Aktuelle Stunde

Christopher Vogt zu TOP 1 „Aktuelle Stunde“

Chritopher Vogt FDP

In seiner Rede zu TOP 1 (Aktuelle Stunde zu öffentlichen Äußerungen der Abgeordneten von Sayn-Wittgenstein aufgrund der aktuellen Vorfälle in Chemnitz) erklärt der Fraktionsvorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Christopher Vogt:

„Die Bilder, die wir in den letzten Tagen aus Chemnitz gesehen haben, machen deutlich, dass wir es bei der politischen Auseinandersetzung – zumindest mit Blick auf die jüngste Vergangenheit – mit einer neuen Qualität zu tun haben. Der rechte Rand wird zunehmend hemmungsloser, die AfD lässt immer mehr die Maske fallen. In Chemnitz ist ein schreckliches Verbrechen passiert, bei dem Daniel H. Opfer eines völlig sinnlosen Verbrechens geworden ist. Es ist absolut nachvollziehbar, dass dies viele Menschen wütend macht und dass viele Menschen kein Verständnis für die Umstände haben.

Der rechte Rand scheint mir aber nur auf einen Anlass gewartet zu haben, um sich bundesweit zu mobilisieren. Und das in einer Art und Weise, die ein entsetzliches Bild in Chemnitz liefert. Klar muss sein, dass der Staat alle Bürger gleichermaßen schützen muss; daran darf kein Zweifel aufkommen.

Auch die AfD in Schleswig-Holstein gibt sich immer weniger Mühe, die Fassade zu wahren. Die Äußerungen der Landesvorsitzenden haben uns zu dieser ‚Aktuellen Stunde‘ veranlasst. Wo Frau von Sayn-Wittgenstein politisch steht, ist spätestens seit dem AfD-Bundesparteitag, auf dem sie fast zur Bundesvorsitzenden gewählt wurde, sehr klar. Andere AfD-Vertreter in Schleswig-Holstein treten bisher zwar gemäßigter auf. Sie müssen sich angesichts der Ereignisse in Chemnitz aber spätestens jetzt genau überlegen, ob sie die Radikalisierung der Partei noch mitmachen wollen. Ich bin der Meinung, dass wir im Umgang mit Populisten nicht den Fehler machen sollten, über jedes Stöcklein zu springen, auch wenn einem dies angesichts der vielen Provokationen schwerfällt. Man darf die Gefahr des Populismus nicht unterschätzen, aber Populisten auch nicht größer machen als sie sind.

Frau von Sayn-Wittgenstein hat sich allerdings in einer Art und Weise zu Chemnitz geäußert, die man gerade in der jetzigen Situation nicht einfach ignorieren kann. Wenn sie mit Blick auf die Berichterstattung von der ‚Aktuellen Kamera‘ spricht, ist das nicht nur ein Frontalangriff auf die freie Presse, sondern auch eine unverschämte Verharmlosung des SED-Regimes. Sie spricht auch von tausenden ‚Patrioten‘ in Chemnitz. Wir haben Menschen gesehen, die sich selbst ‚Adolf Hitler Hooligans‘ nennen oder den Hitler-Gruß zeigen, die zu Gewalt und sogar zu Mord aufrufen. Das sind keine Patrioten, sondern Rechtsextremisten!

Den getöteten Daniel H. nennt Frau von Sayn-Wittgenstein einen ‚Kubaner‘, meines Wissens war der junge Mann Deutscher mit einem kubanisch-stämmigen Elternteil. Die Instrumentalisierung dieses Verbrechens und die verbale Ausbürgerung des Getöteten finde ich wirklich ekelhaft. Unerträglich war insbesondere die Trauermiene von Herrn Höcke und anderen Rechtsextremisten, die Daniel H. offensichtlich nicht respektiert hätten und immer noch nicht respektieren, aber nun im schwarzen Anzug und weißer Rose durch Chemnitz laufen. Die versuchte Vereinnahmung der DDR-Opposition und der Bürgerrechtsbewegung durch die AfD, indem der Ausruf ‚Wir sind das Volk‘ gekapert wird, ist politisch schändlich. Man will dadurch suggerieren, dass man auf der richtigen Seite stehe und eine unterdrückte Opposition in einem Unrechtssystem sei. Das ist einfach nur absurd! Besonders problematisch finde ich aber die Parole ‚Holen wir uns unser Land zurück!‘. Ich frage mich, von wem Sie sich das Land zurückholen wollen? Welches Land meinen Sie, wenn Sie von ‚zurückholen‘ sprechen?

Was unser Land meines Erachtens jetzt nicht braucht, ist eine Polarisierung zwischen rechts und links. Das sollte uns auch unsere Geschichte lehren. Ich meine, wir müssen klare Kante gegen Gewalt, Hetze, Extremismus und Demokratiefeindlichkeit zeigen. Wir brauchen die konsequente Durchsetzung des Rechtsstaates an allen Stellen. Dafür müssen wir entsprechend handeln, ohne wie in einigen Bundesländern über das Ziel hinaus zu schießen.

Sorgen machen muss allen Demokraten der zunehmende Vertrauensverlust in unserer Gesellschaft. Das hat verschiedene Gründe und betrifft nicht nur die Demokratie und den Rechtsstaat, sondern auch andere Institutionen oder auch Unternehmen. Wie gewinnt man Vertrauen zurück? Als FDP haben wir mit dem Thema Vertrauensverlust in den letzten Jahren ja leidvolle Erfahrungen gemacht. Vertrauen geht schneller verloren als man es gewinnt. Ich bin davon überzeugt, dass man bereit zu einem Dialog sein muss, und zwar mit denen, die zwar Abstand genommen haben, aber nicht verloren sind. Man muss vorhandene Probleme benennen und Lösungen anbieten. Man macht die Populisten nur kleiner, wenn man die Probleme kleiner macht.

Wir debattieren gleich über ein Einwanderungsgesetz. Das wäre das überfällige Kernelement einer Einwanderungspolitik mit klaren und sinnvollen Regeln. Wir brauchen Zuwanderung, aber sie muss geordnet ablaufen. Und wir brauchen auch mehr Integrationsmaßnahmen. Alles andere würde meines Erachtens zu weiterem Vertrauensverlust führen. Ich bin auch nicht davon überzeugt, dass es sinnvoll und angemessen ist, nun pauschale Sachsen-Schelte zu betreiben. Das macht nichts besser.

Die sächsische Landesregierung und insbesondere die CDU als langjährige Regierungspartei haben dort ohne Frage Fehler gemacht. Das wird hoffentlich korrigiert. Ich weise aber auch darauf hin, dass es auch in anderen ostdeutschen Bundesländern massive Probleme mit Rechtsextremen gibt. Genauso wie übrigens auch in westdeutschen Ländern und eben auch in Schleswig-Holstein haben wir Probleme, die wir nicht ignorieren dürfen

Also: Klare Kante gegen Extremisten und Dialogbereitschaft zeigen und geeignete Lösungen anbieten, die auch umgesetzt werden – das sind Punkte, die wir in Schleswig-Holstein anpacken müssen.“

Es gilt das gesprochene Wort!