Wirtschaft/Bürokratieabbau

Christopher Vogt: Wir brauchen echte Fortschritte beim Bürokratieabbau

„Bürokratieabbau fordern viele politische Akteure immer wieder gern, aber tatsächlich kommen in Deutschland beinahe täglich neue Gesetze, Verordnungen, Erlasse und Richtlinien hinzu. Das ist kein rein deutsches Problem – auch wenn unser Land ja weltweit für sein viel zu kompliziertes Steuerrecht bekannt ist. In britisch geprägten Staaten gibt es in Parlamenten die interessante Tradition, die gesammelten Gesetzestexte auf dem Tisch in der Mitte des Plenarsaales aufzustellen. Wenn man dann Bilder aus früheren Jahrzehnten mit denen von heute vergleicht, erkennt man sehr schnell, wie stark auch dort die Vorschriften an Umfang zugelegt haben. Die langen Tische können die Gesetzestexte kaum noch aufnehmen.

 

Demokratien haben also offenbar eine generelle Neigung, mit der Zeit immer mehr Bürokratie aufzubauen, was meines Erachtens an zwei Dingen liegt: Es gibt bei zu vielen politisch Verantwortlichen die ausgeprägte Neigung, alle Eventualitäten des Lebens gesetzgeberisch abdecken zu wollen. Und es mangelt bei selbigen an der Bereitschaft, auch mal Vorschriften wieder aufzuweichen oder sie ganz einfach ganz zu streichen, wenn sie mehr schaden als nutzen.

 

Es ist also kein Naturgesetz, dass unsere Gesellschaft durch immer mehr Bürokratie zunehmend gelähmt wird. Es liegt an uns als Gesetzgeber, mehr Flexibilität zuzulassen. Ministerpräsident Albig ist mal mit dem Versprechen gestartet, Bürger und Unternehmen umfangreich bei der Bürokratie entlasten zu wollen. Gefolgt ist dann nichts.

 

Zu seiner Verteidigung muss ich anfügen: Herrn Albig war damals offenbar nicht bekannt, dass die schwarz-gelbe Vorgängerregierung mit der Mittelstandsoffensive bereits alle Berichtspflichten an das Land abgeschafft hatte. Da war also nicht mehr viel zu machen. Leider hat es die rot-grün-blaue Landesregierung aber nicht beim Status Quo gelassen und – wie ja leider auch die auch aktuelle Bundesregierung – neue unnötige Bürokratie geschaffen.

 

Die schwarz-rote Koalition auf Bundesebene hat allein im ersten Jahr ihrer Amtszeit den Deutschen neue Bürokratielasten im Umfang von fast 10 Milliarden Euro aufgebürdet (Tagesspiegel vom 26. April 2015). Die Folge dieser Politik ist, dass nach einer aktuellen Untersuchung (von TNS Emnid) mittlerweile 92 Prozent der Unternehmen die Bürokratiebelastung in Deutschland als hoch beziehungsweise sehr hoch ansehen und 96 Prozent der Befragten empfinden die Anzahl an Gesetzen und Verordnungen als zu hoch. Der Bundeswirtschaftsminister will die selbst geschaffenen Bürokratiemonster nun kaschieren und hat einen 25-Punkte-Plan zum Abbau von Bürokratie vorgelegt. Die 25 Vorschläge sind in der Mehrzahl wenig stichhaltig und klammern die selbst geschaffenen Bürokratiemonster natürlich komplett aus.

 

Die CDU-Fraktion wiederum beschränkt sich mit ihrem vorgelegten Antrag auf das Vorschlagen der – grob übersetzt – ‚Eins rein-Eins raus‘- Regel, die Herr Gabriel auch ins Spiel gebracht hatte. Damit wäre aber nichts gewonnen beziehungsweise eingespart. Vorhandene Vorschriften durch neue im gleichen Umfang zu ersetzen, würde nichts anderes als das Festschreiben des Status Quo und damit Stagnation bedeuten. Zudem bleibt unklar, wie das in der Praxis überhaupt umgesetzt werden soll. Ich bedaure es außerordentlich, dass sich die CDU nun auch auf Landesebene von dem Anspruch verabschiedet hat, eine Partei des Bürokratieabbaus zu sein.

 

Da meine Fraktion an echtem Fortschritt beim Bürokratieabbau interessiert ist, haben wir mit unserem Antrag konkrete Vorschläge vorgelegt. Unser Antrag kommt mit sechs Punkten zwar etwas schlanker, aber dafür auch deutlich zielgerichteter daher als die Liste des Bundeswirtschaftsministers. Wir schlagen einen Normenkontrollrat der Länder nach dem Vorbild des Nationalen Normenkontrollrates vor. Das dürfte auch den Grünen gefallen. Schließlich hat auch die Bundestagsfraktion der Grünen Gabriels Liste als völlig unzureichend kritisiert und eine Stärkung des Normenkontrollrates des Bundes gefordert.

 

Des Weiteren greifen wir einen Punkt auf, der auch im Sonderausschuss Verfassungsreform diskutiert worden ist: Eine bürgerfreundliche Verwaltung muss aus unserer Sicht mit dem digitalen Wandel Schritt halten. Das soll nicht bedeuten, dass Bürgerinnen und Bürger ohne Internet keinen Zugang zu Behörden oder Verwaltungen mehr haben sollen – vielmehr soll es den Bürgerinnen und Bürgern in Zukunft verstärkt möglich sein, Verwaltungsgänge auch online zu erledigen und Anträge in digitaler Form einreichen zu können. Außerdem wollen wir die steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen verkürzen, Genehmigungsverfahren vereinfachen und wir wollen die Landesregierung auffordern, sich dafür einzusetzen, dass die Dokumentationspflichten beim Bundesmindestlohn zu verschlanken.

 

Zu guter Letzt halten wir es für sinnvoll, Vereinfachungen beim Tariftreue- und Vergabegesetz des Landes vorzunehmen. Es würde schon viel helfen, wenn nur noch die Gewinner der Ausschreibungen entsprechende Nachweise vorlegen müssten. Wenn es nach uns ginge, könnte man das Vergabegesetz und auch das unsägliche vermeintliche Korruptionsregister, das übrigens immer noch leer ist, sofort abgeschaffen. Das Vergabegesetz schadet dem Land, den Kommunen und den kleinen Unternehmen und hilft nur den Großen.

 

Falls Sie sich heute noch nicht zu einer Zustimmung durchringen können, freue ich mich auf die inhaltliche Auseinandersetzung im zuständigen Wirtschaftsausschuss und erwarte die Gegenvorschläge der regierungstragenden Fraktionen voller Spannung.“