In seiner Rede zu TOP 1+4+5+6 (Regierungserklärung und Anträge zu Corona-Maßnahmen) erklärt der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Christopher Vogt:
„Diese Pandemie wird unser Leben in der Tat noch mindestens einige Monate erheblich prägen. Und mit den Folgen werden wir noch deutlich länger zu kämpfen haben. Ich bin aber nach wie vor froh, dass ich diese Pandemie in Deutschland und vor allem in Schleswig-Holstein erlebe, denn wir sind – trotz der massiven Probleme – bisher noch immer vergleichsweise glimpflich durch diese Krise gekommen. Und das liegt in erster Linie an der großen Disziplin fast aller Bürgerinnen und Bürger, an dem großen Engagement – zum Beispiel – der Menschen, die in den Gesundheitsämtern, in Kitas, in Schulen oder auch den Krankenhäusern arbeiten und an dem großen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, den wir immer wieder befördern sollten und nicht riskieren dürfen.
Der Winter bleibt eine große Herausforderung und es gibt keinen Anlass zur Entwarnung, aber wir sind in Schleswig-Holstein immerhin auf einem ordentlichen Weg und die entwickelten Impfstoffe machen vielen Menschen und auch mir wirklich Hoffnung, dass ein Ende der Pandemie absehbar ist. Beim Impfen ist natürlich noch sehr viel Überzeugungsarbeit zu leisten, aber ich freue mich, dass wir bei den entsprechenden Vorbereitungen wieder einmal sehr gut davor sind und die benötigten Impfzentren bereits im Aufbau. Mein herzlicher Dank gilt hier dem Gesundheitsminister, aber auch unseren Kommunen, unserer Bundeswehr und allen weiteren Akteuren, die sehr engagiert daran mitwirken!
Die Reduzierung von Kontakten ist zwar keine besonders kreative, aber immer noch die effektivste Methode zur Eindämmung des Infektionsgeschehens. Jeder Einzelne ist hier in der Verantwortung. Die Eigenverantwortung wurde schließlich nicht abgeschafft, sondern ist gerade jetzt gefordert. Unsere Kontaktregeln, die wir seit einigen Wochen in Schleswig-Holstein haben, sind leicht verständlich, angemessen und haben sich damit bewährt. Sie wurden zunächst auch kritisch gesehen, aber es ist der absolut richtige Weg, dass wir mit Blick auf die recht stabile Situation beim Infektionsgeschehen daran festhalten. Das Hin und Her über die Feiertage möchten wir den Menschen in Schleswig-Holstein gerne ersparen. Dort, wo wir erhebliche Ausreißer nach oben haben – wie aktuell im Kreis Pinneberg – können wir zeitweise nachschärfen, wie dies nun in Absprache mit dem Landrat auch zu recht geschehen ist. Der Kreis Pinneberg hat nun einmal die Besonderheit, dass er sehr eng mit Hamburg verbandelt ist. Wobei ich sagen muss, dass die Hamburger die Situation – für eine Großstadt dieser Größe – ganz gut im Griff haben und davon profitieren wir auch in SchleswigHolstein.
Ich bin sehr froh, dass Kitas und Schulen bundesweit grundsätzlich geöffnet bleiben sollen. Das ist eben auch eine Frage der Chancengerechtigkeit. Und Kinder, Jugendliche und ihre Eltern haben insbesondere im Frühjahr bereits die Hauptlast der Maßnahmen tragen müssen und werden auch noch lange mit den Schulden zu kämpfen haben. Die Halbierung der Klassen klingt populär, würde im Zweifel aber immer noch erheblichen Unterrichtsausfall bedeuten, wenn man ehrlich ist. Die Digitalisierung der Bildung muss dennoch mit aller Kraft weiter vorangetrieben werden. Die Bund-Länder-Vereinbarung zum Digitalpakt muss überarbeitet werden, um mehr Endgeräte daraus bezahlen zu können und die Schulträger brauchen zum Teil noch mehr Unterstützung bei den Konzepten. Wir sind da mittlerweile auf einem guten Weg, aber es gibt hier noch viel zu tun. Auch bei der Sicherheit in den Schulen wollen wir noch mehr tun. Ich habe kürzlich eine Schule im Lauenburgischen besucht, die nicht nur bei der Digitalisierung vorbildlich ist, sondern in fast allen Räumen fest installierte Belüftungssysteme eingebaut hat. Ich finde, das sollte zukünftig Standard in allen Schulen sein, denn gute Luftqualität kann auch nach der Pandemie nun wirklich nicht schaden. Wo es Sinn macht, sollten zunächst mobile Systeme angeschafft und auch die Schülerverkehre entzerrt werden, auch wenn mir klar ist, dass dies leichter gesagt ist als getan. Ich bin wirklich erleichtert, dass die – ich muss es leider so nennen – völlig lebensfremden Vorstellungen, jede Familie solle sich für den Winter einen festen anderen Hausstand oder jedes Kind einen festen Freund als Kontakt aussuchen, jetzt vom Tisch sind. Ich weiß nicht, wie diese Vorschläge entstanden sind, aber sie haben die Akzeptanz der Maßnahmen nun wirklich nicht befördert, um es freundlich auszudrücken.
Auch wir sind für eine bundesweite Abstimmung, was die notwendigen Corona-Maßnahmen angeht. Aber wenn das Infektionsgeschehen sich unterschiedlich entwickelt, ist eben nicht jede Maßnahme überall angemessen. Wir sprechen hier ja auch über erhebliche Grundrechtseingriffe und die müssen eben immer verhältnismäßig und deshalb möglichst zielgenau sein. Sie bedürfen einer konkreten Begründung und der politische Wunsch nach Einheitlichkeit reicht da nicht aus. Ich begrüße sehr, dass sich diese Sichtweise nicht nur in Schleswig-Holstein mittlerweile durchgesetzt hat. Das gibt übrigens auch das Infektionsschutzgesetz ganz klar so vor, das ja die rechtliche Grundlage für die Maßnahmen der einzelnen Bundesländer ist. Man kann über dieses Gesetz trefflich streiten, aber wir sehen jetzt vor allem beim Begleitthema der Krankenhausfinanzierung, dass dieses Gesetzespaket aus der letzten Woche leider mit heißer Nadel gestrickt wurde. Es ist gut, dass wir da nun fraktionsübergreifend Nachbesserungen fordern, denn auch bei einer Inzidenz von unter 70, die darin interessanterweise festgeschrieben ist, haben die Krankenhäuser erhebliche Kosten für den Intensivbereich, die auch erstattet werden müssen. Und wir haben da ja auch Vereinbarungen mit Hamburg, die einen höheren Inzidenzwert aufweisen als wir. Unsere Krankenhäuser haben diese Benachteiligung jedenfalls nicht verdient!
Die Reaktionen auf die Absprachen der Ministerpräsidentenkonferenz und auf unsere Entscheidungen, damit umzugehen, finde ich wirklich bemerkenswert. Während wir von der Wirtschaft, verschiedenen Medien und sogar Medizinern aus Schleswig-Holstein für unser Augenmaß gelobt werden, werden wir von außerhalb und vor allem von anderen Landesregierungen zum Teil heftig kritisiert. Das überrascht nicht nur mit Blick auf unser Infektionsgeschehen und die nun wirklich sorgsam abgewogenen Entscheidungen, sondern auch mit Blick auf die bisherigen Regeln anderer Bundesländer. Ich finde kaum etwas schwieriger und unangenehmer als in den privaten Bereich der Bürgerinnen und Bürger einzugreifen. Und wir haben über die Zehner-Regelungen vor einigen Wochen wirklich miteinander gerungen, aber ich staune sehr darüber, dass mehrere Bundesländer da bisher gar nichts geregelt haben. Und wenn ich ein anderes Bundesland wirklich schätze, dann ist es Bayern. Dort gibt es so viel, was man nur bewundern kann. Aber die Kommunikation des bayerischen Ministerpräsidenten gehört für mich nicht dazu. Ich finde, Herr Söder ist mit Blick auf die Corona-Bilanz seines Bundeslandes nun wirklich nicht in der Position, um anderen Landesregierungen permanent kluge Ratschläge zu erteilen. Schon gar nicht dieser Landesregierung. Die Zeit sollte er stattdessen sinnvoller nutzen. Dass ausgerechnet Bayern immer lauter nach bundesweiter Einheitlichkeit ruft, spricht ja eigentlich für sich. Während Herr Söder mehr Härte fordert, hindert niemand seine Regierung daran, dies in Bayern vorzuleben. Und es kann sich doch auch jeder ganz genau vorstellen, was Herr Söder lautstark fordern würde, wenn Bayern unser Infektionsgeschehen hätte und wir deren hätten. Die geographische Lage spielt natürlich eine Rolle, aber wenn jeder so angemessen auf das jeweilige Infektionsgeschehen reagieren würde, wie wir dies tun, wäre allen geholfen. Die Hot-Spot-Strategie für die besonders betroffenen Regionen war selbstverständlich überfällig. Es wäre aber deutlich besser gewesen, wenn man auch konkretisiert hätte, was wann gemacht werden sollte. Das fehlt mir dabei leider noch.
Es ist absolut verantwortbar, wenn wir die sogenannten körpernahen Dienstleistungen bei uns jetzt wieder zulassen und wenn auch die Wild- und Tierparks bzw. Zoos wieder öffnen dürfen. Letztere bieten für viele Familien eine sehr risikoarme Outdoor-Aktivität. Man kann und sollte gerade mit kleinen Kindern ja auch nicht den ganzen Tag in der Wohnung sitzen. Ich hoffe nicht nur deshalb, dass die Zahlen bei uns weiter sinken werden und wir zu Beginn des neuen Jahres auch wieder mehr Sport- und Kulturangebote zulassen können. Wir brauchen auch eine Perspektive für Hotels und Gaststätten, die wir Ende Oktober nicht geschlossen hätten, wenn der Bund nicht vehement darauf gedrängt und die Entschädigungszahlungen übernommen hätte. Es ist wichtig, dass die Dezemberhilfen auf Grundlage der Zahlen aus dem Dezember 2019 berechnet werden. Für viele Betriebe ist der Dezember schließlich der umsatzstärkste Monat und deshalb extrem wichtig. Das Geld muss aber auch zügig ausgezahlt werden, um Liquiditätsprobleme zu vermeiden. Was das Land bei der Abwicklung tun kann, wird es auch tun. Darauf können sich die Unternehmen verlassen. Die Überbrückungshilfe III ist grundsätzlich gut, aber ich finde, der Bund muss noch mehr für die Soloselbständigen tun, die oftmals besonders stark betroffen sind. Und wir merken jetzt erneut: Das Öffnen ist komplizierter als das Schließen. Die Bundesregierung sollte mit offenen Karten spielen, was sie für die Monate Januar, Februar und März plant. Mich beunruhigen entsprechende Andeutungen von Regierungsmitgliedern, dass man bis inklusive März oder gar April viele Bereiche geschlossen halten will, während aus dem Bundestag gefordert wird, dass die Länder sich an den Entschädigungen beteiligen sollen. Ich fürchte, dass dies unsere Leistungsfähigkeit überfordern würde. Und das ist auch nicht der verabredete Weg. Ich bin Monika Heinold sehr dankbar, dass sie dies so deutlich zurückgewiesen hat. Wir sind schließlich mit mehreren Milliarden Euro bereits an unsere Leistungsgrenzen gegangen. Viele Unternehmen – zum Beispiel die Kinos – brauchen übrigens auch eine gewisse Vorlaufzeit, um wieder Geld verdienen zu können. Es geht um sehr viele wirtschaftliche Existenzen und wir alle sollten auch noch deutlicher machen, dass diese Betriebe derzeit vor allem deshalb geschlossen sind, weil man die Kontakte insgesamt herunterfahren will und nicht etwa, weil man deren Konzepten nicht vertrauen würde.
Ich werbe sehr um Verständnis dafür, dass wir bei der Verschärfung im Einzelhandel, was die Zahl der Kunden pro Fläche angeht, nicht mitgehen werden. Die Ausweitung der Maskenpflicht ist als milderes Mittel auch hier sinnvoll – da gehen wir in Schleswig-Holstein ja grundsätzlich auch voran. Ich halte es aber für absolut kontraproduktiv, wenn in der Adventszeit Schlangen vor den Geschäften riskiert werden. Ich hoffe sehr, dass ich da noch eines Besseren belehrt werde, aber nach meiner Einschätzung wird diese 20-Quadratmeter-Regel die Kunden nur nerven und dem örtlichen Einzelhandel weiteren Schaden zufügen. Es ist wohl kein Zufall, dass die Amazon-Aktie während der Ministerpräsidentenkonferenz sprunghaft gestiegen ist. Ich bleibe auch dabei: Wir sollten daran arbeiten, dass es im neuen Jahr ein paar mehr verkaufsoffene Sonntage geben kann, denn diese sind besonders umsatzstark und könnten vielen Geschäften dabei helfen, diese Krise zu überstehen.
Die Ministerpräsidentenkonferenz ist gut geeignet, um sich zwischen Bund und Ländern sehr kurzfristig abzustimmen, was derzeit notwendig ist. Sie ist aber auch kein Verfassungsorgan. Entschieden wird letztlich in den Landesregierungen oder – noch besser – in den Parlamenten. Das gilt auch in der Pandemie. Wir müssen die demokratischen Prozesse, die die Verfassung aus guten Gründen vorsieht, auch in der Krise berücksichtigen und pflegen. Ich bin froh darüber, dass dies in Schleswig-Holstein ganz gut gelingt. Transparenz ist dabei von elementarer Bedeutung und das gemeinsame Länder-Papier war ein Fortschritt, um sich auch in den Ländern besser abstimmen zu können. Was mich aber wirklich ärgert, ist die Tatsache, dass die Ministerpräsidentenkonferenz bei der BILD-Zeitung immer quasi live übertragen wird. Jeder gute Politiker pflegt seine Kontakte zu den Medien, aber was da passiert, ist wirklich weit drüber und kontraproduktiv. Wenn dort im Livestream SMS von Ministerpräsidenten vorgelesen werden, ist das aus meiner Sicht kein Ruhmesblatt für unsere Demokratie. Das sollte sich wirklich ändern.
Es gibt in den nächsten Wochen und Monaten sehr viel zu tun: Die Impfungen müssen weiter vorbereitet werden. Dazu braucht es auch überall entsprechende Kühlgeräte. Wenn zügig viele Menschen in den sensiblen Bereichen geimpft werden können, dürfte dies eine enorme Entlastung für unser Gesundheitssystem darstellen. Die Corona-Warn-App muss dringend verbessert werden, damit sie auch wirklich hilft. Die Gesundheitsämter müssen endlich digitalisiert werden, um die Mitarbeiter zu entlasten. Anlass zur Hoffnung geben da auch freiwillige Apps, die die Gesundheitsämter bei der Kontaktnachverfolgung entlasten und zum Beispiel in der Gastronomie und bei bestimmten Veranstaltungsformen helfen könnten. Der Einsatz von Schnelltests und Schutzausrüstung wie FFP2-Masken muss weiter optimiert werden. Die Gesamtstrategie für die Wintermonate muss dringend weiterentwickelt werden, um diesen Namen auch wirklich zu verdienen. Die Ansprache der politisch Verantwortlichen an die Bürgerinnen und Bürger sollte an einigen Stellen angemessener werden. Kriegs- oder Katastrophenrhetorik oder auch infantile Sprache sind nicht hilfreich.
Stattdessen braucht es noch mehr Offenheit und auch Raum für Diskussionen, um Verschwörungstheorien den Boden zu entziehen, die leider erschreckend weit verbreitet sind. Wir dürfen nicht vergessen: Die Demokratie, der Rechtsstaat und auch die Soziale Marktwirtschaft müssen gerade in dieser Krise gestärkt werden, wenn wir unsere hohe Lebensqualität erhalten wollen. Das neue Jahrzehnt wird mit Blick auf den demographischen Wandel und die internationale Lage schon herausfordernd genug. Ich wünsche allen – trotz der Umstände – eine gute Adventszeit. Es ist nicht die Zeit für Partys und die üblichen Aktivitäten, aber wenn alle weiterhin besonnen bleiben, können wir uns trotzdem auf Weihnachten und auch Silvester freuen, wo man auch gern eine Rakete steigen lassen darf, um die bösen Geister aus 2020 zu vertreiben.“