Hochschulen/Finanzen

Christopher Vogt: Hochschulen auf den doppelten Abiturjahrgang vorbereiten

„Die Präsidien der neun staatlichen Hochschulen des Landes haben den doppelten Abiturjahrgang im kommenden Jahr als ‚größte Herausforderung ihrer Geschichte‘ bezeichnet. Zumindest bei den Hochschulen, die in der Nachkriegszeit gegründet wurden, kann ich das absolut nachvollziehen. Bei der Christian-Albrechts-Universität, die in diesem Jahr ihr 350jähriges Bestehen feiern wird, glaube ich, dass es in ihrer Geschichte schon mindestens ein bis zwei größere Herausforderungen gegeben hat.

 

Wie auch immer, der doppelte Abiturjahrgang steht nun quasi vor der Tür und wird in der Tat eine immense zusätzliche Herausforderung für unsere Hochschulen darstellen. Da gibt es nichts zu beschönigen und es sagt leider sehr viel über den viel zu geringen Stellenwert der Hochschulen in der schleswig-holsteinischen Landespolitik aus, dass ein Jahr vor dem Eintreffen des doppelten Abiturjahrganges von Seiten der Landesregierung noch immer keine konkreten Vorbereitungen getroffen worden sind.

 

Frau Ministerin Alheit! angesichts der offenkundig schwierigen Lage der Hochschulen und des Versagens der Landesregierung in dieser Frage, war es nicht nur unangebracht, sondern schlichtweg unverschämt und auch peinlich, dass Sie in der vergangenen Woche öffentlich von einer ‚Wünsch-Dir-was-Liste‘ der Hochschulen gesprochen haben.

 

Ich verstehe wirklich nicht, wie man als zuständige Ministerin auf berechtigte Forderungen der Hochschulen derart unsouverän reagieren kann. Die Landesregierung scheint noch immer nicht verstanden zu haben, wo eigentlich das Problem liegt.

 

‚Chance, nicht Last‘, so ist die Stellungnahme der bundesweiten Hochschulrektorenkonferenz zum Hochschulpakt 2020 aus dem Jahr 2005 überschrieben. Der Hochschulpakt ist eine Reaktion auf den bereits damals prognostizierten starken Anstieg der Studierendenzahlen bis zum Jahr 2020. Dieser Pakt von Bund und Ländern soll den Hochschulen ermöglichen, die erhöhten Studienanfängerzahlen aufzunehmen und dabei die Ausbildungsqualität auf gleich hohem Niveau zu halten und die qualitativen und quantitativen Rahmenbedingungen für Studieninteressierte am besten noch zu verbessern, um so alle Studierenden verlässlich zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Der Hochschulpakt ist also mitnichten in erster Linie eine Reaktion auf den doppelten Abiturjahrgang, wie es der vorliegende Antrag der Koalitionsfraktionen behauptet. Der doppelte Abiturjahrgang ist nur ein Aspekt unter vielen, die Aussetzung der Wehrpflicht hat ebenfalls dazu beigetragen, Hauptgrund ist aber schlichtweg der allgemeine Trend zur Akademisierung.

 

Wenn man sich die Verwaltungsvereinbarungen zum Hochschulpakt III anschaut, muss man leider feststellen, dass die Landesregierung wirklich nicht gut verhandelt hat. Während alle ostdeutschen Länder, die Stadtstaaten und das Saarland erstaunliche Sonderkonditionen für sich herausgeholt haben, hat es die Landesregierung nicht geschafft, für das Konsolidierungsland Schleswig-Holstein auch nur irgendetwas herauszuholen. Ich verstehe wirklich nicht, warum ein Studienanfänger im Saarland, in Ostdeutschland oder auch in Hamburg mehr wert sein soll und besser finanziert wird als ein Studienanfänger bei uns. Das leuchtet mir einfach nicht ein. Zumal auch die teuren Medizinstudienplätze, die unser Bundesland im bundesweiten Vergleich überproportional zur Verfügung stellt, im Hochschulpakt nicht berücksichtigt werden.

 

Interessant finde ich im Übrigen, dass die bundesweite Hochschulrektorenkonferenz bereits im Jahr 2005 davor gewarnt hat, dass Hochschulen ‚in Notwehr‘ mit lokalen Zulassungsbeschränkungen auf den Studierendenandrang reagieren würden. Das ist genau das, was die schleswig-holsteinischen Hochschulpräsidien in ihrem aktuellen Brandbrief angesichts der mangelnden Vorbereitung des doppelten Abiturjahrganges angedroht haben. Leider nicht ohne Grund: Für diesen gesonderten Ansturm im kommenden Jahr muss es auch gesonderte Maßnahmen geben. Ein Verweis auf den Hochschulpakt ist da einfach zu wenig, da dieser den allgemeinen Anstieg von Studierwilligen abfedern soll und das leider auch nur unzureichend schafft.

 

Wie ein schlechter Scherz klingt es deshalb für mich, wenn ich im Koalitionsantrag lese, dass man sich ja nun an den Erfahrungen aus anderen Ländern orientieren kann. Hätte man das in den letzten drei Jahren mal getan! Andere Länder, die das Problem des doppelten Abiturjahrganges vernünftig bewältigt haben, haben sich bereits einige Jahre vorher mit den Hoch-schulen zusammengesetzt und einen gesonderten Plan entworfen, mit dem man den doppelten Abiturjahrgang bewältigen konnte. Es wurden mehr Mittel bereitgestellt und entsprechende Planungen angestoßen, welche zusätzlichen baulichen Erweiterungen notwendig sein würden und welches Lehrpersonal zusätzlich angestellt werden muss.

 

Nichts davon hat diese Landesregierung bisher gemacht. Sie war in dieser Frage fahrlässigerweise einfach untätig. Die Landesregierung muss nun mit der Nase darauf gestoßen werden, damit sie sich dieses Problems überhaupt annimmt. Und was macht die Landesregierung jetzt? Sie gründet einen Arbeitskreis, um sich das Problem erst einmal anzugucken. Das ist nun wirklich völlig absurd. Man bekommt immer mehr den Eindruck, dass das Ministerium gar nicht so richtig weiß und versteht, was an den Hochschulen eigentlich so los ist.

 

Stattdessen irrlichtert die Ministerin munter durch die Hochschullandschaft und vergrault bei jeder Gelegenheit die Hochschulen. Sei es bei den Zuschüssen für die Hochschulmedizin, der Höhe der Hochschulpaktmittel und jetzt zuletzt bei der klaren Absage der Ministerin an weitere Mittel zur Bewältigung des doppelten Abiturjahrganges.

 

Ihr Staatssekretär darf all das von der Ministerin zerbrochene Porzellan jetzt wieder einsammeln – der kennt das ja schon von der Amtsvorgängerin. Wir finden es dabei gut, dass es Lockerungsübungen in Sachen Zusatzfinanzierung durch Staatssekretär Fischer gegeben hat. Das ist das richtige Signal. Auch die Zusage, dass aus HSP-Mitteln auch Gebäude gebaut werden dürfen, ist absolut richtig! Der Raummangel ist ja schließlich eines der größten Probleme!

 

Die Probleme und Herausforderungen der Hochschulen müssen endlich von der politischen Mehrheit anerkannt und angepackt werden. Ich setze da jetzt vor allem auf den Ministerpräsidenten und auf die Finanzministerin, dass die Landesregierung ihrer Verantwortung da nun gerecht wird. Es war ein Fehler, dass die Hochschulen von der verbesserten finanziellen Situation des Landes überhaupt nicht profitiert haben. Auch von den BAFöG-Mitteln ist nichts bei den Hochschulen angekommen, stattdessen wurden im Lehramtsbereich unnötige Doppelstrukturen aufgebaut.

 

Da die dringend notwendige FDP-Hochschuloffensive in Höhe von 50 Millionen Euro in den Haushaltsberatungen durch die Regierungsmehrheit abgelehnt wurde, muss jetzt das Signal kommen: Wir brauchen zusätzliche Mittel im Nachtragshaushalt 2015 und im Haushaltsentwurf 2016 für die Hochschulen. Zur Bewältigung des doppelten Abiturjahrganges brauchen die Hochschulen zusätzliche Mittel zum Hochschulpakt. Es fehlt an fast allen Hochschulen an den elementaren Dingen: Räumen, Personal, Ausstattung, Mensen und auch Wohnraum, um den kommenden Ansturm begegnen zu können. Die Zuschüsse an die Hochschulen stagnieren seit Jahren, sinken relativ sogar, es gibt kaum Erhöhungen trotz stark steigender Studierendenzahlen und verbesserter Haushaltslage.

 

Nur durch das fleißige Einwerben von Drittmitteln kommen die Hochschulen überhaupt noch halbwegs über die Runden. Wir brauchen daher einen Fahrplan zum Abbau der chronischen Unterfinanzierung der Hochschulen. Sonst droht der Abstand zu anderen Hochschullandschaften sich noch einmal zu vergrößern. Es geht darum, die nationale und internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Hochschullandschaft zu erhalten bzw. herzustellen.

 

Unser Land kann es sich nicht erlauben, Studieninteressierte im vierstelligen Bereich in andere Länder zu verdrängen. Der Verlust an gut ausgebildeten jungen Menschen wäre ein schwerer Schlag für den Standort Schleswig-Holstein.

 

Es muss ein Paradigmenwechsel her: Wir brauchen endlich mehr Verständnis dafür, welche elementare Bedeutung die Wissenschaft für die Zukunftsfähigkeit unseres Bundeslandes hat. Es bedarf einer entsprechend großen Unterstützung für die Hochschulen. Springen sie also über Ihren Schatten und sorgen Sie dafür, dass wir heute ein gemeinsames Signal an die Hochschulen senden können. Stimmen Sie dem Oppositionsantrag zu.“