Anne Riecke zu TOP 27+48 "Unterrichtsversorgung statt Unterrichtsausfall"

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In ihrer Rede zu TOP 27+48 (Unterrichtsversorgung statt Unterrichtsausfall) erklärt die bildungspolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion, Anne Riecke:

"Bildung ist der Grundpfeiler unserer Gesellschaft und der Zustand unseres Bildungssystems ist auch ein Spiegelbild dessen, wie ernst eine Regierung diese Aufgabe nimmt. Was wir jedoch aktuell in Schleswig-Holstein erleben, ist das Gegenteil von Prioritätensetzung im Bildungsbereich.

Zweifellos haben wir es mit dramatischen Auswirkungen im Bildungsbereich zu tun, die traurigerweise alle hinlänglich beschrieben worden sind. Und obwohl wir viel über die Bildungsmisere sprechen, hat man manchmal das Gefühl, dass die Landesregierung in einigen Bereichen noch nicht einmal einen vollständigen Überblick über das tatsächliche Ausmaß der Probleme hat.

In der Antwort auf unsere Kleine Anfrage zum Unterrichtsausfall beim Mathematikunterricht konnten uns zum Beispiel keine konkreten Zahlen genannt werden, wie viel Mathematik-Unterricht in den Schulen eigentlich nicht stattfindet. Wie aber kann man ein Problem lösen, wenn man es nicht einmal richtig beziffern kann? Die Zahlen sprechen für sich und sie sind alarmierend: In den Grundschulen liegt der Unterrichtsausfall bei 10,5 Prozent, in den Berufsbildenden Schulen sogar bei 13,7 Prozent. Wenn man bedenkt, dass der häufigste Grund für den Unterrichtsausfall Krankheit von Lehrkräften ist – das sind immerhin bis zu 66 Prozent der Fälle –, dann ist klar: Dieses Problem ist massiv und braucht über einen langen Zeitraum hinweg erhebliche Anstrengungen und wird vor allem viel Geld kosten.

Es wäre also ein mehr als wichtiges Signal der Landesregierung gewesen, wenn sie trotz des Spardrucks keine Kürzungen im Bildungsbereich vorgenommen und mehr Lehrerstellen geschaffen hätte. Denn selbst ohne die Kürzungen fehlen ja Lehrkräfte. Die Realität ist: Es gibt immer mehr Schüler. Und mehr Schüler benötigen natürlich auch mehr Lehrkräfte, gerade vor dem Hintergrund, dass die Förderbedarfe ständig steigen.

Statt jedoch entschlossen zu handeln, werden hier Fakten geschaffen, die die Situation noch verschärfen. Mit dem neuen Haushaltsentwurf werden insgesamt 163 Lehrerstellen gestrichen. Wenn man die steigenden Schülerzahlen betrachtet, müsste das Gegenteil der Fall sein – es müssten Hunderte neuer Stellen geschaffen werden, um die aktuelle Unterrichtsversorgung von knapp 100 Prozent zu halten, geschweige denn sie auf ein eigentlich notwendiges Niveau von deutlich über 100 Prozent zu steigern. Die geplanten Kürzungen in der Unterrichtsversorgung sind nicht nur ein falsches Signal, sie werden auch die Qualität des Unterrichts verschlechtern. Und dennoch behauptet die Bildungsministerin, dass diese Maßnahmen keine Auswirkungen auf die Qualität des Unterrichts oder die Leistungen der Schülerinnen und Schüler hätten. Das lässt sich einfach nur schwer glauben.

Unsere Forderungen sind daher: Klare Prioritäten für Bildung setzen, was bedeutet, dass die Streichung von Lehrerstellen sofort rückgängig gemacht werden muss. Wir brauchen aber auch in anderen Bereichen eine Umsteuerung in unseren Schulen. Wir fordern die Einführung einer datenbasierten Schulpolitik. Wir müssen klare Ergebnisse messen und Förderprogramme auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse entwickeln. Eine verpflichtende Sprachfeststellung für Kinder im Alter von viereinhalb Jahren ist ein erster Schritt, ebenso wie eine kostenlose Sprachförderung für jene, die sie benötigen.

Ein weiteres großes Problem, das die Landesregierung bisher nicht ausreichend adressiert, ist die Gesundheit und Überlastung der Lehrkräfte. Die Vielzahl an unterrichtsfernen Aufgaben – wie Verwaltung, Dokumentation oder Konferenzen – muss dringend reduziert werden. Lehrkräfte müssen wieder das tun können, wofür sie da sind: unterrichten.

Auch die Lehrkräftegewinnung muss endlich ernsthaft angegangen werden. Gerade in Mangelfächern wie Mathematik und Musik fehlt es an Fachkräften. Hier braucht es neue Ansätze, beispielsweise durch ein duales Studium, das sofort vergütet wird und den Praxisbezug viel stärker als bisher in den Mittelpunkt rückt. Darüber hinaus müssen wir es Schulen erleichtern, qualifizierte Vertretungslehrkräfte einzustellen und langfristig angestellte Vertretungskräfte durch Nachqualifizierungen zu vollwertigen Lehrkräften zu machen.

Die Probleme unseres Bildungssystems sind akut. Statt in die Bildung zu investieren, wird gespart, wo es am wenigsten Sinn ergibt: an der Zukunft unserer Kinder und der materiellen und personellen Ausstattung unserer Schulen. Wir fordern Schwarz-Grün auf, die Prioritäten im Haushalt auf die Bildung zu legen und Schleswig-Holstein eine Bildungsstrategie zu geben, die diesen Namen auch verdient."

Sperrfrist Redebeginn!

Es gilt das gesprochene Wort.