Christopher Vogt zu TOP 1 "Aktuelle Stunde zu 'Lehren aus dem Fall Brokstedt'"

Christopher Vogt

In seiner Rede zu TOP 1 (Aktuelle Stunde zu "Lehren aus dem Fall Brokstedt: Behördenkommunikation verbessern und ein konsequentes Rückführungsmanagement etablieren") erklärt der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Christopher Vogt:

"Die unfassbar grausame Messerattacke auf einer Zugfahrt bei Brokstedt bewegt uns alle seit mehreren Wochen. Zwei – offenbar zufällig ausgewählte – junge Menschen wurden völlig sinnlos und auf brutale Weise aus ihrem Leben gerissen. Und mehrere Menschen wurden zum Teil sehr schwer verletzt. Sie alle hatten offenbar keinerlei Beziehung zum Täter. Es hätte quasi jeden von uns treffen können und das treibt die Menschen nachvollziehbarerweise um.

Im Bundestag, in Nordrhein-Westfalen, in Hamburg und natürlich auch hier bei uns haben sich die zuständigen Ausschüsse richtigerweise mit diesem Fall und seinen möglichen politischen Folgen bereits umfangreich befasst. Zuletzt hatte sich auch Bundesinnenministerin Faeser wieder mit – offenbar nicht nur für uns – ziemlich überraschenden Äußerungen dazu zu Wort gemeldet.

Mit Blick auf die anhaltende bundesweite politische Diskussion sind wir als FDP-Fraktion der Meinung, dass wir über diesen schrecklichen Fall und seine Folgen auch hier im Plenum des Landtages sehr ernsthaft debattieren müssen: Es reicht aus unserer Sicht jedenfalls nicht aus, sich jetzt hier lediglich mit der Sicherheit im ÖPNV zu beschäftigen. In dem Fall wird ja noch weiter ermittelt, aber es scheint doch ziemlich sicher so zu sein, dass auch der Regionalzug als Tatort eher zufällig ausgewählt wurde.

Die entscheidenden Fragen sind aus unserer Sicht jedenfalls andere als die, die die Koalition hier aufwirft. Zum Beispiel: Wie konnte es dazu kommen, dass dieser Mensch eine solche unfassbare Tat überhaupt begangen hat? Gab es eine falsche Einschätzung bezüglich der Gefährlichkeit des Täters für die Allgemeinheit und muss jemand, der in der U-Haft so auffällig geworden ist, nicht im Anschluss anders betreut werden? Warum gab es an gleich mehreren Stellen ein solch eklatantes Versagen der zuständigen Behörden und vor allem fehlende oder fehlerhafte Kommunikation? Und nicht zuletzt: Warum war der Täter überhaupt noch in unserem Land?

Die jüngsten öffentlichen Äußerungen von Bundesinnenministerin Nancy Faeser zu diesem Fall waren für uns dahingehend überraschend, dass sie die Verantwortung der Kieler Behörde benannt hat, die wichtige Informationen nicht weitergegeben habe, so dass eine Abschiebung nicht erfolgen konnte. Laut Nancy Faeser hätte man Ibrahim A. möglicherweise abschieben können, wenn das BAMF von der U-Haft Kenntnis gehabt hätte. Das sind harte Vorwürfe, zumal die zuständigen Behörden ja das Gegenteil behaupten und auch wir sind der Auffassung, dass dies so nicht zutreffend ist. Frau Faeser sollte keine steilen Thesen aufstellen, sondern sich lieber um die bestehenden Probleme kümmern. Und da stand sie bisher allzu oft auf der Bremse.

Die Bundesinnenministerin unterstreicht mit solchen Äußerungen auch noch einmal sehr deutlich, dass bisher die linke Hand oftmals nicht so recht weiß, was die rechte tut. Es ist deshalb dringend erforderlich, dass aus diesem Fall zügig konkrete Lehren gezogen werden. So muss zum Beispiel die Kommunikation zwischen den zuständigen Behörden dringend klarer strukturiert, schneller und auch verlässlicher dokumentiert werden. Es muss klare Zuständigkeiten und funktionierende Aufsichten geben. Und wenn eine Abschiebung des Täters bisher nicht möglich ist, muss man darüber sprechen, wie man dies zukünftig hinbekommen kann. Es kann auch nicht sein, dass einige Länder ihre hier straffällig gewordenen Staatsbürger nicht mehr bei sich aufnehmen wollen. Hierfür Lösungen zu finden, ist natürlich nicht einfach, aber wir sollten den jetzigen Zustand nicht länger tolerieren. Das ist auch nicht nur eine wichtige Aufgabe für die Bundesregierung: Auch die Landesregierung muss sich fragen, ob sie hier richtig aufgestellt ist.

In Schleswig-Holstein sind für diesen Themenkomplex ja mittlerweile drei Ministerien zuständig. Hier drohen enorme Reibungs- und Zuständigkeitsverluste zwischen den Häusern. Der Ministerpräsident sollte deshalb in Betracht ziehen, die Kompetenzen innerhalb der Landesregierung wieder stärker zu bündeln, um ein koordiniertes Vorgehen der zuständigen Behörden innerhalb des Landes zu erleichtern. Es muss darum gehen, dass Menschen, die hier keine Bleibeperspektive haben und die womöglich auch noch straffällig geworden sind, unser Land auch wieder verlassen. Wir haben allerdings große Zweifel, ob CDU und Grüne wirklich bereit sind, ihren aktuellen Kurs bei den Rückführungen zu ändern. Ich kann mich noch sehr gut an die Debatte über die sicheren Herkunftsstaaten erinnern. Und die Zahlen zur Abschiebehafteinrichtung zeigen, dass diese bisher vor allem vom rot-grünen Hamburg dazu genutzt wird, Rückführungen auch tatsächlich durchzusetzen. Hamburg hat übrigens auch zielführendere Strukturen (Stichwort: GERAS) und bereits angekündigt, zukünftig noch konsequenter sein zu wollen. Die Landesregierung will dagegen jetzt mit ihrem Haushaltsentwurf beim Rückführungsmanagement erstaunlicherweise sogar kürzen. Hier müssen Sie sich umgehend korrigieren, Herr Ministerpräsident. Und Sie müssen sich zudem auch wahrnehmbar auf Bundesebene entsprechend einbringen, damit notwendige Abschiebungen insbesondere von Straftätern auch tatsächlich umgesetzt werden können.

Diese schreckliche Tat und ihre Vorgeschichte müssen weiter aufgearbeitet werden. Und es muss auch darum gehen, alles dafür zu tun, dass sich solche Attacken nach Möglichkeit nicht mehr wiederholen können. Wir geben der Landesregierung heute die Gelegenheit, sich klar zu positionieren. Wir werden Sie als Landesregierung aber nicht an ihren Worten, sondern an ihren Taten messen."

 

Sperrfrist Redebeginn!

Es gilt das gesprochene Wort