Christopher Vogt zu TOP 12 "Einführung von Mindeststandards entlang der Bildungsbiografie"

Christopher Vogt

In seiner Rede zu TOP 12 (Einführung von Mindeststandards entlang der Bildungsbiografie) erklärt der bildungspolitische Sprecher und Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Christopher Vogt

In Schleswig-Holstein haben über viele Jahre hinweg eigentlich immer mehr als 7 Prozent der Jugendlichen ihre Schullaufbahn ohne Abschluss beendet. Diese bereits ohnehin viel zu hohe Zahl hat zum Ende des Schuljahres 2023 mit 11,4 Prozent einen neuen, traurigen Höchststand erreicht. Dies verringert die Zukunftschancen von rund 2.500 Jugendlichen. Ihr Bildungsmisserfolg ist aber auch eine verpasste Chance und ein Problem für die gesamte Gesellschaft.

Das gilt gerade in Zeiten des zunehmenden Fachkräftemangels. Mehr als zwei Drittel der jungen Menschen ohne ESA erhalten keinen Ausbildungsplatz. Die Wahrscheinlichkeit von Arbeitslosigkeit ohne Berufsausbildung ist sechsmal so hoch wie mit einer Berufsausbildung. Wenn diese jungen Menschen später eine Arbeit finden, laufen viele Gefahr, in prekären Beschäftigungsverhältnissen zu landen mit sehr niedriger Bezahlung, wenigen Arbeitsstunden oder geringer Arbeitsplatzsicherheit.

Das ist nicht akzeptabel und das muss sich ändern.

Ich wundere mich deshalb schon ein wenig über den Berichtsantrag der Koalitionsfraktionen, denn Sie wollen die genauen Daten und deren Analyse ja erst bis zum dritten Quartal 2025 haben. Die Probleme sind doch eigentlich hinlänglich bekannt: Wir sehen jetzt auch bei der IQB-Studie, dass, wenn man beim Grundschulalter viele Standards nicht erreicht, sich das auch immer auf die Abschlussquoten auswirkt. Inklusion und Integration funktionieren oft nicht richtigDie Schulsozialarbeit ist vielerorts ausbaufähigEs gibt noch immer keine flächendeckenden Sprachtests bei Kleinkindern und eine entsprechende Sprachförderung vor der Einschulung. Die Grundschulen müssen dringend gestärkt werdenDer landesweite Ganztagsausbau scheitert an der Landesregierung. All das spielt eine Rolle.

Meine Damen und Herren!

Wir wollen wieder deutlich mehr jungen Menschen einen Abschluss und damit bessere Chancen ermöglichen. Und ganz wichtig: Auch die jungen Menschen, die bisher ohne Abschluss sind, brauchen mehr Perspektiven. Sie dürfen nicht durchs Raster fallen.

Um dies zu erreichen, wollen wir folgende Vorschläge machen: Es braucht eine ,Landesstrategie Schulabschluss' unter Einbeziehung der relevanten Akteure einschließlich der Jugendaufbauwerke, um den Anteil von Schulabgängern ohne Abschluss schrittweise zu senken und Schulabgängern ohne Abschluss mehr Anschlussperspektiven zu geben. Spätestens 2034 sollen nicht mehr als 3 Prozent der Schülerinnen und Schüler die Schule ohne Abschluss verlassen und niemand mehr ohne Abschluss durchs Raster fallen.

Es braucht eine verpflichtende Erhebung und Feststellung von Sprachdefiziten bei den Vierjährigen und geeignete Fördermaßnahmen, mit denen diese behoben werden können. Dies könnte ggf. auch im Rahmen von verpflichtenden U8- und U9-Untersuchungen geschehen, wie es bereits in anderen Bundesländern der Fall ist.

Die Möglichkeiten der Schülerdatennorm müssen vollständig genutzt werden: Seit wenigen Jahren dürfen die Länder einen Datenaustausch mit der Bundesagentur für Arbeit (bzw. den Jugendberufsagenturen) über Schülerinnen und Schüler ohne Anschlussperspektive ermöglichen. Dies ist in Schleswig-Holstein noch nicht zum Abschluss gebracht worden. Es muss die vollständige Möglichkeit geben, dass die Bundesagentur für Arbeit – wenn sie diese jungen Menschen nicht erreicht – anschließend die Daten an eine vom Land Schleswig-Holstein zu bestimmende Stelle zurückgeben kann, um diesen Jugendlichen gezielte Angebote für eine Nachholung des Schulabschlusses, eine Ausbildung oder einen Eintritt in den Arbeitsmarkt zu machen.

Wir fordern die Einführung einer datensparsamen Schüler-ID, die Schülerinnen und Schüler zur Einschulung erhalten. Es soll geprüft werden, ob dafür vielleicht nicht auch die Steuer-ID genutzt werden und zu einer Bürger-ID weiterentwickelt werden könnte, um Doppelstrukturen und unnötige Bürokratie zu vermeiden. Es sollte geprüft werden, ob die Ko-Finanzierungen des Europäischen Sozialfonds Plus (ESF+) noch stärker auf das Thema Schulabgänger ohne Schulabschluss und Anschlussperspektiven für solche Jugendliche gelenkt werden können und mehr entsprechende Kooperationen mit den Handwerkskammern möglich wären. Und es braucht einfach mehr individuelle Förderung von leistungsschwachen Schülerinnen und Schülern: Um dies zu ermöglichen, sollen Lehrerinnen und Lehrer sich wieder mehr auf den Unterricht konzentrieren können und von Verwaltungstätigkeiten entlastet werden. Es braucht mehr Unterstützung bei der Inklusion und Integration. Die Schulsozialarbeit und die „Perspektivschulen“ müssen entsprechend gestärkt werden.

Das sind unsere Vorschläge als konstruktive Opposition. Bügeln Sie diese nicht einfach ab, sondern lassen Sie uns diese wichtige Diskussion im Ausschuss weiter vertiefen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

Sperrfrist Redebeginn!

Es gilt das gesprochene Wort.