Christopher Vogt zu TOP 1 „Aktuelle Stunde: Corona-Management von Bund und Ländern“

Christopher Vogt

In seiner Rede zu TOP 1 (Aktuelle Stunde: Corona-Management von Bund und Ländern) erklärt der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Christopher Vogt:

„Ich bin der festen Überzeugung, dass die Akzeptanz von schwierigen politischen Entscheidungen in der Krise dann besonders hoch ist, wenn effektive und nachvollziehbare Entscheidungen getroffen und diese dann auch klar kommuniziert werden. Man kann und sollte sich natürlich auch immer korrigieren, wenn die Lage es erfordert, aber es wirkt eben nicht besonders souverän und überzeugend, wenn bundesweite Vereinbarungen alle paar Tage immer wieder verändert werden. Vor allem dann, wenn dies sehr überraschend passiert. Die Menschen wünschen sich da zu Recht mehr Verlässlichkeit, auch wenn dies in einer solchen Krise natürlich nicht immer einfach zu gewährleisten ist.

Die Ministerpräsidentenkonferenz, die ja bekanntermaßen kein Verfassungsorgan ist, sondern ein Abstimmungsgremium zwischen Bund und Ländern – wenn auch ein wichtiges, aber die Entscheidungen müssen am Ende eben in den Ländern selbst getroffen werden – hatte sich Ende November nach umfangreichen Diskussionen in den Tagen zuvor auf ein Paket geeinigt. Sieben Tage später wurde dann ziemlich überraschend der Zeitplan verändert. Man hatte sich vom 15. Dezember 2020 auf den 4. Januar 2021 vertagt und die Verordnungen der Länder sollten einfach bis zum 10. Januar 2021 verlängert werden. Für Schleswig-Holstein hatte das letztlich erstmal keine allzu großen Auswirkungen, weil wir die Verordnung im Dezember sowieso ändern wollten und weil wir vor allem Hotels und Gaststätten für den Jahreswechsel wenig Hoffnung gemacht hatten. Aber man sollte schon beachten, dass das Infektionsschutzgesetz – als gesetzliche Grundlage für die Landesverordnungen – für die bestehenden Landesverordnungen eine Laufzeit von vier Wochen vorsieht. Dieser Zeitraum kann natürlich verlängert werden, aber dass dies bereits von vornherein geschehen sollte, war dann doch etwas ungewöhnlich. Und dann kam am letzten Wochenende wieder Bayern, verkündete neue Maßnahmen und forderte einen MPK-Termin noch vor Weihnachten, den man ja erst am Mittwoch gecancelt hatte. Das alles ist aber jetzt auch fast schon wieder ‚Schnee von gestern‘.

Ich halte es für absolut notwendig, dass die bundesweiten Vereinbarungen zukünftig wieder eine längere Halbwertszeit haben. Die Lage ist in Deutschland sehr ernst – auch in Schleswig-Holstein – und der Winter hat ja noch gar nicht richtig angefangen. Ich habe großes Verständnis dafür, dass die besonders betroffenen Bundesländer wie Sachsen oder Bayern kurzfristig zu schärferen Maßnahmen übergehen. Teilweise ist dies sogar überfällig. Bei einzelnen Maßnahmen wundert man sich als Schleswig-Holsteiner, dass diese dort erst jetzt ergriffen werden, z.B. im Sport- oder Kulturbereich. Ich staune immer wieder – angesichts der Situation dort – über den anhaltend breitbeinigen Auftritt des bayerischen Ministerpräsidenten, aber das muss ja jeder für sich selbst entscheiden. Ich finde, Worte und Taten sollten schon zusammenpassen. Es hat ihn jedenfalls niemand davon abgehalten, schon deutlich früher nachzusteuern. Auf Bundesebene ist vor allem eine sinnvolle Hotspot-Strategie längst überfällig. Es war ein Versäumnis der MPK Ende November, dass man dies nicht vereinbart hatte.

In Schleswig-Holstein ging das Infektionsgeschehen bis letzte Woche ganz langsam zurück, sodass wir rund drei Wochen unter dem berühmten Grenzwert der 7-Tages-Inzidenz von 50 pro 100.000 Einwohnern lagen, die ein Bundesland zum Risikogebiet macht. Aber in den letzten Tagen haben wir – trotz des Teil-Lockdowns – leider eine negative Entwicklung und eine Überschreitung des Grenzwertes. Wir wissen noch immer nicht überall ganz genau, woran dies liegt, wir können es aber erahnen. Ein Problem ist sicherlich, dass ein Teil der Bevölkerung nicht oder nicht mehr so diszipliniert ist, auch wenn sich die allermeisten Menschen weiterhin vorbildlich verhalten. Auf diesen negativen Trend werden wir in geeigneter Form reagieren müssen. Schleswig-Holstein wird ja gern von außen ein sehr lockerer Kurs angedichtet, was entweder Unkenntnis oder Unterstellung sein muss. Wir haben stets früh, umsichtig und möglichst zielgenau agiert. Das ist ein wichtiger Teil des bisherigen Erfolgs. Die geographische Lage und die Mentalität helfen sicherlich, aber sie sind auch nicht alles! Einen Kontrollverlust, den wir in einigen Regionen beobachten müssen, wollen wir hier verhindern. Am Wichtigsten ist und bleibt natürlich der Schutz der besonders verletzlichen Gruppen unserer Gesellschaft. Wir nehmen die Hinweise aus der Wissenschaft gerade in Schleswig-Holstein sehr ernst, aber entscheiden müssen am Ende letztlich wir als politisch Verantwortliche. Der Teil-Lockdown hat in vielen Regionen nicht den erhofften Erfolg gebracht und er ist nicht nur deshalb keine überzeugende Dauerlösung. Das gilt vor allem für den Südosten der Republik, aber offenbar auch für uns.

Die enge Einbindung der Parlamente haben wir bisher in Schleswig-Holstein sehr gut hinbekommen. Und das ist ja auch kein Orchideen-Thema. Gerade in der Krise erhöht dies die Akzeptanz von schmerzhaften Beschlüssen. Transparenz bei einer MPK heißt für mich nicht, den Live-Ticker von ‚BILD‘- Online zu füttern, sondern vorher in den Ländern mit dem Parlament den Kurs abzustimmen. Ganz entscheidend für die Akzeptanz sind auch angemessene Hilfen für die Unternehmen, die stark beeinträchtigt oder sogar geschlossen werden müssen, obwohl sie nicht für diese Situation verantwortlich sind. Nach den zugegebenermaßen sehr üppigen November- und Dezemberhilfen mit einer Erstattung von 75 Prozent des Umsatzes soll es keine ‚Januarhilfe‘ geben, sondern nur die Überbrückungshilfe III, die nur noch Fixkosten erstattet und bei 200.000 Euro gedeckelt ist. Für viele mittlere Betriebe ist dies wirklich schwierig. Noch schwieriger ist es aber, dass der Bund die Abwicklung der November- und Dezemberhilfe einfach nicht auf die Reihe bekommt. Das gefährdet die Zahlungsfähigkeit vieler Unternehmen. Die Erhöhung der Abschlagszahlungen auf 50.000 Euro ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber für viele Unternehmen leider nicht ausreichend. Da muss noch einmal dringend nachgebessert werden. Immerhin ist es bei der Diskussion um eine mögliche Beteiligung der Länder an den Hilfen zumindest medial etwas ruhiger geworden. Dies würde auch unsere Leistungsfähigkeit überfordern, denn die Länder sind bereits mit erheblichen Paketen an der Bewältigung dieser Krise beteiligt, was man auch in Berlin endlich anerkennen sollte.

Was wir alle dringend brauchen, sind Perspektiven. Planungssicherheit ist in einer solchen Krise sehr schwierig, aber dennoch erstrebenswert. Wir werden ja gleich auch über die Impfstrategie debattieren. Die Leopoldina hat gestern übrigens nicht nur für einen kurzen harten Lockdown über den Jahreswechsel plädiert, sondern auch eine politische Einigung auf ein klares, mehrstufiges und bundesweit einheitliches System von Regeln gefordert. Ein solches System hatte die FDP bereits bei der Debatte über das Infektionsschutzgesetz im Bundestag vorgeschlagen. Ich bin der Meinung, dass auch dieser Vorschlag bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz auf die Tagesordnung gehört. Dann müsste man sich nicht immer nur von Gipfel zu Gipfel hangeln. Ich verstehe die SPD-Fraktion mit der Inzidenz-Ampel auch so.

Ich höre zurzeit immer wieder, dass das Virus keine Weihnachtspause machen wird. Das stimmt, aber die Menschen wollen ihre Familie dann dennoch treffen. Das ist ohne Frage ein Risiko, aber wir sollten genau darauf achten, dass wir die Menschen jetzt nicht durch lebensfremde Vorgaben in eine sehr schwierige Situation bringen. Ein normales Weihnachten wird es auf jeden Fall nicht werden können. Aber man muss auch immer die Nebenwirkungen der Maßnahmen beachten und damit meine ich nicht nur die wirtschaftlichen, sondern auch die sozialen und psychischen. Auch sogenannte Ausgangssperren finde ich problematisch. Darauf hatten wir ja auch im Frühjahr bewusst verzichtet, als wir über zwei Monate zu sehr drastischen Maßnahmen greifen mussten. Ich gehe davon aus, dass es sehr zeitnah wieder eine MPK geben wird. Auch deshalb ist diese Debatte wichtig. Eine enge Einbeziehung des Parlaments ist für uns eine Selbstverständlichkeit und ich habe keinen Zweifel daran, dass diese Landesregierung dies auch so sieht.“