In seiner Rede zu TOP 2+10+45 (Gemeinsame Beratung a) Entwurf eines Gesetzes zum besseren Schutz von Opfern häuslicher Gewalt und bei Nachstellungen durch den Einsatz der elektronischen Aufenthaltsüberwachung und weitere Änderungen des Landesverwaltungsgesetzes b) Besserer Schutz für Frauen durch das Gewalthilfegesetz c) Bericht über die Umsetzung der Ausweitung des Hochrisikomanagements in Schleswig-Holstein) erklärt der rechtspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Bernd Buchholz:
"Alle drei Punkte, die unter diesem Tagesordnungspunkt zusammengefasst sind, beinhalten eines: nämlich die Erkenntnis, dass der Gewaltschutz, insbesondere von Frauen, vor häuslicher Gewalt in Deutschland nach wie vor unzureichend ist. Und deshalb bin ich dankbar, Herr Minister, für den Bericht zum Gewalthilfegesetz. Das ist sicherlich ein richtiges Gesetz, weil es den Anspruch konstatiert, dass man Beratung, aber auch Unterstützung und Hilfeleistungen in Anspruch nehmen kann. Ich hoffe einmal, dass die entsprechende Finanzierung auch ausreichend ist dafür und dass nicht nur ein Anspruch tituliert wird, sondern auch die tatsächliche Leistung angenommen werden kann.
Ich bin ganz bei der Kollegin Schiebe, dass es auch in diesem Gesetz noch Nachbesserungsbedarf gibt. Insbesondere dann, wenn Transfrauen nicht erfasst sind, nicht unter den Anspruch fallen und wir einen bestimmten Teil derjenigen, die tatsächlich besonders betroffen sind von gewalttätigen Übergriffen, in diesem Gesetzentwurf nicht erfassen. Ich bin auch dankbar für den Bericht zum Hochrisikomanagement. Ich glaube in der Tat, dass hier etwas auf wissenschaftlicher Basis in Schleswig-Holstein geschaffen worden ist, was auf dem richtigen Weg ist, weil ein entsprechendes Assessment, das auch auf dieser wissenschaftlichen Basis dazu führt, bestimmte Profile von Menschen so einzusortieren, dass man sagen kann, hier besteht eine erhöhte Gefährdungssituation für diejenigen, die ehemals in einer häuslichen Gemeinschaft mit denen gelebt haben, dass das einfach eine andere Basis dafür ist als die normale Gefahreneinschätzung, die man auf andere Art und Weise trifft.
Wir dürfen allerdings auch den Blick nicht davor verstellen, dass mit diesem Hochrisikomanagement –noch jedenfalls – die entsprechenden Ergebnisse offensichtlich nicht erzielt worden sind. Ich verweise mal auf das Fazit im Bericht und auf die Tatsache, dass die Feststellung darin besteht, dass bisher in der Praxis der entsprechenden Familiengerichte nach den ersten vorläufigen Betrachtungen keine Aussage zu etwaigen Veränderungen seit Inkrafttreten des Erlasses zum Hochrisikomanagement getroffen werden kann. Insbesondere ist kein signifikanter Anstieg der Verfahren nach §§ 1 und 2 des Gewaltschutzgesetzes zu verzeichnen. Vielleicht ist das auch ein bisschen früh und vielleicht müssen wir das auch etwas später erwarten. Aber das zeigt auch, wir werden abwarten müssen, ob das seine Funktion erfüllt und tatsächlich verstärkt zur Anwendung kommt.
Dazu bin ich bei einem dritten Punkt, der hier bisher nicht thematisiert worden ist, den ich aber für ganz zwingend halte. Wir brauchen eine Veränderung des Gewaltschutzgesetzes auf Bundesebene. Wir brauchen eine Veränderung der Regelungen, wie sie die Familienrichterinnen und Familienrichter treffen, wenn es um die privatrechtlich angeordneten Maßnahmen geht, die jemand auf Antrag regelt. Denn im Gewaltschutzgesetz des Bundes gibt es bisher weder die elektronische Aufenthaltsüberwachung, noch hat man an den Schwellen des Eingriffs irgendetwas verändert, was hier jetzt, und jetzt komme ich zum dritten Teil, im Polizeirecht geschehen soll. Und das ist in allen Teilen, in denen es vorgeschlagen ist, aus meiner Sicht mit der richtigen Intention und mit der richtigen Schlagrichtung versehen. Ich sage mal ganz ausdrücklich: Für all die Dinge, die Wohnungsverweisung, Rückkehrverbote, Betretungsverbote, Kontaktverbote und Näherungsverbote angeht, brauchen wir wahrscheinlich im Polizeirecht eine geringere Eingriffsschwelle, als wir sie bisher haben. Und ich bin bereit, das auch mitzugehen und will hier ganz ausdrücklich sagen, dass ich für die Veränderung des § 201a auch meine volle Unterstützung signalisiere und das auch im Ausschuss getan habe.
Auch dann, wenn, und ich will das mal sagen, ich bedauere, dass wir uns für die Frage der verfassungsrechtlichen Einsortierung aus meiner Sicht nicht die genügende Zeit genommen haben. Wir haben eine einzige Expertin dazu gehört im Innen- und Rechtsausschuss und die hat uns an einer Stelle ins Stammbuch geschrieben, ich zitiere mal: ‚Es bestehen daher erhebliche Bedenken an der Bestimmtheit des gewählten Gefahrenbegriffs in Kombination mit den gewählten Schutzgütern. Es müsste wohl wenigstens im Hinblick auf die Schwere der zu befürchtenden Straftaten eine klarere Eingrenzung vorgenommen werden.‘ Das ist die Stellungnahme von Frau Prof. Grünewald zum § 201a. Nochmal, ich bin bereit auf diese abgesenkte Gefahrenschwelle durchaus mitzugehen, weil ich glaube, wir brauchen einfach irgendetwas, wo wir mehr machen müssen. Und dann läuft man eben auch mal bei solchen Themen wie der Wohnungsverweisung oder dem Rückkehrverbot Gefahr, dass vielleicht ein Gericht das auch mal etwas anders sehen könnte. Das, finde ich, ist ein Risiko, das man hinnehmen kann. Ich will auch ganz ausdrücklich sagen, dass ich die elektronische Aufenthaltsüberwachung für Gefährder für richtig halte. Und auch gerade das spanische Fußfesselmodell für richtig halte, das nämlich den Bereich des Gefährders und nicht den Bereich der Gefährdeten einschränkt. Bisherige Maßnahmen sind ja alle so ausgerichtet, dass in der Regel die Frau an bestimmten Orten verbleiben muss, damit sie sich schützt vor den entsprechenden Übergriffen. Das würde gerade mit dem spanischen Fußfesselmodell anders werden, indem der Gefährder derjenige ist, der eingeschränkt wird. Das ist alles goldrichtig.
Wo ich nicht mehr mitgehe ist, dass die Eingriffsschwelle für die Anordnung einer elektronischen Aufenthaltsüberwachung jetzt an den Gefahrenbegriff einer sich konkretisierenden Gefahr festgemacht wird und damit genau dieselbe Eingriffsschwelle hat, wie die Anordnung eines Näherungsverbotes, einer Wohnungsverweisung oder eines Betretungsverbotes. Ich zitiere dazu auch noch mal aus der Stellungnahme von Frau Prof. Grünewald: ‚Im Hinblick auf die Anordnungsmöglichkeiten nach § 201c LVwG-E ist keine Regelung dergestalt vorgesehen, dass vorrangig zunächst beispielsweise das Näherungsverbot nach § 201a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 c LVwG-E auszusprechen ist. Dies wäre aber im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der Anordnung einer EAÜ notwendig.‘ Und genau darum geht es. Es geht um die Frage der Verhältnismäßigkeit von Grundrechtseingriffen. Es geht um die Frage von Abstufungen, ob ein Näherungsverbot und eine Wohnungsverweisung dieselbe Eingriffsschwelle haben kann wie die Anordnung einer elektronischen Aufenthaltsüberwachung. Und der Meinung bin ich nicht.
Und deshalb haben wir einen Änderungsantrag gestellt, in dem wir klar machen, dass nur dann, wenn es zur Kontrolle eines ausgesprochenen Näherungsverbot oder einer Verweisung unerlässlich ist, dann auch die Anordnung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung rechtens ist. Wir machen das deshalb mit diesem Änderungsantrag, um das ganz deutlich zu sagen, auch um nicht Gefahr zu laufen, dass Gerichte sagen: ‚Das ist sehr nett, was ihr da im Gesetz schreibt, aber es ist in sich als Gesetz unverhältnismäßig.‘ Und davor habe ich Sorge. Deshalb unser Änderungsantrag, der an einer anderen Stelle auch noch etwas beinhaltet, was ich auch noch thematisieren möchte.
Wir wollen, dass diejenigen, die als Gefährder, auch gerade im Hochrisikomanagement, angetroffen werden, auch die Pflicht bekommen, sich selbst einer Beratung auszusetzen und dass diejenigen, die als Gefährder festgestellt werden, von der Polizei zu einer Gewaltpräventionsberatung geschickt werden können und dazu auch konkret gezwungen werden können. Das ist bisher nicht vorgesehen. Genauso wenig wie vorgesehen ist, dass die Polizei die entsprechenden Anordnungsmaßnahmen an die Familiengerichte übermittelt. Alles Themen, von denen ich glaube, dass sie eigentlich ins Gesetz gehört hätten. Die Grundintention des Gesetzentwurfs ist komplett richtig. Die Ausgestaltung beim § 201c halten wir für zu weitgehend, deshalb werden wir dem Gesamtgesetzentwurf nachher nicht zustimmen. Es sei denn, Sie wollen unserem Änderungsantrag noch folgen."
Sperrfrist Redebeginn!
Es gilt das gesprochene Wort.