In ihrer Rede zu TOP 37+49 (Gewalt gegen Frauen entschieden entgegentreten - Frauenfacheinrichtungen bedarfsgerecht finanzieren sowie Frauen schützen – Kompetenzzentrum gegen geschlechtsspezifische Gewalt) erklärt die stellvertretende Vorsitzende und frauenpolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion, Annabell Krämer
"Jeder hat das Recht auf ein gewaltfreies Leben. Trotzdem ist jede dritte Frau in Deutschland mindestens einmal in ihrem Leben von psychischer oder physischer – oft sexueller – Gewalt betroffen. Jeder nimmt Gewalt anders wahr. Was zwischen Partnern und Eheleuten passiert, dringt oft erst ans Tageslicht, wenn die Grenzüberschreitung für die Außenwelt nicht mehr zu übersehen ist. Dieses Grenzüberschreiten fängt in der Regel jedoch viel früher an.
Es braucht im Schnitt sieben Jahre, bis sich eine Frau aus einer Partnerschaft löst, in der sie Gewalt erfahren hat. In diesen sieben Jahren hat sie zum Teil Unerträgliches erlebt und nicht selten verdrängt. Erst nach diesen durchschnittlich sieben Jahren ist der Leidensdruck so groß, dass externe Hilfe niedrigschwellig genug ist. Scham, irrtümlich eigene Schuld suchend und Unkenntnis über Hilfsangebote führen dazu, dass die Leidenszeit unerträglich lange ist.
Wie sieht es jedoch aus mit den tatsächlichen Hilfsangeboten in unserem Land? Die dringend notwendige Hilfe, sei es eine Beratungsstelle oder ein Platz in einem Frauenhaus oder beides, bekommt eine Frau nur dann schnell, wenn sie sich in einer akuten Notsituation befindet. Eine Frau, die hingegen jahrelang geschlagen oder psychisch missbraucht wurde, muss nicht selten mehrere Wochen warten, bis die dringend notwendige Hilfe erfolgen kann. Die Frauenberatungsstellen wollen jegliche Hilfe zeitnah zukommen lassen, sind jedoch hoffnungslos überlaufen. Es darf in unserem Land nicht passieren, dass Frauen, die Hilfe benötigen, diese aufgrund eines zu niedrigen Angebots nicht sofort erhalten.
Wir brauchen mehr Beratungsstellen und eine Finanzierungsstruktur, die sicherstellt, dass die Menschen, die in der Beratungsstelle arbeiten, nicht jährlich um ihren Job fürchten müssen. Aus diesem Grund beantragen wir heute, dass die jährlich erneut zu bewilligenden Zuwendungsmittel für die Frauenberatung um 150.000 Euro aufgestockt und in den regulären Vorwegabzug des FAG überführt und somit dynamisiert werden. Hier können wir mit einer Umschichtung ins FAG auch Bürokratieabbau für das Ministerium und die Facheinrichtungen bewirken. Schleswig-Holstein ist bei der Finanzierung der Frauenfacheinrichtungen vorbildlich, weil bereits Mittel über das Finanzausgleichsgesetz geregelt sind. Die Finanzierung sollte somit einheitlich – abgesehen von temporären Zuwendungen und Projektzuschüssen – hierüber erfolgen.
Auch die Frauenberatungsstellen haben das Problem des Fachkräftemangels. Hier kann das Land durch Verstetigung der Mittel über das FAG Abhilfe schaffen, indem die zusätzlichen Stellen, die momentan jährlich beantragt werden müssen, endlich entfristet werden. Der Bedarf wird sich schließlich kaum reduzieren. Gleichzeitig haben wir jedoch einen Flickenteppich bei Frauenberatungsstellen und Frauenhäusern. Es fehlt eine ganzheitliche Koordinierung. Wie in den Empfehlungen der AG 35 des Landespräventionsrates vorgeschlagen, werden wir nun ein Kompetenzzentrum einrichten. Das Kompetenzzentrum soll die Frauenfacheinrichtungen vernetzen und als Anlaufstelle für all diejenigen dienen, die Konzepte zur Prävention und Sensibilisierung erstellen und in die Breite bringen wollen. Ehrenamtliche Einrichtungen, wie zum Beispiel die des Sports, hätten so eine gezielte Anlaufstelle.
Es ist zudem an der Zeit, eine landesweite Kampagne ins Leben zu rufen. Von Gewalt betroffene Frauen müssen einen niedrigschwelligeren Zugang zu den Hilfs- und Beratungsangeboten bekommen. Jede gewaltbetroffene oder bedrohte Frau muss wissen, dass ihr Unrecht widerfährt und Schleswig-Holstein nicht tatenlos zusieht, sondern Hilfe anbietet. Du bist nicht alleine – wir helfen dir! Nur durch mehr Angebote und Sensibilisierung werden wir es schaffen, dass das durchschnittliche Martyrium zukünftig keine durchschnittlich sieben Jahre mehr dauert. Jedes Jahr, jeder Monat, jeder Tag ist hier zu viel. Frauenrechte müssen überall auf der Welt gelten! Wir stehen in Solidarität mit den Frauen, die im Iran gegen das frauenverachtende Mullah-Regime auf die Straße gehen!“
Sperrfrist Redebeginn!
Es gilt das gesprochene Wort