung für Wohneigentum und Mieten. Es ist anscheinend eine Überraschung für einige von Ihnen, dass die Bodenrichtwerte für Wohnraumnutzung in der Regel höher sind als für Gewerbe. War Ihnen wirklich nicht bewusst, dass die Berücksichtigung eines kalkulatorischen Mietzinses bei Wohngebäuden die Grundsteuer in die Höhe treibt? Das war doch gerade ihr Anliegen und jetzt bekommen Sie kalte Füße.
Die heutige Debatte zeigt deutlich, wie realitätsfremd die ganze Diskussion um die Grundsteuerreform bislang geführt wurde. Die richtige Antwort auf ungewollte Verschiebungen und jährlich steigende Steuerlast wäre ein eigenes Grundsteuergesetz für Schleswig-Holstein mit anderen Berechnungskriterien. Dafür ist es jetzt leider zeitlich zu spät. Die Grundsteuermessbescheide sind erstellt und verschickt. Für Schwarz-Grün bleibt nur noch, das eigene Versäumnis auf die Kommunen abzuwälzen. Sollen die doch dafür verantwortlich sein, die unmittelbaren Auswirkungen des wertebasierten Systems auszugleichen. Sie glauben allen Ernstes, dass differenzierte Hebesätze das Problem auch nur im Ansatz lösen? Erklären Sie den 39 Prozent der Betriebe in Kiel, die bereits jetzt höher bewertet sind als mit dem alten Modell, dass sie noch zusätzlich mit einem höheren Hebesatz belastet werden sollen, weil anderes Gewerbe unterproportional belastet wird.
Darüber hinaus führt es das Transparenzregister ad absurdum, da weder für die Kommunalen Mandatsträger, noch für die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbar ist, wie hoch die differenzierten Hebesätze einzeln sein müssten, um die Grundsteuer aufkommensneutral zu gestalten. Es muss sich zukünftig auch jede der 1.104 Gemeinden in Schleswig-Holstein mit der Frage befassen, ob, und wenn ja, in welcher Höhe, differenzierte Hebesätze eingeführt werden – ein zusätzlicher Aufwand für Verwaltung und Selbstverwaltung. Egal wie sich die Selbstverwaltungen entscheiden, es wird immer ein Rechtfertigungsdruck in die eine oder andere Richtung bestehen.
Darüber hinaus müssen sie dies auch noch verfassungsfest begründen. Das birgt ein Klagerisiko, das alle Beteiligten als erheblich ansehen. Die kommunalen Landesverbände selbst sagen, dass es deshalb 'zurzeit noch nicht abgeschätzt werden kann, inwieweit von der Möglichkeit zur Differenzierung in der Praxis auch tatsächlich Gebrauch gemacht werden wird.' Das war übrigens die einzige Stellungnahme zu diesem Gesetzesvorhaben, die man mit Wohlwollen annähernd positiv bewerten kann. Alle anderen Anzuhörenden haben sich in Einigkeit nicht nur dagegen ausgesprochen, sondern vor der Verabschiedung gewarnt.
Mit der Einführung differenzierter Hebesätze wird die ganze Reform weiter verkompliziert. Denn wenn wir uns mal ehrlich machen, geht es im Kern nicht um eine Flexibilisierung der kommunalen Handlungsoptionen. Ein weiters grandioses Beispiel von Bürokratieaufbau der schwarz-grünen Landesregierung. Dieses Gesetz ist ein vergiftetes Geschenk – Sie spielen Wohnraum und Gewerbe gegeneinander aus und schieben den Schwarzen Peter für ihr vermurkstes Grundsteuermodell den Kommunen zu. Wir werden das nicht mittragen. Der heutige Beschluss ist der letzte Akt der desaströsen Grundsteuerreform von Schwarz-Grün auf Landesebene und der Beginn der Rechtfertigungswelle für Kommunalpolitiker in den Kommunen."
Sperrfrist Redebeginn!
Es gilt das gesprochene Wort.