Bernd Buchholz zu TOP 40 "Erster Integrations- und Zuwanderungsbericht 2022"

Dr. Bernd Buchholz

In seiner Rede zu TOP 40 (Erster Integrations- und Zuwanderungsbericht 2022) erklärt der migrationspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Bernd Buchholz:

"Es ist der erste Bericht der Frau Ministerin zur Integration und Zuwanderung nach dem Integrations- und Teilhabegesetz. Deshalb will ich wirklich nicht zu streng damit sein. Ich finde, wir müssen ehrlich mit uns selbst sein, was der Bericht leistet und was er nicht leistet.

Erst einmal ist Ihnen zu danken für die Fleißarbeit, die dahintersteckt, diese Daten alle zusammenzustellen. Es ist die gesetzliche Aufgabe, drei Teile mit diesem Bericht zu erfüllen.

Erstens: Der Bericht soll die Bevölkerungsentwicklung unter besonderer Berücksichtigung der verschiedenen Formen der Zuwanderung darstellen. Das leistet der Bericht. Daraus wissen wir jetzt, dass im Jahr 2021 der Anteil der Erwerbsmigration nach Schleswig-Holstein insgesamt aus 355 Personen bestand. Das sind 0,87 Prozent derjenigen, die in diesem Jahr eine Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis erhalten haben. Das waren insgesamt ca. 40.500.

Meine Damen und Herren, das ist die Realität der Erwerbsmigration. Das zeigt, wie weit der Weg dahin ist, 14.000 oder 15.000 Menschen zu integrieren. 

Der zweite Teil der Aufgabe des Berichts ist es, die Integration und Teilhabe spezifischer Strukturen und Maßnahmen sowie Leistungen im Land Schleswig-Holstein darzustellen. Das leistet der Bericht auch. Das ist aber ganz oft viel Lyrik und viel Darstellung der Ministerien.

Aus meiner Sicht ist der dritte Teil jedoch der wichtigste Teil. Der Bericht soll den Stand der Integration und Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund anhand von Zielen und Indikatoren beschreiben. Das, müssen wir ehrlich sagen, leistet der Bericht nicht, weil diese Indikatoren zum Teil gar nicht da sind. Ich mache das schlicht und ergreifend an einer Frage fest, die ich der Landesregierung im Sommer gestellt habe.

Ich finde, es ist eine legitime Frage, wenn man weiß, dass im Jahr 2015 und im Jahr 2016 aus Syrien ca. 17.000 Menschen nach Schleswig-Holstein gekommen sind: Was ist eigentlich heute mit denen? Haben die eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, haben die einen Sprachkurs gemacht, haben die eine Arbeitsqualifikation, sind die in Ausbildung oder sind die Bezieher von Leistungen geworden? Und die Antwort ist einfach: Wir wissen es nicht!

Wir wissen es nicht, weil wir nicht einmal wissen, ob diese Menschen noch im Land sind. Auf die Frage, wer mit einem Wohnsitz von diesen Menschen hier gemeldet ist, lautet die Antwort: Diese Daten werden nicht erhoben.

Auf die Frage, wie viele Menschen aus diesen beiden Jahren wir in den Arbeitsprozess bekommen haben, heißt es: ,Der Landesregierung selbst liegen die angefragten Daten nicht vor, sie ist insoweit auf die Zulieferung der Bundesagentur für Arbeit angewiesen, die nach eigenen Vorgaben Daten erhebt und verarbeitet. Daher wurde die Bundesagentur für Arbeit angefragt, ob die erbetenen Daten von dort bereitgestellt werden können. Nach Mitteilung der Bundesagentur ist es jedoch nicht möglich, aus dem dort vorliegenden Datenpool die Daten derjenigen Geflüchteten zu extrahieren, die 2015 und 2016 eingereist sind, da dieses Merkmal nicht erfasst wird.'

Oder anders ausgedrückt, meine Damen und Herren, Integration findet im Blindflug statt.

Und das, Frau Ministerin, ist gar kein Vorwurf an Sie. Aber das müssen wir ändern, weil wir einen realistischen Blick darauf bekommen müssen, was tatsächlich passiert.

Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, anhand der Quellen der Bundesagentur für Arbeit, der Quellen aus Statista und anderen zusammenzustellen, wie viele Menschen aus den Asylhauptherkunftsländern Afghanistan, Syrien, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan und Somalia hierhergekommen und heute in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung sind.

Wie viele Personen sind aus diesen Ländern in den letzten Jahren nach Schleswig-Holstein gekommen? Es sind insgesamt 104.306, davon ca. 32.000 aus Syrien. Jetzt muss man schauen, ob die noch alle hier sind oder nicht. Dazu kann man bei statista.de schauen, wie viele aus diesen Ländern in Schleswig-Holstein zum Stichtag Ende 2022 gemeldet sind. Das sind nur noch 81.250.

Bei der Arbeitsmarktintegration geht es darum, wie viele von denen aus den Hauptherkunftsländern im Jahr 2022 am Ende sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren. Das sind insgesamt 17.622 Menschen, also 21 Prozent. Davon hatten nur 4.469 Menschen einen beruflichen Abschluss oder eine akademische Qualifikation.

Das sind von den in den letzten zehn Jahren eingereisten Asylhauptherkunftsländern genau 5,5 Prozent. Es zeigt nur eins: Der realistische Blick auf die Frage, wie Integration bei uns stattfindet, ist notwendig. Er ist notwendig, indem wir tatsächlich die Indikatoren entwickeln und uns tatsächlich einen realistischen Blick auf den Stand der Integration verschaffen. Den haben wir bis jetzt nicht.

Sperrfrist Redebeginn!

Es gilt das gesprochene Wort.