In seiner Rede zu TOP 28 (Irreguläre Migration deutlich reduzieren und Kommunen besser unterstützen) erklärt der migrationspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Bernd Buchholz:
"Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich eines vorneweg sagen: Bei der Aufnahme und der Versorgung der zu uns kommenden Menschen haben wir alle eine humanitäre Verantwortung, der wir alle nachkommen wollen – hier in diesem Haus, im Land, im Bund und in den Kommunen.
Wenn es unterschiedliche Vorschläge dazu gibt, wie das gelingen kann, dann sollte niemand deswegen als inhuman hingestellt oder in eine bestimmte Ecke gerückt werden.
Ich bedanke mich insbesondere bei den Kommunen des Landes Schleswig-Holstein, die in den letzten Monaten Herausragendes geleistet haben bei der Unterbringung und dem Versuch der Integration von vielen Menschen in diesem Land.
Dafür gebührt ihnen Dank, Respekt und Anerkennung.
Die Entlastung der Kommunen nach der kollektiven Überlastanzeige, die ja vor einigen Wochen hier im Landtag auch Gegenstand der Debatte war, und dabei insbesondere die Aufstockung der Erstaufnahmekapazitäten, war nicht nur überfällig, sondern bitter nötig. Sie ist mit dem Migrationsgipfel am vergangenen Montag dann auch zumindest in Teilen erfolgt.
Das begrüßen wir als richtigen Schritt in die richtige Richtung. Er hätte allerdings viel früher erfolgen müssen. Real stocken Sie damit die tatsächlichen Kapazitäten auf etwas mehr als 8.500 Plätze im Lande auf.
Die 10.000 Plätze sind die theoretische Belegbarkeit. Wir hatten schon bei den 7.200 Plätzen nur 5.600 tatsächlich verfügbare Plätze.
Wir sind also in einer Situation, in der der richtige Schritt bei den Erstaufnahmeeinrichtungen gemacht wird. Aber wir sind auch in einer Situation, in der wir alle nur hoffen können, dass wir mit dieser Maßnahme über den Winter kommen. Denn wir alle wissen, dass die Migrationsaktivitäten gerade im Mittelmeerbereich über den Winter etwas zurückgehen, aber im nächsten Frühjahr in selber Art und Weise auch wieder nach oben schießen können und werden.
Deshalb ist es jetzt die Aufgabe der Ministerin, nicht darauf zu verharren, was jetzt gemacht worden ist, sondern Planungen dergestalt aufzunehmen, dass man sich versichert, was im Frühjahr des nächsten Jahres in einer Größenordnung notwendig sein dürfte.
Ich sage Ihnen: Es geht jetzt darum, die Planungen für Standorte mit Erstaufnahmeeinrichtungen so zu schaffen, dass man mindestens 5.000 weitere Plätze im Lande avisiert. Die müssen nicht heute beschlossen werden, aber die Vorbereitungen dafür müssen Sie in der Schublade haben. Das müssen Sie heute planen und nicht immer der Entwicklung hinterherlaufen.
Die Forderung nach der Nichtverteilung von Menschen ohne Bleibeperspektive erneuern wir insoweit, als dass diese zwar auch in dem Antrag der Koalitionsfraktionen enthalten ist, allerdings mit einer deutlichen Relativierung. Da stehen immer die Worte ,soweit rückführbar'.
Im Wesentlichen geht es bei den Menschen ohne Bleibeperspektive um solche, die nach dem Dublin-Verfahren irgendwo anders einen Erstantrag gestellt haben. Und die können dann nicht mehr zurückgeführt werden, wenn sie länger als sechs Monate in diesem Land sind.
Deshalb geht es um die Frage, wie sich Verfahren beschleunigen lassen, damit es tatsächlich zu Rücküberstellungen nach dem Dublin-Verfahren kommen kann.
Auf meine Fragen im Innen- und Rechtsausschuss wird dann immer geantwortet: ,Wir separieren das nicht, wir machen da nichts, das ist alles Sache des BAMF'.
Nein, Frau Ministerin, es ist auch Sache Ihrer Landesbehörden, dafür zu sorgen, dass diese Verfahren schnell passieren und Rücküberstellungen nach Dublin überhaupt möglich sind.
Ich sage an dieser Stelle ganz deutlich, dass die Maßnahmen langfristig nicht ausreichen werden. Es bedarf einer stärkeren Steuerung der Zuwanderung. Das gilt auf der einen Seite sicherlich auch für Maßnahmen des Bundes, insbesondere was die Außengrenzen angeht, und auch was die Frage der frühzeitigen Aufnahme von Arbeit angeht.
Aber das hat der Bund gestern geliefert. Das haben vor Robert Habeck schon viele andere, unter anderem ich vor vier Wochen hier im Landtag, gesagt.
Es ist richtig, dass sich der Bund in diese Richtung bewegt hat. Aber, meine Damen und Herren, die Steuerung der Zuwanderung ist nicht nur Sache des Bundes, sondern es gibt auch Dinge, die im Lande passieren können und passieren müssen, um Zuwanderung zu begrenzen.
Ich sage das hier, weil es in diesem Land nach wie vor kein funktionierendes Rückführungsmanagement gibt.
Frau Ministerin, in Wahrheit setzen Sie allein und ausschließlich auf die freiwillige Ausreise von Menschen, was in einer Größenordnung von 400 bis 500 Leuten im Jahr tatsächlich gelingt. Es ist auch gut, dass man in diese Richtung geht.
Aber wenn jedes Jahr 14.000 bis 15.000 kommen und 500 gehen, dann werden wir die Überlastung auf diese Art und Weise nicht in den Griff bekommen. Deshalb sage ich: Wir brauchen ein vernünftiges und neu strukturiertes Rückführungsmanagement. Dafür hat der Bund Ihnen gestern in einem Kabinettsbeschluss eine Latte von Möglichkeiten aufgezeigt.
Ihre Kommentierung war, dass Sie das prüfen werden. Nein, Frau Ministerin! Sie werden es anwenden müssen. Sie werden es umsetzen müssen!
Schleswig-Holstein muss aus meiner Sicht auch seinen Anteil dazu leisten, dass Deutschland nicht Anreize zur Einreise gerade in unser Land setzt oder mitgibt. Diese sogenannten Pull-Faktoren können wir schlicht und ergreifend nicht negieren. Es gibt sie ja. In diesem ersten Halbjahr des Jahres 2023 haben in Europa 30 Prozent aller Asylbewerber ihren Erstantrag in Deutschland gestellt.
Das zweite Land mit der zweithöchsten Aufnahme ist Spanien mit 17 Prozent und in Frankreich waren es 16 Prozent.
Warum wohl haben so viele ihren Antrag bei uns gestellt? Da muss man sich doch wenigstens einmal die Frage stellen, warum alle die Bundesrepublik Deutschland so anziehend finden wie einen Magnet. Und die Antwort ist relativ einfach: Weil bei uns die Höhe der Leistungen, die man bekommt, in einem anderen Maße existieren, als das in anderen Ländern der Fall ist.
Das ist kein Vorwurf. Ich will auch überhaupt nicht negieren, dass das Bundesverfassungsgericht Grundlagen für das Existenzminimum setzt. Aber wir müssen doch wenigstens zur Kenntnis nehmen, dass dies einen Anreizfaktor schafft.
410 Euro bekommt man in Deutschland, während man in anderen Ländern, ich sage mal in Schweden etwa, 180 Euro bekommt. In Großbritannien sind es 210 Euro, in Griechenland 150 Euro und in Ungarn nur 60 Euro im Monat.
Das ist die europäische Realität. Wer die so belässt, der wird damit leben müssen, dass die Menschen alle in die Bundesrepublik Deutschland wollen.
Wir sollten uns da auch nichts vormachen und auch das Auszahlen eines Teils dieser Leistungen in Bargeld als einen Faktor für Menschen identifizieren, dass sie hierher kommen. Und auch wenn es von den 410 Euro nur die berühmten 182 Euro sind, die der persönlich notwendige Bedarf sind, die man in Geld ausgezahlt bekommt, dann muss man doch einfach zur Kenntnis nehmen, dass dies für einen Syrer ungefähr viereinhalb Monatsgehälter sind und für jemanden aus Afghanistan ein halbes Jahresgehalt.
Lassen sich davon 50 Euro an Schlepper oder nach Hause überweisen, dann setzen wir damit einen Punkt, der die Bundesrepublik Deutschland anziehend macht. Ich bin dankbar, dass die CDU-Ministerpräsidenten in ihrer Vorlage für die heutige Ministerpräsidenten-Konferenz genau diesen Punkt adressieren und sagen: Da müssen wir ran.
Die Ausländerbehörden in diesem Land sind unterbesetzt und in Wahrheit – das wissen wir alle – völlig überfordert. Das kann man jetzt den Kommunen überlassen.
Man kann auch die Frage stellen, ob das Land nicht etwas daran tun kann, damit diese Überforderung der Ausländerbehörden ein Stückchen zurückgeht. Jeder, der einmal in irgendeinem Kreis oder hier bei der Stadt gearbeitet hat, weiß, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in alle Abteilungen wollen – nur nicht in die Ausländerbehörde. Deshalb haben wir derzeit diesen Missstand. Deshalb dauern aber auch die Erteilung von Erlaubnissen und die Verfahren so lange. Es gibt keine Digitalisierung in diesem Bereich und nicht einmal Standardformulare.
Sie hätten allerdings die Möglichkeit auch etwas zu tun, indem Sie einmal schauen, ob es nicht bei den Ausländerbehörden gemeinsame Dinge gibt, die man zentral bearbeiten kann. Warum bündeln Sie nicht Kompetenzen dafür, um in bestimmten Bereichen dafür zu sorgen, dass Verfahren schneller ablaufen?
Bei den straffällig gewordenen Ausländerinnen und Ausländern macht es uns Hamburg vor, indem man Kompetenzen bündelt und gemeinsame Einrichtungen schafft. Das geht noch in vielen weiteren Bereichen. Ich sehe von Ihnen dazu keinerlei Aktivitäten und das ist schade. Es wird den Themen auch nicht gerecht. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt viele Möglichkeiten, auch im Land dafür zu sorgen, dass eine Begrenzung stattfindet oder jedenfalls keine Pult-Faktoren aufgebaut werden.
Sie werden in den nächsten Wochen und Monaten erleben, dass die aktuelle Situation von uns allen erfordert, noch ganz andere Entscheidungen zu treffen. Natürlich wollen wir das auf europäischer Ebene einheitlich machen.
Aber ich sage auch, wenn Sie über Ihren Antrag so groß rüberschreiben müssen, dass Sie mit den bisherigen Ergebnissen Handlungsfähigkeit ausdrücken, dann zeigen Sie auch Handlungsfähigkeit, indem Sie als Landesregierung wenigstens zu bestimmten Fragen eine gemeinsame Haltung und einen gemeinsamen Weg haben. Den erkennen wir hier nicht! Den sehen wir nicht!
Deshalb sind Sie nicht diejenigen in dieser Landesregierung, die in der Bundesrepublik Deutschland dafür sorgen, dass etwas vorangetrieben wird. Sie sind vielmehr Getriebene dieses Prozesses.“
Sperrfrist Redebeginn!
Es gilt das gesprochene Wort.