Bernd Buchholz zu TOP 13+46 "Strategie zur Integration und Teilhabe des Landes Schleswig-Holstein"

Dr. Bernd Buchholz

In seiner Rede zu  TOP 13+46 (Neues Landesaufnahmeprogramm für Êzîdinnen und Êzîden sowie Strategie zur Integration und Teilhabe des Landes Schleswig-Holstein) erklärt der migrationspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Bernd Buchholz:

"Am 3. August 2014 hat die Terrororganisation Islamischer Staat an den Jesidinnen und Jesiden in der Sinjar-Region im Nordirak ein unvorstellbares Massaker verübt. 5.000 Menschen, Jesidinnen und Jesiden, wurden ermordet, tausende Frauen und Kinder verschleppt. Und lassen Sie mich das sagen, ich glaube, es hat viel zu lange gedauert, bis der Deutsche Bundestag fast zehn Jahre später das als Völkermord tatsächlich anerkannt hat. Die Lage dort war nicht nur in 2014 schrecklich, sondern die Jahre danach bis 2017 waren eindeutig weiterhin eine Perpetuierung dieses Völkermordzustandes mit permanenter Verfolgung einer religiösen Gruppe im Nordirak. Wir unterstützen den Antrag, den die Koalitionsfraktionen hier gestellt haben, und doch muss ich sagen, seit 2017 haben sich die Dinge möglicherweise auch etwas verändert. Ich kann das nicht beurteilen.

Aber ich lese die Einschätzung von anderen, die dann eben dafür auch zuständig sind. Unter anderem der Beauftragte der Bundesregierung für die weltweite Religionsfreiheit, Frank Schwabe von der SPD, der am 15. Mai dieses Jahres im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung erklärte, dass sich die Sicherheitslage in der Region, die im Grenzgebiet zu Syrien liegt, in den letzten Jahren etwas verbessert habe. Der IS kontrolliert dieses Territorium nicht mehr. Trotzdem bleibt die Lage sicherlich schwankend. Politische Konflikte in der Region, in die Akteure wie die kurdischen Peschmerga, die Arbeiterpartei Kurdistans PKK und die Iran-nahen Popular Mobilization Forces, PMF, verwickelt sind, machen die Lage sicherlich auch weiterhin schwierig. Ob das allerdings für das Innenministerium ein ausreichender Grund ist, einen generellen Abschiebestopp anzunehmen, den Eindruck habe ich derzeit nicht. Ich unterstütze den Antrag, denn wenn es so ist, dass in der Region eine solche Situation vorherrscht, dann müssen wir alles tun, um unserer humanitären Pflicht nachzukommen. Aber auch im Sommer dieses Jahres hat sich das Innenministerium, nachdem das BAMF 2017 schon den Status der Gruppenverfolgung nicht mehr anerkannt hat, zur Lage im Nordirak dahingehend geäußert, dass dort zwar eine schwierige Lage vorherrsche, es aber keine Gruppenverfolgung mehr gäbe. Annalena Baerbock als Bundesaußenministerin ist im Frühjahr dieses Jahres erneut in den Nordirak gefahren und, das ist ja positiv anzuerkennen, das Auswärtige Amt fördert unterschiedlichste Projekte zum Wiederaufbau, aber auch zur Rückkehr in die Heimatgebiete. Und wenn die Rückkehr in die Heimatgebiete möglich ist, dann glaube ich, werden wir mit unserem Antrag beim Bundesinnenministerium Schwierigkeiten haben, denn auch dieser Teil ist Teil der Wahrheit. Unser Aufenthaltsgesetz sagt, dass wenn sich die Situation nach Jahren verändert, dann müssen wir diese veränderte Situation auch zur Kenntnis nehmen. Wie gesagt, ich unterstütze den Antrag, weil ich es selbst überhaupt nicht beurteilen kann. Aber wenn die Expertise, die da dann zusammengetragen wird, zum Ergebnis kommt, dass man einen Abschiebestopp verhängen muss, dann muss auch dem Bundesinnenministerium klarmachen, dass wir nicht alleine als Land Schleswig-Holstein so einen Abschiebeschopp verhängen, sondern dass der dann auch wirklich für alle Jesidinnen und Jesiden in Deutschland gelten müsste.

Das hat nach dem kurzfristig verhängten Abschiebeschopp in Nordrhein-Westfalen keinen Erfolg gehabt. Der Flüchtlingsrat hat ja in diesem Haus eine Veranstaltung gemacht und auf die Lage im Nordirak hingewiesen und es gibt von Pro-Asyl auch Einschätzungen dazu, wie sie ist. Diese Einschätzungen scheinen sich allerdings mit den Einschätzungen des Auswärtigen Amtes nicht in allen Teilen zu denken. Deshalb noch mal: Wir wollen den Jesidinnen und Jesiden helfen. Und in Wahrheit sind diejenigen, die schon hierhergekommen sind, auch schon sehr lange hier. Wenn sie denn schon länger hier sind, wäre es sowieso gut, sie alle hier zu behalten. Und wenn man nicht über den Abschiebestopp nach §23 Absatz 1 Aufenthaltsgesetz zur Regelung kommt, dann finde ich, müsste man über andere Regelungen, beispielsweise über ein Chanceneinwanderungsrecht, den Status dieser Jesidinnen und Jesiden bei uns verfestigen. Ich bin sicher, Frau Ministerin, dass Sie dafür Möglichkeiten und Wege finden.

Der zweite Teil meiner Rede soll sich mit ihrer Integrationsstrategie beschäftigen und in der Tat, da sagt die Kollegin Midyatli zu Recht: Na ja, das ist eine wirklich saubere Fleißarbeit der Aneinanderreihung von den Dingen, die wir da machen. Und viele Dinge davon sind ja auch gut. Und ich unterstütze ausdrücklich das, was jetzt neu zum Thema Arbeitsmarktintegration in unseren Erstaufnahmeeinrichtungen gemacht wird. Dass man an dieser Stelle tatsächlich die Skills erhebt, die die Menschen, die dort hinkommen haben, um sie möglichst gezielt, auch möglichst schnell in Arbeitsmarktintegration zu bringen, ist richtig.

Aber ich will auch an einer Stelle ein bisschen mahnen. Diese Integrationsstrategie, die aus meiner Sicht leider keine ist, geht an einigen der zentralen Fragen ein Stückchen vorbei. Ich zitiere mal das Bundesinnenministerium zum Thema, was eigentlich gelungene Integration bedeutet: ‚Gelungene Integration bedeutet, sich einer Gemeinschaft zugehörig zu fühlen. Sie bedeutet die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses, wie wir in der Gesellschaft zusammenleben. Zuwanderung kann deshalb nur als wechselseitiger Prozess gelingen. Sie setzt die Aufnahmebereitschaft der Mehrheitsgesellschaft voraus – wie auch die Bereitschaft der Zugewanderten, die Regeln des Aufnahmelands zu respektieren und sich um die eigene Integration zu bemühen.‘ Ich habe heute Morgen zitiert, wie es mit der Aufnahmebereitschaft der Menschen im eigenen Land ist. Die größte Bemühung, die Integrationsbemühung, die wir anstrengen müssten ist, die Notwendigkeit der Einwanderung nach Deutschland und die Aufnahmebereitschaft von Menschen in unserer eigenen Bevölkerung deutlich zu erhöhen. Denn wir haben diese Aufnahmebereitschaft nicht mehr. Und Frau Ministerin, auch wenn Sie im Integrationsbericht auf vieles eingehen, dann müssen Sie auch auf die kritischen Dinge eingehen. Man kann zum Thema Wohnen natürlich in die Integrationsstrategie reinschreiben, dass wir wollen, dass alle möglichst dezentral untergebracht werden. Natürlich wollen wir das. Aber in Wahrheit ist die Realität heute eine völlig andere und wir haben in einer Stadt wie Ahrensburg inzwischen einen Containerdorf mit 150 Menschen, bei denen Integration überhaupt nicht stattfinden kann. Und deshalb lassen Sie uns diese Integrationsstrategie in den Ausschuss überweisen und beraten.

Sperrfrist Redebeginn!

Es gilt das gesprochene Wort.