Wirtschaft/Mindestlohn

Christopher Vogt: Mindestlohn ist der völlig falsche Weg

„Es ist ja völlig klar, dass meine Fraktion beim Thema Mindestlohn andere Vorstellungen hatte und auch weiterhin hat als Union und SPD, deren gesetzlicher Mindestlohn am 1. Januar Realität geworden ist. Wir halten diesen undifferenzierten und politisch festgelegten Mindestlohn für den falschen Weg, um entsprechenden Problemen auf dem Arbeitsmarkt wirksam zu begegnen und wir sprechen uns stattdessen für nach Branchen und Regionen differenzierte Mindestlöhne aus, weil wir dies für deutlich sinnvoller halten und weil bei diesem Modell die Tarifautonomie nicht ausgehebelt, sondern vielmehr gestärkt würde.

 

Wie sich der gesetzliche Mindestlohn auf unseren zum Glück weiterhin sehr robusten Arbeitsmarkt nun auswirken wird, werden wir wohl erst in einigen Monaten seriös beurteilen können. Was jedoch schon in den ersten Wochen des Jahres immer mehr Menschen klar geworden ist, ist die Tatsache, dass die begleitende Bürokratie eine unzumutbare Belastung gerade für die kleineren und mittleren Betriebe darstellt, die die Wirtschaftsstruktur unseres Bundeslandes ja letztlich ganz überwiegend prägen. Die geschaffenen Regelungen zur Dokumentationspflicht sind völlig überzogen und überfordern viele Betriebe. Für große Unternehmen sind solche Auflagen zwar auch eine unnötige Belastung, aber sie können diese mit ihren Strukturen in der Regel natürlich einfacher bewältigen als die kleinen und mittleren Betriebe oder auch Vereine und Verbände.

 

In Sonntagsreden wird von fast allen politischen Kräften ja immer allzu gern vom Bürokratieabbau gesprochen, den man nun anpacken wolle - der Ministerpräsident ist ja auch mal so ins Amt gestartet. Fakt ist jedoch, dass insbesondere die rot-grün-blaue Landesregierung und leider auch die schwarz-rote Bundesregierung den Bürokratieaufwand für den Mittelstand zuletzt massiv erhöht haben. Dieser allgemeine Trend, dass die Politik dem Papier mehr als den Menschen vertraut, ist mittlerweile wirklich besorgniserregend und muss gestoppt und wieder umgekehrt werden.

 

Die Verordnung zu den Dokumentationspflichten ist zumindest für diejenigen unter uns, die nicht in Harvard studiert haben, auch nach mehrfacher Lektüre kaum zu verstehen. Auch die sogenannte Durchgriffshaftung für Mindestlohnverstöße muss meines Erachtens unbedingt überarbeitet werden. Die Unternehmen haften quasi wie ein Bürge für die Zahlung des Mindestlohns durch den Subunternehmer. Das ist so in der Praxis gar nicht vernünftig umzusetzen.

 

Die Kritikpunkte aus dem CDU-Antrag teilen wir uneingeschränkt, aber man sollte jetzt auch nicht so tun, als hätte nicht jeder halbwegs Vernünftige auch schon vor dem 1. Januar gewusst, dass der gesetzliche Mindestlohn und die ihn begleitende Verordnung völlig unsinnige Bürokratiemonster sind. Dass die Union dies mitgemacht hat, kann ich bis heute kaum fassen. Vor einigen Tagen habe ich CDU-Generalsekretär Tauber gehört, wie er in einem Interview erklärt hat, dass man die entsprechende Verordnung jetzt noch einmal überprüfen wolle und dass dieser ‚pragmatische Politikstil’ sicher auf große Zustimmung treffen werde. Ich glaube das ehrlich gesagt nicht. Ich glaube, dass diese Trial-and-Error-Politik der Großen Koalition im Mittelstand auf immer weniger Verständnis und Gegenliebe stößt, denn dort man diese wirtschaftspolitische Inkompetenz ja schließlich ausbaden.

 

Den Vogel abgeschossen hat bei diesem Thema aber wieder einmal der heimliche Generalsekretär der SPD, der offiziell deren Sechster Stellvertretender Bundesvorsitzender ist. Herr Dr. Stegner hat am vergangenen Donnerstag wieder einmal fleißig gezwitschert und der Weltöffentlichkeit folgenden Satz präsentiert – und ich zitiere: ‚Jammerei über Mindestlohn, man müsse 'jetzt' Arbeitszeiten aufschreiben, ist doch lächerlich – wer nicht mal das kann, ist Trottel oder Ganove!’  

 

Das ist nicht nur eine Verhöhnung und Beleidigung von Zehntausenden Unternehmern in unserem Bundesland, das offenbart auch ein Politikverständnis wie aus dem Kaiserreich. Wer also aus gutem Grund den bürokratischen Unsinn der Großen Koalition aus dem Hause Nahles kritisiert, ist für Herrn Dr. Stegner entweder dumm oder kriminell. Stil kann man sich nicht kaufen – auch nicht in Harvard – aber ich hätte schon erwartet, dass man dort zumindest den Unterschied lernt zwischen ‚nicht können’ und ‚nicht für sinnvoll halten’, Herr Dr. Stegner!

 

Ich glaube, die Union ist der SPD hier in die Falle getappt. Die SPD hat gar kein Interesse, hier Bürokratie abzubauen. Der gesetzliche Mindestlohn ist schließlich das rote Prestigeprojekt dieser Legislaturperiode. Wie gesagt, meine Fraktion teilt die Kritik der CDU-Fraktion an diesem bürokratischen Wahnsinn und wir hatten auch schon eine ähnliche Initiative geplant. Von unserer hätte es meines Erachtens auch mehr Sinn gemacht, eine Bundesratsinitiative zu fordern, da wir in Berlin derzeit ja eine kurze Parlamentspause eingelegt haben. Bei der CDU hätte ich eigentlich vielmehr erwartet, dass deren Landesgruppe im Bundestag versucht, dieses selbst verursachte Malheur wieder auszubügeln. Dass Sie nun den Ministerpräsidenten auffordern wollen, im rot-rot-grünen Bundesrat gegen eine Verordnung der eigenen Bundesregierung vorzugehen, ist wirklich bemerkenswert. Ich hoffe ja nicht, dass Sie Herrn Albig mehr zutrauen als beispielsweise Ihrem eigenen Landesvorsitzenden, aber sei es drum, wir werden dem CDU-Antrag trotz dieser kleinen Schwäche zustimmen, weil wir die Kritik in der Sache teilen!“