In seiner Rede zu TOP 26 (Bericht zur Unterbringungssituation von Flüchtlingen) erklärt der migrationspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Bernd Buchholz:
"Was die Flüchtlingsunterbringung in den Kommunen angeht, ist die Lage prekär. ,In einigen Wochen werden alle unsere Unterbringungskapazitäten erschöpft sein‘. Das sage nicht ich, das sagt Ulf Kämpfer, der Oberbürgermeister der Stadt Kiel. Und er ist nicht der Einzige – auch die sozialdemokratische Landrätin aus Pinneberg sagt schon lange, dass die Kapazitäten erschöpft sind.
Und das ist mit Ansage gewesen.
Bereits im September des letzten Jahres forderte der damalige Chef des Landkreistages, Reinhard Sager, dass das Land deutlich mehr Erstaufnahmeeinrichtungen schaffen sollte. Im Dezember hat Reinhard Sager das nochmals verstärkt. „Die Forderung der kommunalen Ebene an das Land sei ganz klar, ,dass die Sozialministerin (Aminata Touré, Grüne) endlich mehr Tempo macht bei ihren originären Aufgaben‘. Gemeinsam müsse definiert werden, wo im Land Sammelunterkünfte zur Verfügung gestellt werden können, wie diese betrieben und finanziert werden. Das alles ginge viel zu langsam.
Dann wurden die Einrichtungskapazitäten aufgestockt und die Ministerin erzählt, dass sie ja nun über 7.200 Plätze geschaffen hat.
Bei näherem Hinsehen ergibt sich dann aber doch, dass es gar keine 7.200 Plätze sind. Denn in der Antwort auf die Kleine Anfrage, aber auch in den Migrationsberichten, gibt es einen Unterschied zwischen der maximalen Kapazität dieser Erstaufnahmeeinrichtungen und den tatsächlichen Kapazitäten. Und die tatsächliche Kapazität hat nicht nur etwas damit zu tun, dass man die Betten nicht so eng belegen will, sondern dass es gesperrte Bereiche gibt, beispielsweise für Infektionsthemen.
Die tatsächliche Kapazität ist in diesem Land bis zum August nie über 5674 Plätze hinausgekommen.
Letzte Woche Mittwoch musste die Ministerin dann im Innen- und Rechtsausschuss erklären, dass auf diesen 5674 Plätzen im Land inzwischen 5900 Flüchtlinge sitzen. Und dann hat sie reagiert.
Meine Damen und Herren, das ist nicht vorausschauend, das ist hinterherlaufend.
Ich will einmal ganz deutlich sagen, Frau Ministerin, wenn man dann im Innen- und Rechtsausschuss allen Beteiligten erklärt, es gebe noch überhaupt keine Überlastanzeige, die die Kommunen hier gestellt hätten und gestern, ,es gibt noch genügend freie Plätze in den Kommunen‘, dann hat man den Eindruck, dass Sie das nicht ernst nehmen.
Natürlich muss der Bund seine finanziellen Verpflichtungen einlösen. Er muss zu seinem Wort stehen. Keine Frage, da haben Sie unsere volle Unterstützung. Das geht nur in einer solidarischen Aktion zwischen Bund und Land. Es kann nicht sein, dass sich Bundeskanzler, Finanzminister oder wer auch immer aus der Verantwortung nehmen. Aber es geht auch darum, dass hier im Land die Hausaufgaben gemacht werden und die kommunalen Vertreter nicht bei den Worten ,Die Sozialministerin wird es schon richten' sofort die Augen verdrehen, weil sie sagen, da darfst du nichts erwarten.
Heute liegt Ihnen, Frau Ministerin, die Überlastungsanzeige von allen Landkreisen und allen kreisfreien Städten vor. ,Nehmen Sie das gemeinsame Schreiben bitte als gemeinsame Überlastungsanzeige der kommunalen Ebene und den eindringlichen Appell, den Krisenmodus, auch auf interministerieller Ebene, deutlich zu verstärken.'
Was ist das anderes als ein Hilferuf jetzt zu handeln, meine Damen und Herren? Und was tun Sie hier heute? Sie sagen: ,Ich nehme das mit'.
Wenn wir jetzt einfach mal die Erstaufnahmekapazitäten zusammenzählen, kommen wir auf 6200 Plätze. 5.900 hatten sie schon in der Belegung in der vorletzten Woche, dazu kommen 600 neue Plätze. Wie lange hält das? Das hält die nächsten 14 Tage. Und ich sage Ihnen, wenn Sie nicht dazu kommen, mit den Kommunen gemeinsame Sammelunterkünfte bereitzustellen und auch zusätzliche Erstaufnahmeeinrichtungen, dann werden Sie dafür verantwortlich sein – Sie persönlich –, wenn in Schleswig-Holstein in den Kommunen die Turnhallen und die Aulen von Schulen wieder benutzt werden müssen, um Flüchtlinge unterzubringen. Und dann sage ich Ihnen, dann zerreißt es diese Gesellschaft in Teile. Und das gilt es zu verhindern.
Deshalb hätte ich heute, sehr geehrte Frau Ministerin, mehr von Ihnen erwartet, als in der Presse zu sagen, es sind noch freie Plätze da. Und auf die Überlastanzeige der Kommunen zu reagieren mit ,ja, ich nehme das sehr ernst‘.
Jetzt braucht es einen Handlungsplan. Wir haben beim letzten Tagesordnungspunkt darüber gesprochen, was in Zukunft möglicherweise auf übergeordneter Ebene notwendig sein muss. Aber von Ihnen, Frau Ministerin Touré, erwarte ich nicht einen Vier-Stufen-Plan, wie Sie ihn bisher verfolgt haben. Ein Vier-Stufen-Plan, der sagt, ich habe erst mal Erstaufnahmekapazitäten geschaffen, dann kommt Stufe 2, da müssen mit dem Geld, das wir geben, die Kommunen das schaffen. Dann kommt Stufe 3, da müssen die Kommunen dann Sammelunterkünfte einrichten. Und erst danach kommt Stufe 4, und dann tue ich was.
Sie haben selbst gemerkt, dass das natürlich nicht funktioniert und dass Sie deshalb Stufe 3 sofort überspringen müssen. Sie haben an der anderen Stelle nicht geliefert. Sie laufen immerzu den Bedarfen hinterher, und das ist verheerend, auch für die Stimmung im Lande, das gemeinsam solidarisch mit dem Thema umgehen will.
Jetzt ist es erforderlich, Frau Ministerin, dass Sie diesem Landtag in kürzester Zeit einen Plan vorlegen, wie Sie mit dem wahrscheinlich dramatisch gestiegenen Aufkommen an Flüchtlingen in diesem Lande umgehen wollen.
Das erwarte ich am liebsten zur nächsten Innen- und Rechtsausschusssitzung. Sonst werden wir in der nächsten Landtagssitzung wieder mit einem entsprechenden Antrag dabei sein und Sie auffordern, endlich einen Plan vorzulegen, wie Sie wirklich vorausschauend in diesem Lande unterwegs sind.“
Sperrfrist Redebeginn!
Es gilt das gesprochene Wort.