In ihrer Rede zu TOP 47B + 47C + 47D (u.a. Dringlichkeitsantrag Northvolt) erklärt die haushaltspolitische Sprecherin und stellvertretende Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Annabell Krämer:
„Mit dem höchstrichterlichen Urteil vom 15.11.2023 wurde das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 des Bundes für unvereinbar mit der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse – und somit für nichtig – erklärt!
Dieses Urteil wird vom Bund akzeptiert. Es werden aktuell keine Auszahlungen mehr für nicht rechtsverbindliche Zusagen getätigt und es wird mit Hochdruck daran gearbeitet, einen rechtskonformen Haushalt herzustellen.
Die Tinte auf dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist kaum getrocknet, da verfährt die CDU in Schleswig-Holstein, der nur eine einzige Stimme zur absoluten Mehrheit fehlt, nach dem Motto: ,Wo kein Kläger, da kein Richter!'
Ja, werte Kollegen der CDU, so fühlt sich der Würgegriff der Grünen an.
Liebe Kollegen von Schwarz-Grün! Sie haben eine verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit und zudem das komfortable Wissen, dass die SPD-Fraktion weitere verfassungswidrige Haushaltsbeschlüsse nicht beklagen, sondern ihnen wie bisher zustimmen wird.
Ein kurzer Blick in die Vergangenheit: Ich zitiere aus meiner Rede zu TOP 46 aus der 3. Tagung Ende August 2022.
,Die Finanzministerin hat die finanzielle Corona-Notlage für beendet erklärt. Das ist eine gute Nachricht. Bisher nicht verausgabte Kreditermächtigungen müssten nun zurückgeführt werden…. Wir Freie Demokraten haben … darauf bestanden, dass wir …keinen Blankoscheck für die Verwendung der Notkredite erteilen. Das wäre auch ein Verstoß gegen unsere Landesverfassung, denn die Verwendung … muss in Bezug zu einer außergewöhnlichen Notsituation stehen.'
Wir haben die weitere Inanspruchnahme des Notkredites als nicht verfassungskonform bewertet und bereits damals abgelehnt. Ich zitiere aus meinen Reden zum 4. Nachtragshaushaltsgesetz 2022 aus dem November beziehungsweise Dezember 2022:
,Die Möglichkeit zur Klage vor dem Landesverfassungsgericht haben wir leider nicht, da hierzu zwei Fraktionen erforderlich sind….Jeder von Ihnen, der heute dieser Erweiterung des Notkredits auf 1,4 Milliarden Euro bei bisher erfolgter Inanspruchnahme von lediglich 27 Millionen Euro zustimmt, muss dieses mit seinem eigenen Gewissen, vor sich selbst und den zukünftigen Generationen verantworten. Zur Finanzierung von Koalitionswünschen ist der ordentliche Haushalt vorgesehen …. Die langfristige Finanzierung von Klimaschutzprogrammen und Investitionen in die Wärmewende …muss aus einem ordentlichen Haushalt finanziert werden. Notkredite dürfen dafür nicht herhalten …'
Und weiter: ,Mit einem Nachtragshaushalt, der Mitte Dezember 2022 verabschiedet werden soll, wollen Sie den Notkredit um sage und schreibe eine Milliarde erhöhen.... Es gibt in 2022 keine Gefährdung der finanziellen Handlungsfähigkeit.'
Ich zitiere weiter: ,Sie verstoßen auch gegen das Gebot der Jährlichkeit. Obwohl kein Bedarf für einen Nachtragshaushalt in 2022 besteht, genehmigen Sie sich Kreditermächtigungen für die Jahre 2023-2026.'
Diese aus unserer Sicht schon damals verfassungswidrige Notkrediterweiterung haben wir auch abgelehnt.
Kommen wir nun zu Ihrem – bis heute – letzten Husarenstück.
September 2023: ,Schleswig-Holstein bleibt in der Krise handlungsfähig' – (Drucksache 20/431 (neu, 2. Fassung)). Was finden wir hier? ,Zur Förderung des Ansiedlungsprojektes einer Batteriefabrik in der Region Heide (Northvolt Drei) werden bis zu 137 Mio. Euro in das Sondervermögen ,Energie- und Wärmewende, Klimaschutz und Bürgerenergie' überführt … Die Mittel der Sondervermögen stehen bis Ende des Jahres 2029 für Maßnahmen der Energiewende und Energiesouveränität zur Verfügung' – autsch!
Ich zitiere hier nun meinen Fraktionsvorsitzenden Christopher Vogt vom 20. September 2023: ,Die Northvolt-Ansiedlung stellt selbstverständlich keine Notlage dar, die sich der Kontrolle des Staates entziehen würde, und sie steht auch nicht im direkten Zusammenhang mit dem russischen Angriff auf die Ukraine. Die anderslautende Darstellung aus den Reihen der Koalition halten wir – sehr freundlich formuliert – für äußerst gewagt, auch weil die Ansiedlung bekanntermaßen bereits längst vorher geplant war…. Wir sehen den Klimaschutz und die Ansiedlung von Unternehmen als staatliche Daueraufgabe an.'
Eigentlich müsste es jetzt schon klar sein, dass wir Freie Demokraten die drei vorliegenden Anträge ablehnen, aber ich begründe es gerne noch einmal einzeln.
Erstens, Drucksache 20/1654: Beschluss einer außergewöhnlichen Notsituation für das Jahr 2023. Der Antrag ist evident verfassungswidrig. Es ist völlig skurril, dass rückwirkend die Corona-Pandemie, die im August 2022 von der Finanzministerin beendet wurde, für das Jahr 2023 wieder als außergewöhnliche Notsituation reaktiviert werden soll. Die Darlegungslast des geforderten Veranlassungszusammenhangs wird Ihnen einen Strich durch die Rechnung machen. Seien Sie sich gewiss. Im Bund hat man das Urteil ordentlich ausgewertet. Die Zeiten, in denen Corona für Notkredite herhalten konnte, sind vorbei.
Zudem sollen die in den Vorjahren beschlossenen Notkreditermächtigungen weiterhin gelten. Es wird einfach missachtet, dass das Bundesgerichtsurteil in der letzten Woche auf die gebotene Jährigkeit von Haushalten hingewiesen hat. Somit wird Ihr Haushalt 2023 trotz der Feststellung einer außergewöhnlichen Notsituation verfassungswidrig sein. Da Sie keine Ermächtigungen mehr haben.
Ich betone noch einmal in aller Deutlichkeit: Wenn überhaupt, können Sie Ihren Haushalt 2023 nur mit einem Nachtragshaushalt verfassungskonform gestalten. Sämtliche Kreditermächtigungen des Landes sind spätestens Ende 2022 erloschen! Sie sind blank!
Sensationell ist, dass Sie das selber erkennen. Wie ließe sich sonst folgender Offenbarungseid erklären? Ich zitiere aus dem Antrag von Schwarz-Grün: ,Ab dem Haushaltsjahr 2024 werden ggf. vom Landtag neu zu beschließende Notkreditmittel nur noch gemäß den Anforderungen des Verfassungsgerichts an Jährlichkeit, Jährigkeit und Fälligkeit eingesetzt.' Verfassungsbruch 2023 – erfrischend ehrlich zugegeben!
Zweitens: Drucksache 20/1655 – Feststellung einer außergewöhnlichen Notsituation für das Jahr 2024. Auch dieser Antrag ist abzulehnen, da die Zulässigkeit einer festgestellten Notsituation auf Vorrat mindestens zweifelhaft aber sicher nicht hinreichend begründet wird.
Das Bundesgerichtsurteil weist zu Recht in Textziffer 138 darauf hin, dass der Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum des Haushaltsgesetzgebers umso mehr verengt wird, je weiter das auslösende Ereignis in der Vergangenheit liegt, je mehr Zeit zur Entscheidungsfindung bestand und je entfernter die Folgen sind. Ferner wird gemäß Textziffer 199 der Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum des Haushaltsgesetzgebers für Folgehausjahre eingeengt: ,Hiermit geht eine Steigerung der Anforderungen an die Darlegungslast des Gesetzgebers einher. Dieses gilt umso mehr, wenn der Gesetzgeber … wiederholt innerhalb eines Haushaltsjahres oder innerhalb aufeinander folgender Haushaltsjahre von der Möglichkeit der Aufnahme notlagenbedingter Kreditmittel Gebrauch macht.'
Geschickt verpacken Sie natürlich auch die Auswirkungen der Flutkatastrophe auf unser Land. Hierzu halten wir fest: Die akut erforderlichen Mittel sollen durch Umwidmungen im Haushalt 2023 bereitgestellt werden. Das begrüßen wir außerordentlich! Sollten sich Anforderungen ergeben, die den Landeshaushalt erheblich belasten, stehen wir Freie Demokraten selbstverständlich für einen zeitnahen Nachtragshaushalt 2024 zur Verfügung. Genauso, wie wir es gewesen wären, wenn sich die Mittel aus dem ersten Ukraine-Notkredit 2022 in einer Notsituation als nicht ausreichend erwiesen hätten.
Die Flutkatastrophe hat uns alle erschüttert. Wir wollen und müssen helfen. Sofern das nicht im Rahmen des ordentlichen Haushaltes zu gewährleisten ist, stehen wir an der Seite der Landesregierung, um die erforderlichen Mittel sicherzustellen. Im Gegensatz zur Bekämpfung des Klimawandels und der Herstellung der Energiesouveränität liegt hier tatsächlich grundsätzlich eine von der Verfassung berücksichtigte Notlage vor, die eine außerordentliche Kreditaufnahme ermöglicht.
Der Vorratsbeschluss auf Erklärung einer Notsituation für 2024 ist hingegen nicht begründet. Insbesondere die Vermischung mit vermeintlich noch bestehenden Corona und Ukraine-Notlagen zeigt überdeutlich, dass Sie das Urteil des Verfassungsgerichts nicht verstanden haben und weiterhin eine Notkreditbeschaffung auf Vorrat anstreben.
Die Ignoranz von Schwarz-Grün gegenüber dem Urteil des Verfassungsgerichts wird auf Länderebene wahrscheinlich einmalig sein – denn das kann man sich nur erlauben, wenn, dem kritischen Teil der Opposition der Gang vor das Landesverfassungsgericht verwehrt ist.
Drittens, Drucksache 20/1656: Wir Freie Demokraten betonen erneut, dass die Ansiedlung von Northvolt ein Glücksfall für unser Land ist, der schon seit vielen Jahren angebahnt wird. Wir können und wollen diese Ansiedlung aus dem ordentlichen Haushalt stemmen! Es ist erschreckend, dass Schwarz-Grün trotz des Bundesverfassungsurteils, an der verfassungswidrigen Art der Finanzierung dieser für uns alle so wichtigen Industrieansiedlung festhält.
Diese wichtige Finanzierung auf verfassungswidrige Füße zu stellen ist kontraproduktiv und kann einen Investor verschrecken. Eine seit langem geplante Industrieansiedlung darf nicht mit Notkrediten finanziert werden und schürt Unsicherheiten. Zudem ist Schleswig-Holstein nicht so schwach, dass wir 137 Millionen Euro – verteilt über mehrere Jahre – nicht über den ordentlichen Haushalt finanzieren könnten. Ich teile die Einschätzung des CDU-Fraktionsvorsitzenden Koch nicht, dass Schleswig-Holstein ein armes, kleines Land sei.
Das von uns beauftragte Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes hat erhebliche Zweifel an der Verfassungskonformität der Finanzierung aus Notkrediten geäußert. Ich bin froh, dass wir nun bald eine finale Einschätzung unter Berücksichtigung des frischen Urteils bekommen werden.
Ich bin sicher, dann fällt ihr Kartenhaushalt zusammen! Seien Sie vernünftig! Geben Sie dieser wichtigen Ansiedlung Sicherheit – finanzieren wir verfassungskonform!
Lieber SSW, wir stehen weiterhin für eine Klage gegen diese Notkreditfinanzierung zur Verfügung!
Schleswig-Holstein steht vor immens wichtigen Aufgaben. Wir brauchen eine Gesundheits- und Pflegeinfrastruktur, die den gestiegenen Anforderungen der alternden Gesellschaft gerecht wird, wir müssen massiv in die schulische sowie universitäre Bildung investieren, unsere Infrastruktur hat weiterhin erheblich Investitionsbedarfe und die Kita-Reform muss weiterentwickelt werden.
Unser Land hat es verdient, dass wir diese wichtigen Aufgaben verlässlich finanzieren und somit unsere Haushalte auf verlässliche rechtskonforme Säulen stellen."
Sperrfrist Redebeginn!
Es gilt das gesprochene Wort.