Annabell Krämer zu TOP 4+9 "Wahlmöglichkeit bei der Krankenversicherung schaffen"

AK

In ihrer Rede zu TOP 4+9 "Einführung einer pauschalen Beihilfe für gesetzlich krankenversicherte Beamtinnen und Beamte und Wahlmöglichkeit bei der Krankenversicherung schaffen" erklärt die finanzpolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion, Annabell Krämer:

,,Wahlfreiheit für Beamte in der Krankenversicherung herzustellen, klingt zunächst nach einem vernünftigen Ansatz. Warum ist der vorliegende Antrag der SPD trotzdem problematisch? Weil er nur Wahlfreiheit für die Beamten fordert, um der PKV das Wasser abzugraben. Auch sind die Folgen für die öffentlichen Haushalte und für das bisher gut funktionierende Nebeneinander von privater und gesetzlicher Krankenversicherung nicht zu Ende gedacht.

Schauen wir uns die Fakten an: Die Beamten stellen immerhin die Hälfte der aktuell 8,75 Millionen Privatversicherten in Deutschland. Indem der Gesetzentwurf einen Anreiz für die Beamten schafft, sich gesetzlich statt privat zu versichern, stellt er eine tragende Säule der PKV in Frage. Umgekehrt wird aber Arbeitnehmern der Weg in die PKV leider nicht erleichtert. Unterm Strich hat der Antrag also eine gehörige Schlagseite! Ich konzediere, dass die SPD zunächst nur für neue Beamte und für die bisher schon gesetzlich Versicherten eine Übernahme des Arbeitgeberanteils zur GKV vorsieht. Das wird den Bestand der PKV als Vollversicherer sicher nicht unmittelbar gefährden.

Dass die Wahlfreiheit im Gesetzentwurf auf neue Beamte beschränkt bleibt, ist Folge bundesgesetzlicher Regelungen zum Mitgliedsrecht in der GKV.

Denn eine Rosinenpickerei ­ in jungen, gesunden Jahren von günstigen Tarifen der PKV zu profitieren und später in die GKV zu flüchten ­ würde das gesetzliche Versicherungssystem schwer belasten. Die Krankheitsfälle müssten von der Solidargemeinschaft finanziert werden, während die Gewinne aus den gesunden Lebensjahren privatisiert werden. Dies kann politisch nicht gewollt sein!

Umso misstrauischer muss man werden, wenn ausgerechnet die sozialdemokratische Gesundheitssenatorin in Hamburg, also die Urheberin des diskutierten Modells, erklärt, sie würde die GKV gerne für alle Beamten öffnen.

Würde der Staat damit nicht jene Rosinenpickerei auf Kosten der GKV befördern? Wäre es nicht unfair, den gesetzlich Pflichtversicherten einseitig das Gesundheitsrisiko der Beamten aufzubürden? Es ist offensichtlich, dass die SPD von Wahlfreiheit spricht, aber tatsächlich die Einheitsversicherung vorbereiten will. Warum sonst plant sie nur die Öffnung der GKV für Beamte? Was ist mit einer Öffnung der PKV für Arbeitnehmer? In Deutschland sind Arbeitnehmer mit einem Bruttojahreseinkommen von bis zu 60.750 Euro in der GKV pflichtversichert. Damit bleibt einem Großteil der arbeitenden Bevölkerung die Möglichkeit verwehrt, zwischen einer gesetzlichen und privaten Vollversicherung zu wählen. Dass dieses Privileg nur den Beamten zugestanden werden soll, finden wir nicht richtig.

Es stellen sich noch ganz andere Fragen. Da wären zunächst die Kosten für die öffentlichen Haushalte. Eine Mehrbelastung resultiert bereits daraus, dass der Dienstherr den Arbeitgeberanteil zur GKV für jene Beamten über- nehmen müsste, die schon jetzt gesetzlich versichert sind und auf Beihilfen verzichten. Hinzu kommt, dass für die jüngeren Jahrgänge noch vergleichsweise wenig Beihilfe anfällt, während die am Einkommen orientierten Beiträge zur GKV überdurchschnittlich hoch wären. Natürlich sind die finanziellen Auswirkungen nicht nur kurz- oder mittelfristig zu betrachten, sondern bezogen auf ein ganzes Beamtenleben. Doch auch dann bleibt es eine Rechnung mit vielen Unbekannten: Wie viele Beamte würden sich tatsächlich für die GKV entscheiden? Und wie würde sich die Risikostruktur der Beihilfeempfänger verändern?

Selbst wenn man zum Ergebnis käme, dass das Hamburger Modell die öffentlichen Haushalte langfristig entlastet, bliebe eine ganz wichtige Frage offen. Nämlich die Frage, welche Folgen eine Schwächung der PKV für unser Gesundheitssystem hätte. Denn vergessen wir nicht, dass durch die höheren Honorare in der PKV letztlich auch eine Quersubventionierung der gesetzlich Versicherten erfolgt und medizinische Innovationen gefördert werden. Wir sollten uns davor hüten, die Axt an unser duales Krankenversicherungssystem zu legen. Dennoch finde ich es richtig, wenn wir den vorliegenden Antrag in der notwendigen Tiefe und Ernsthaftigkeit beraten. Dabei müssen aber auch wirklich alle Fragestellungen auf den Tisch.

Ich habe einige Kritikpunkte genannt und auf Gefahren des SPD-Antrags hingewiesen. Wir Freie Demokraten sind sehr offen dafür, mehr Wahlfreiheit für die Bürger zu schaffen und den Wettbewerb zwischen den Krankenversicherungssystemen zu stärken. Den Einstieg in eine Einheitsversicherung lehnen wir dagegen ab."

Es gilt das gesprochene Wort.