Christopher Vogt zu TOP 15+18 "Bericht zum Ganztagsausbau in Schleswig-Holstein"

Christopher Vogt

In seiner Rede zu TOP 15+18 (Bericht zum Ganztagsausbau in Schleswig-Holstein) erklärt der bildungspolitische Sprecher und Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Christopher Vogt

Der weitere Ganztagsausbau wäre nicht nur eine bedeutende gesellschaftspolitische, sondern auch eine große bildungspolitische Chance, wenn die Landesregierung daran ein ernsthaftes Interesse hätte. Denn dass rund 20 Prozent der Grundschulkinder beim Lesen, Rechnen und Schreiben nicht mehr die Mindeststandards erreichen, ist katastrophal für die Chancen der einzelnen Kinder, aber auch für uns als Gesellschaft insgesamt. 

Deshalb müsste die Landesregierung eigentlich ein großes Interesse daran haben, dass diese Chance ergriffen wird. Leider deutet bisher alles darauf hin, dass die Bildungsministerin den Ganztagsausbau an die Wand fährt.

Für den bereits im Jahr 2026 startenden Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung, der ja bereits im Jahr 2021 beschlossen wurde, sind leider noch immer keine auch nur ansatzweise ausreichenden landesweiten (!) Vorbereitungen getroffen worden. Das erst kürzlich gestartete Investitionsprogramm ist bereits völlig überzeichnet, obwohl viele Schulträger offenbar noch gar keine Förderanträge gestellt haben.

Das postalische Antragsverfahren mit dem nächtlichen Auflauf von Kommunalvertretern vor der Investitionsbank in Kiel war eine Blamage für die Landesregierung und eine Zumutung für die Kommunen. Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass dieses unterdimensionierte Investitionsprogramm noch für sehr viel Ärger im Land sorgen wird. Obwohl es so spät gestartet wurde, wurde damit ja eigentlich auch der zweite Schritt vor dem ersten gemacht. Denn es fehlt bisher ein inhaltliches Konzept für den Ganztagsausbau, das diesen Namen verdienen würde. Was Ende November von der Ministerin präsentiert wurde, ist einfach nur ein schlechter Witz.

Obwohl die Erwartungen an die Bildungsministerin von Seiten der Beteiligten schon längst äußerst gering waren, wurden diese nun dennoch erneut enttäuscht. Es ist immer noch nicht klar, welches Personal im Ganztag eigentlich was genau tun soll.

Anderthalb Jahre vor dem Start des Rechtsanspruchs gibt es noch immer kein landesweites Konzept für das Sportangebot, die kulturelle Bildung oder eine schulische Nachhilfe am Nachmittag, weil die Landesregierung offenbar große Angst davor hat, dass sie wegen des Konnexitätsprinzips finanziell überfordert werden könnte.

Die Betriebskosten sollen nun vom Land zukünftig mit 75 Prozent bezuschusst werden. Aber die Landesregierung wird irgendwann – zumindest grob – definieren müssen, was bei diesen 75 Prozent alles bezahlt wird und was ggf. auch nicht.

Was die Kommunen sehr umtreibt, ist auch die Tatsache, dass nach wie vor eine erhebliche Unklarheit hinsichtlich der rechtlichen Zuständigkeit für den Anspruch besteht. Während die Landesregierung meint, die örtlichen Träger der Jugendhilfe würden für den Anspruch mit Blick auf das SGB VIII verantwortlich sein, sehen die kommunalen Landesverbände in der entsprechenden Vorschrift lediglich eine Aufgabenübertragung vom Bund an die Länder. Dabei haben sie meines Wissens gegenüber der Landesregierung mehrfach – auch gemeinsam – angeregt, schulgesetzlich die Schulträger zur Umsetzung des Anspruchs zu verpflichten. Denn die Träger der Jugendhilfe sind nach Auffassung der Landesregierung zwar Anspruchsverpflichtete, können aber aus dem Investitionsprogramm gar keine Mittel beantragen und sollen dies auch hinsichtlich der Betriebskosten nicht können, wenn ich es richtig sehe. Gleichzeitig könnten sie mangels einer Pflicht der Schulträger nicht auf diese einwirken und stünden dem möglichen Anspruch der Familien entsprechend ziemlich schutzlos gegenüber.

Die Landesregierung verweigert bisher eine gesetzliche Verpflichtung der Schulträger, obwohl die kommunalen Landesverbände meines Wissens ihr gegenüber deutlich gemacht haben, dass sie dabei keine (weitergehenden) Konnexitätsforderungen geltend machen würden, die über die grundsätzliche Vereinbarung aus dem Jahr 2023 hinausgehen würden.

Meine Damen und Herren! Die Kommunen fordern von der Landesregierung außerdem eine landesgesetzliche Regelung zu den Punkten Elternbeiträge, Sozialstaffel und Schließzeiten - oder besser gesagt: Öffnungszeiten. Aus meiner Sicht völlig zu Recht.

Die Regeln aus dem SGB VIII für die Erhebung von Elternbeiträgen und für die Sozialstaffel gelten ja bisher nicht für den schulischen Ganztag, so dass es – Stand heute – keine rechtliche Grundlage für die Erhebung einheitlicher Elternbeiträge gibt. Bislang werden Elternbeiträge im Ganztag auf Grundlage des Kommunalabgabengesetzes erhoben, welches aber nur gilt, weil der Ganztag aktuell ein freiwilliges Angebot ist, auf das noch kein Rechtsanspruch besteht. Auch für die Gewährung einer – zumindest aus unserer Sicht – notwendigen Sozialstaffel und einer Geschwisterermäßigung fehlt bisher eine landesrechtliche Grundlage.

Die Kommunen wünschen sich bei diesen wichtigen Themen Rechtssicherheit und faire Lösungen. Und das ist auch völlig berechtigt.

Dieser Streit mit den Kommunen muss von Seiten der Landesregierung jetzt endlich zufriedenstellend gelöst werden. Aber auch wenn man mit Mitgliedern der AG Ganztag aus den verschiedenen Verbänden usw. spricht, ist der Frust gegenüber der Landesregierung groß. Das passt alles überhaupt nicht zu dem Bild, das der Ministerpräsident heute Morgen zeichnen wollte. Mir ist absolut bewusst, dass es haushaltspolitisch derzeit wirklich schwierig ist. Aber wie es bisher gelaufen ist, ist es wirklich fahrlässig! Das, was bisher stattgefunden hat, ist völlig unzureichend.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

Sperrfrist Redebeginn!

Es gilt das gesprochene Wort.