In ihrer Rede zu TOP 8 (Entwurf eines Gesetzes zur bedarfsgerechten Weiterentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs) erklärt die finanzpolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion, Annabell Krämer:
„Mit dem Urteil des Landesverfassungsgerichtes vom 27. Januar 2017 hat der Gesetzgeber den Auftrag bekommen, den kommunalen Finanzausgleich bedarfsgerecht weiterzuentwickeln. Diesen Auftrag haben wir gerne angenommen, zumal die FDP eine der drei Fraktionen war, die eine Normenkontrollklage gegen Teile des bestehenden Finanzausgleichsgesetzes angestrengt hatte.
Der nun vorliegende Gesetzentwurf trägt den verfassungsrechtlichen Korrekturbedarfen Rechnung, indem er eine faire und bedarfsgerechte Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen vorsieht. Er stützt sich dabei auf ein wissenschaftliches Gutachten, das von Land und Kommunen gemeinsam beauftragt wurde. Wir wissen alle, dass die COVID19-Pandemie auch unsere Kommunen vor große Herausforderungen stellt. Es ist zum heutigen Zeitpunkt schwer abschätzbar, wie stark der Einfluss auf die Steuereinnahmen sein wird. Aus diesem Grund wollen wir die Kommunen im Rahmen des zweiten Nachtragshaushaltes zur Kompensation entfallender Einnahmen bei den Kita- und Betreuungsangeboten mit insgesamt 105 Millionen Euro unterstützen. Nein, der vorliegende Gesetzesentwurf ist nicht – wie uns Teile der Opposition glaubhaft machen wollen – in Zeiten von Corona überholt. Im Gegenteil, er ist wichtiger als je zuvor. Denn er garantiert eine faire Verteilung der verfügbaren Finanzmittel zwischen Land und Kommunen und sieht sogar eine aufwachsende Verbundquote vor. Die vom Landesverfassungsgericht kritisierten Bestandteile des Gesetzes wurden vollständig überarbeitet. Anstelle des bisher im Vordergrund stehenden Ausgabeverhaltens wird nun wie gefordert auf tatsächliche Bedarfe abgestellt.
Die Gleichrangigkeit der Aufgaben von Land und Kommunen wird durch die Beachtung des Symmetriegebotes sichergestellt. Dieses Symmetriegebot sehen die Gutachter bereits ab einem Symmetriewert von 0,95 erfüllt. Begründet wird dies unter anderem mit der im Vergleich zu den Kommunen überdurchschnittlichen Verschuldung des Landes, die nicht in die Bedarfsberechnung eingeflossen ist. Die Gutachter stellen bereits heute keinen Verstoß gegen das Symmetriegebot fest. Hinzu kommt, dass sich aus der 2020 gesunkenen Gewerbesteuerumlage eine deutliche und im Gutachten noch nicht abgebildete Mittelverschiebung zugunsten der Kommunen eingestellt hat. Jährliche Aufstockungen und die dauerhafte Fortführung zunächst befristeter Mittel sind weitere Konzessionen des Landes an die Kommunen und führen zu einer vollständigen Symmetrie. Bereits ab 2021 wird der kommunale Finanzausgleich um 54 Millionen Euro aufgestockt. Bis 2024 kommen jährlich weitere fünf Millionen Euro Landesmittel dazu. Jamaika stärkt also die Kommunalfinanzen nachhaltig – und das ganz unabhängig von Corona!
Auch bei der horizontalen Verteilung sieht der Gesetzesentwurf zahlreiche Verbesserungen vor. So führen wir einen Kinderbonus ein, der die besonderen Bedarfe an Infrastruktur für die minderjährige Bevölkerung berücksichtigt. Zudem spielen künftig die flächeninduzierten Bedarfe im ländlichen Raum bei der Finanzmittelverteilung eine Rolle. Durch den Erhalt der Teilschlüsselmasse für die Zentralörtlichkeit tragen wir den besonderen Aufgaben, die einige Kommunen für ihr Umland erfüllen, weiterhin Rechnung. Darüber hinaus waren uns Liberalen insbesondere fünf Kernpunkte im neuen Finanzausgleichsgesetz wichtig.
Erstens: Die Kompensationsmittel des Bundes für den Familienleistungsausgleich fließen, anders als zunächst geplant, nicht der Gesamtmasse zu. Stattdessen werden die Mittel in Höhe von derzeit 124 Millionen Euro weiterhin nach den bisherigen Regelungen an alle Kommunen verteilt. Jede Kommune erhält somit weiterhin unabhängig von ihrer Finanzkraft einen proportionalen Ausgleich der ihnen entstehenden Einkommensteuerausfälle durch den Familienleistungsausgleich. Das ist ein Gebot der Fairness, da die Gesetzesänderungen auf Bundesebene allen Kommunen Steuerkraft entzogen haben.
Zweitens: Wir haben in Bezug auf die Schulkostenbeiträge vereinbart, dass die derzeitige Investitionskostenpauschale in Höhe von 325 Euro abgeschafft wird. Stattdessen soll künftig nach einer Übergangsphase auf Vollkostenbasis abgerechnet werden. Die bisherige Pauschale deckt regelmäßig nicht die tatsächlichen Investitionskosten der Träger. Den Städten und Gemeinden, die in den Schulbau investieren und Schulplätze für Kinder anderer Kommunen bereitstellen, erwächst daraus ein finanzieller Nachteil. Diesen Nachteil wollen wir beenden. Durch eine Spitzabrechnung werden den Schulträgern zukünftig die tatsächlichen Kosten erstattet.
Drittens: Das Landesverfassungsgericht hat die Einbeziehung der kreisfreien Städte bei der Berechnung der Nivellierungshebesätze gefordert. Dies hat einen flächendeckenden Anstieg der Nivellierungshebesätze zur Folge. Um diesen Anstieg zu dämpfen, legen wir zukünftig nur noch 90 Prozent statt 92 Prozent der gewogenen Durchschnittshebesätze zugrunde. Diese Dämpfung reduziert den Druck für viele Gemeinden, ihre Grund- und Gewerbe-steuern zu erhöhen. An dieser Stelle danke ich insbesondere unserem kommunalpolitischen Sprecher Stephan Holowaty, der sich für diese Lösung stark gemacht hat. Nichtsdestotrotz bewirkt der nicht zu verhindernde Anstieg der Nivellierungshebesätze eine Umverteilung von den Gemeinden zu den Kreisen, und zwar über den Weg der Kreisumlage. Indem die fiktive Finanzkraft der Gemeinden durch höhere Nivellierungshebesätze steigt, wächst das jährliche Kreisumlagevolumen um 12 Millionen Euro. Gelder, die die Gemeinden zusätzlich als Kreisumlage aufzubringen haben, wenn die Kreisumlage nicht gesenkt wird. Hier können wir nur an die Kreistage appellieren, fair mit den Gemeinden umzugehen und eine angezeigte Senkung der Umlage vorzunehmen.
Viertens: Uns Freien Demokraten lag insbesondere die Unterstützung von Gemeinden am Herzen, die Lehrschwimmbecken unterhalten. Es ist auch hier ein Gebot der Fairness, den ca. 150 Kommunen, die für das gesamte Land die Schwimmstätten vorhalten, Mittel zur Verfügung zu stellen, um sie beim Erhalt ihres Leistungsangebotes zum Wohle des gesamten Landes zu unterstützen. Wir Freie Demokraten haben uns daher für den neuen Vorwegabzug in Höhe von 7,5 Millionen Euro eingesetzt, mit dem der Betrieb kommunaler Hallen- und Freibäder erstmalig und dauerhaft finanziell unterstützt wird. Die Verteilung wird anhand der erteilten Schwimmstunden erfolgen. Hierbei ist es unerheblich, ob die Stunden im Rahmen des Schulunterrichtes, der DLRG oder sonstiger ehrenamtlicher Vereine und Verbände erteilt werden. Wir erhoffen uns damit einen Impuls für den Erhalt von Schwimmstätten in der Fläche und wollen dazu beitragen, dass möglichst jeder in unserem Land zwischen den Meeren schwimmen lernt.
Fünftens: Die 15 Millionen Euro Infrastrukturmittel aus dem Kommunalpaket vom Januar 2018, die eigentlich bis 2020 befristetet waren, werden vom Land unbegrenzt weitergezahlt. Zudem haben wir uns erfolgreich dafür eingesetzt, dass weitere 15 Millionen Euro aus der Masse in den neuen Vorwegabzug für Infrastruktur gehen und damit auch ‚abundante‘ Kommunen von den Infrastrukturmitteln profitieren. Hierbei handelt es sich um steuerstarke Städte und Gemeinden, die keine Schlüsselzuweisungen erhalten, sondern in den Finanzausgleich einzahlen. Zusammen mit weiteren Bundesmitteln beläuft sich der Vorwegabzug für Infrastruktur, der nun sämtlichen Kommunen zusteht, auf zukünftig 59 Millionen Euro. Bei der jetzt vorgesehenen Verteilung der Infrastrukturmittel auf die Kommunalgruppen nach Einwohnern sehen wir Freie Demokraten jedoch noch Änderungsbedarf. Im Gesetzesentwurf werden die Einwohner jeweils auf Gemeinde- und Kreisebene gezählt und die Infrastrukturmittel somit hälftig verteilt. Diese Verteilung ist aus unserer Sicht nicht sachgerecht, da die Gemeinden deutlich höhere Infrastrukturlasten zu tragen haben als die Kreise. Ein zu Gunsten der Städte und Gemeinden geänderter Verteilungsschlüssel erscheint uns daher geboten. Gemäß Koalitionsvertrag wollen wir die Städte und Gemeinden mit der Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs flächendeckend in die Lage versetzen, auf Straßenausbaubeiträge zu verzichten. Die Mittel hierfür stellen wir nun dauerhaft zur Verfügung.
In der weiteren parlamentarischen Beratung werden wir uns dafür einsetzen, dass der Großteil dieser Infrastrukturmittel auch dort ankommt, wo er gebraucht wird – in unseren Städten und Gemeinden!“