In ihrer Rede zu TOP 24 (Pyrotechnik ist doch kein Verbrechen) erklärt die sportpolitische Sprecherin und stellvertretende Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Annabell Krämer:
"Fußball ist Leidenschaft mit tief verwurzelten Emotionen und steht für Hingabe, ,Wir-Gefühl', aber auch für Frustration und Enttäuschung. Fußball verkörpert eine explosive Mischung der tiefsten Empfindungen.
1982 – mein erstes Bundesligaspiel mit meinem Vater und Opa – Schalke bekam zwar 6:2 beim HSV auf die Socken, aber für mich natürlich höchst unverdient. Die Bundesliga war in einer Krise, schlechte Besucherzahlen, viele Ausschreitungen. Hooligans prägten die Szene.
Mitte der 90er gründeten sich nach und nach die Ultras bei den Vereinen, Support über 90 Minuten brachte die Stimmung und die Zuschauer in die Stadien zurück. Wer einmal miterlebt hat, wie die Ultras ein ganzes Stadion mitreißen, kennt den Unterschied zum oft zitierten Theaterpublikum des FC Bayern Münchens.
Ultras sind mitnichten Chaoten und mit Hooligans gleichzusetzen. Verstehen Sie mich nicht falsch, die oft unreflektierte Kritik gegenüber der Polizei mache ich mir nicht zu eigen!
Aber auch das sind Ultras: Wie sagt der Aufsichtsratsvorsitzende von Werder Bremen: ,Das sind Menschen, die sich sozial engagieren!' Ultragruppen haben sich solidarisch zusammengetan, um in der Corona-Krise zu helfen: Spenden, Einkäufe, Botengänge, Info-Hotlines.
Auch sonst gibt es viel soziales Engagement. Fankurven organisieren verschiedene Spendenaktionen und lassen benachteiligte und vulnerable Gruppen an der Faszination Fußball teilhaben. Bei Hooligans steht die Konfrontation mit gegnerischen Fans im Mittelpunkt, bei den Ultras hingegen das tatsächliche Verfolgen der Spiele und der Vereine.
Ultras vertreten ihre Mannschaft ohne Gewalt, dafür durch kreative Sprechgesänge und Choreografien in den Farben ihres Vereins. Ja, hierzu gehören auch pyrotechnische Elemente, die in den Sicherheitsrichtlinien der DFL, des DFB und der Stadionordnungen der Clubs aktuell noch verboten sind. Pyrotechnik ist aber kein Akt von willentlicher Gefährdung, sondern emotionale Hingabe der Fans für ihren Verein.
Nicht hinnehmbar ist jedoch, wenn Menschen aufgrund der unkontrollierten Anwendung von Pyrotechnik in Stadien verletzt werden. Unerlaubte Pyroeinsätze finden fortwährend in unseren Stadien statt und die Vereine werden zur Kasse gebeten. Fakt ist: Das Verbot von Pyrotechnik hindert die Fans nicht am Abbrennen.
Der sogenannte ,Chemnitzer Weg' zeigt, wie der Weg aus der Illegalität ablaufen und die Sicherheit der Zuschauer gewährleistet werden könnte. Choreografien mit Pyrotechnik werden im Vorfeld der anstehenden Partie zwischen allen beteiligten Akteuren abgestimmt.
Was sind die Eckpunkte des Konzepts? Erstens: abgesperrter Bereich im Block mit hinreichend Abständen. Zweitens: feste Zuweisungen von Personen, Verantwortungsbereichen und Zeitpunkten des Abbrennens. Drittens: ausschließliche Nutzung von Rauchfackeln, die nicht unter das Sprengstoffgesetz fallen und natürlich Temperaturbegrenzung haben. Unsere europäischen Nachbarn zeigen, wie es geht: Frankreich, Dänemark – Brøndby IF – lässt ,kalte Pyrotechnik' zu – und Norwegen testen Pilotprojekte.
Wir wollen die Spirale aus Kriminalisierung der Fans und der Gefährdung der Zuschauer durch das legale und verantwortungsbewusste Abbrennen von Pyrotechnik im Stadion durchbrechen und sowohl die Interessen der Fans als auch die Sicherheitsbedenken ausreichend berücksichtigen. Das Pilotprojekt sollte analog zum ,Chemnitzer Weg' die kontrollierte Anwendung von Pyrotechnik im Stadion erlauben.
Schleswig-Holstein könnte hier Vorbild für andere Regionen werden. Die Ultras sind nicht das Problem – sondern Teil der Lösung, wir müssen sie in den Prozess mit einbinden.
Ich zitiere: ,Wir bekennen uns zum verantwortungsvollen Umgang mit Pyrotechnik. Für uns ist Pyrotechnik ein Mittel, um Feierstimmung zu schaffen… Pyrotechnik geht einher mit Verantwortung… Bei verantwortungsbewusstem und vernünftigem Umgang sind die Risiken … auf ein Minimum reduzierbar. Was gar nicht geht, sind Böller, Kanonenschläge und sonstige Knallkörper… Pyrotechnik gehört in die Hand, auf keinen Fall in die Luft und nach Möglichkeit nicht auf den Boden. Signalmunition ist ebenso tabu wie… in den Innenraum, auf´s Spielfeld oder in Nachbarblöcke.'
Stärken wir das Vertrauen zwischen Fans und Sicherheitsbehörden auf der Basis von Dialog, Kooperation, Respekt und Verantwortung. Zu dieser Erkenntnis ist übrigens mittlerweile auch der bayrische Innenminister als Vorsitzender der Sportministerkonferenz gelangt. Das Pilotprojekt wird Erfahrungen liefern, wie eine sichere und verantwortungsvolle Anwendung ohne Sanktionen für die Vereine in der Praxis aussehen kann.
Pyrotechnik ist doch kein Verbrechen – wenn sie sicher und verantwortungsvoll eingesetzt wird."
Sperrfrist Redebeginn!
Es gilt das gesprochene Wort.