In ihrer Rede zu TOP 25+26 (Gemeinsame Beratung a) Arbeitszeiterfassung für Schleswig-Holsteins Lehrkräfte b) Für den Verbleib von Lehrkräften an Schulen – gegen den Lehrkräftemangel) erklärt die bildungspolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion, Anne Riecke:
"Der Lehrkräftemangel in Schleswig-Holstein ist ein drängendes Problem, das nicht nur die Qualität der Bildung, sondern auch die Zufriedenheit der Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler beeinträchtigt. Um diesem Mangel entgegenzuwirken, sind verschiedene Maßnahmen erforderlich, die sowohl kurzfristige als auch langfristige Lösungen umfassen müssen.
Eine der wichtigsten Strategien zur Bekämpfung des Lehrkräftemangels besteht darin, die Attraktivität des Lehrerberufs zu erhöhen. Dazu gehört die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, einschließlich der Reduzierung von Bürokratie und der Bereitstellung von mehr Ressourcen für die Unterrichtsgestaltung. Lehrkräfte benötigen Zeit, um qualitativ hochwertigen Unterricht vorzubereiten – gerade an Gemeinschaftsschulen, wo eine einzige Lehrkraft unterschiedliche Leistungs- und Förderniveaus antrifft. Eine Entlastung von administrativen Aufgaben könnte ihnen ermöglichen, sich stärker auf die Bedürfnisse ihrer Schülerinnen und Schüler zu konzentrieren.
Wenn ich an das Land Schleswig-Holstein als Arbeitgeber für Vertretungslehrkräfte und angestellte Lehrerinnen und Lehrer denke, dann fehlen mir eigentlich die Worte. Und wenn das Land Schleswig-Holstein ein Wirtschaftsunternehmen wäre und auf Firmenbewertungsplattformen bewertet werden würde, hätte es nicht mal einen Stern verdient: Kettenverträge, keine Perspektive, Überlastung, kein Weihnachtsgeld, keine Programme zur Erhaltung der Gesundheit wie Firmenfitness.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die gezielte Rekrutierung von Lehrkräften. Hier könnte Schleswig-Holstein von anderen Bundesländern lernen, die bereits erfolgreiche Programme zur Anwerbung von Lehrern implementiert haben. Stipendien und finanzielle Anreize für Lehramtsstudierende könnten dazu beitragen, mehr junge Menschen für den Beruf zu gewinnen. Zudem sollte die Lehrerbildung praxisorientierter gestaltet werden, um angehenden Lehrern die Herausforderungen des Schulalltags besser nahezubringen.
Ein oft übersehener Bereich im Zusammenhang mit Lehrkräftemangel ist der Umgang mit Vertretungslehrkräften. Diese spielen eine entscheidende Rolle, um den Unterricht auch in Abwesenheit regulärer Lehrkräfte aufrechtzuerhalten. Eine gute Integration von Vertretungslehrkräften in das Schulsystem ist essenziell. Eine wertschätzende Haltung gegenüber Vertretungslehrkräften kann zudem deren Motivation und Zufriedenheit steigern.
Die Aufgaben von Lehrern sind vielfältig und herausfordernd. Neben der Vermittlung von Fachwissen sind sie auch für die soziale und emotionale Entwicklung ihrer Schüler verantwortlich. Aber sie sind nicht nur das: Sie sind Kümmerer, Versteher, Zuhörer und Vertrauenspersonen. Umso mehr sind sie aber sorgsame Beobachter und Begleiter von jedem Kind, welches ihnen anvertraut wurde. Sie kennen die Kinder und fordern sie liebevoll, fördern und beschützen sie. Sie zeigen ihnen ein Stück des Lebensweges, sie bereiten sie vor und führen sie, damit sie alleine laufen können – mit einer ordentlich gepackten Tasche an Werkzeug für das Leben. Dafür braucht es Zeit und nicht noch mehr Aufbürden von Aufgaben.
Lehrer müssen oft als Mediatoren fungieren und Konflikte lösen, nicht nur zwischen den Schülerinnen und Schülern, sondern auch zwischen Eltern und Schülern, Lehrern und Eltern usw. Vertretungsstunden, Aufsichten, Planungen, Fördergespräche, Konferenzen, Korrekturen, Unterrichtsvorbereitungen – alles Dinge, um die sich Lehrerinnen und Lehrer neben dem Unterricht noch kümmern müssen, um nur einige Sachen zu nennen. Diese zusätzlichen Verantwortlichkeiten erhöhen den Druck auf Lehrkräfte und führen nicht selten zu Stress. Viele Lehrer haben das Gefühl, nie fertig zu sein, weil sie so schon in einem fortwährenden Prozess sind. Insbesondere in Zeiten von Lehrkräftemangel kann die Überlastung der verbleibenden Lehrer ansteigen, was sich einfach nur negativ auf die Unterrichtsqualität auswirken kann.
Ein weiterer Aspekt, der in der Diskussion häufig angesprochen wird, ist die Notwendigkeit einer umfassenden Arbeitszeiterfassung. Eine transparente und präzise Dokumentation der Arbeitszeit kann helfen, die tatsächliche Belastung von Lehrkräften zu erfassen. Viele Lehrer arbeiten weit über eine normale Stundenzahl hinaus, ohne dass dies entsprechend anerkannt wird. Eine solche Erfassung könnte nicht nur zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen beitragen, sondern auch zur Entwicklung gezielter Unterstützungsmaßnahmen. Schulen könnten auf Basis dieser Daten besser planen und Ressourcen gezielt einsetzen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Lehrkräftemangel in Schleswig-Holstein ein komplexes Problem darstellt, das vielfältige Lösungsansätze erfordert. Die Erhöhung der Attraktivität des Lehrerberufs, die gezielte Rekrutierung von Lehrkräften sowie der respektvolle Umgang mit Vertretungslehrkräften sind zentrale Elemente. Zudem sollte die Vielseitigkeit der Lehreraufgaben anerkannt und die Arbeitszeiterfassung vorangetrieben werden, um die tatsächlichen Belastungen transparent zu machen. Nur durch ein gemeinsames und systematisches Vorgehen kann es gelingen, die Herausforderungen im Bildungsbereich zu bewältigen und eine qualitativ hochwertige Bildung für alle Schüler zu sichern."
Sperrfrist Redebeginn!
Es gilt das gesprochene Wort.