In seiner Rede zu TOP 9 (Gesetz zum besseren Schutz von Opfern häuslicher Gewalt) erklärt der innen- und rechtspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Bernd Buchholz:
"Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, den Schutz von potenziellen Opfern häuslicher Gewalt zu verstärken, ist richtig und zwingend geboten. Denn in der Tat: Das Lagebild des Bundeskriminalamtes ist erschreckend. 260.000 Menschen sind 2023 Opfer von versuchten oder verletzten Tötungsdelikten geworden.
Wir werden uns am nächsten Mittwoch im Innen- und Rechtsausschuss mit dem Fall in Schackendorf in der Nähe von Bad Segeberg beschäftigen, einer Beziehungstat, die genau in dieses Schema passt leider – und bei der sichtbar wird, dass Anordnungen, die wichtig sind, eben doch immer wieder übertreten werden und der Schutz bisher ungenügend ist.
Wohnungsverweisungen, Rückkehrverbote, Betretungsverbote, Kontaktverbote, Nährungsverbote - das gibt es schon heute. Das sind wichtige Instrumente auch des zivilrechtlichen Gewaltschutzes und sie sind auch als polizeiliche Anordnungen wichtig. Deshalb unterstütze ich das Anliegen hier ganz ausdrücklich.
Diese Maßnahmen machen aber natürlich nur dann Sinn, wenn sie tatsächlich auch kontrolliert und gegebenenfalls überwacht werden können. Hier gibt es erkennbare Defizite, denn wir müssen wahrnehmen, dass es eben trotz dieser Anordnungen immer wieder zu Übertretungen der Anordnung kommt.
Ich finde es auch richtig, dass wir in Schleswig-Holstein einen Weg gehen, der versucht, nicht erst die Eingriffsvoraussetzungen zu schaffen, wenn schon etwas passiert ist, sondern wenn am Anfang davon ausgegangen werden kann, dass eine Hochrisikolage besteht. Die allerdings muss definiert werden.
Auch die Einführung einer elektronischen Aufenthaltsüberwachung ist ein, aus meiner Sicht, richtiges Mittel. Auch wenn wir sie bisher nur im Bereich der Terrorismusbekämpfung kennen. Und insbesondere das spanische Modell, das das potenzielle Opfer mit dem Peilsender ausstattet, der eben nicht ihr die Bewegungsfreiheit nimmt, sondern der denjenigen einschränkt, von dem die Gefahr ausgeht.
Das Modell ist komplett richtig und ist deshalb aus meiner Sicht nur zu unterstützen.
Nun hieß es hier, Sie seien als Landesregierung Vorreiter. Ich würde sagen, es gab eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe des Bundesjustizministers unter Leitung von Marco Buschmann. Der hat die entsprechenden Vorschläge auch schon gemacht.
Inzwischen wurden sie von Volker Wissing für das Gewaltschutzgesetz auch eingebracht. Und auch da im Gewaltschutzgesetz sind entsprechende Änderungen ja notwendig. Denn, und jetzt kommt das Wasser, das ich in der Grundsatzdebatte in den Wein gießen muss an der Stelle: Die konkrete Ausgestaltung der entsprechenden Verfahren, wie sie hier im Landesverwaltungsgesetz vorgesehen ist, unterliegt doch nicht ganz unerheblichen Bedingungen. Ich nennen nur mal zwei.
Nach dem, was Sie in 201c des Landesverwaltungsgesetzes regeln wollen, ist die Anordnung des Tragens einer elektronischen Aufenthaltsüberwachung genau an dieselben Eingriffsvoraussetzungen gekoppelt wie das Aussprechen eines Kontaktverbotes nach Paragraf 201a. Das ist einzigartig.
Das gibt es in keinem anderen Gesetz.
Das wäre auch im Gewaltschutzgesetz so nicht vorgesehen. Warum nicht? Weil es unverhältnismäßig ist nach der Begründung des Gesetzentwurfes zum Gewaltschutzgesetz. Warum? Weil das Bundesgewaltschutzgesetz sagt, die Anordnung eines Kontaktverbots muss zunächst einmal stattfinden, und erst, wenn das übertreten worden ist, kann man eine elektronische Aufenthaltsüberwachung anordnen.
Das gleichzeitige Anordnen unter denselben Voraussetzungen wie überhaupt das Aussprechen eines Kontaktverbots halte ich für äußerst zweifelhaft.
Zweitens. Anders als im Reformentwurf des Gewaltschutzgesetzes muss nach dem hiesigen Entwurf nicht mehr, auch nicht für das Tragen einer Fußfessel, eine konkrete Gefahr notwendig sein. Jetzt müssen wir uns das einmal vergegenwärtigen.
Ich habe vorhin gesagt, die Eingriffsvoraussetzungen für Kontaktverbote und für Wohnungsbetretungsverbote müssen in der Tat abgesenkt werden, um diese Verbote, auch bevor etwas passiert, stattfinden zu lassen. Aber das Tragen einer Aufenthaltsüberwachungsmaßnahmen, die Einschränkung der Freizügigkeit, an genau dieselben Voraussetzungen zu knüpfen und sie ohne konkrete Gefahr anzuordnen, ist eine schwierige Regelung.
Auch im Entwurf des Gewaltschutzgesetzes ist das so nicht vorgesehen. Ich frage einmal: Was macht es für einen Sinn, wenn die Polizei etwas anordnen darf, was später die Familienrichterin oder der Familienrichter im Gewaltschutzverfahren gar nicht anordnen darf, weil da ganz andere Voraussetzungen bestehen?
Wir tun dem ganzen System keinen Gefallen, wenn wir innerhalb der Anordnungsmöglichkeiten der Polizei und des Gewaltschutzgesetzes solche Differenzen zulassen.
Das Dritte, was ich sagen möchte: Es wird eine Unterrichtungspflicht der Familiengerichte an die Polizei statuiert in diesem Gesetz. Ob man das in einem Landesgesetz für eine Behörde nach dem Gerichtsverfassungsgesetz regeln kann, das gucken wir uns im Einzelnen nochmal an. Das ist aber nicht entscheidend.
Entscheidend ist es andersrum: Wie soll denn das Familiengericht eigentlich wissen, dass die Polizei schon etwas angeordnet hat? Hier fehlt eine Pflicht der Polizei, die Familiengerichte zu unterrichten, dass man Anordnungen erlassen hat, die im zivilrechtlichen Bereich gegebenenfalls bestätigt werden.
Meine Damen und Herren, das Grundanliegen ist komplett richtig. Wir wollen auch dieses Gesetz und die Ausgestaltung. Die Art der Ausgestaltung hoffen wir im Gesetzgebungsverfahren noch zu verbessern.“
Sperrfrist Redebeginn!
Es gilt das gesprochene Wort.