Kultur/Matrosenaufstand

Christopher Vogt zu TOP 26 „100 Jahre Matrosenaufstand“

Christopher Vogt

In seiner Rede zu TOP 26 (100 Jahre Matrosenaufstand – für eine starke Demokratie!) erklärt der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Christopher Vogt:

„Das Ende des Ersten Weltkrieges, der von vielen Historikern ja als ‚Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts‘ bezeichnet wird, jährt sich dieses Jahr zum einhundertsten Mal und damit einhergehend auch die Geschehnisse zum Kriegsende in Kiel, die damals Weltgeschichte geschrieben haben. Das Ende dieses schrecklichen Krieges nahm also auch ganz maßgeblich hier in Kiel seinen Anfang.

Kiel war damals Schauplatz des Matrosenaufstandes, den wir heute mit einem gemeinsamen Antrag würdigen, was ich für ein gutes Signal halte. Dieser Aufstand war zunächst vor allem ein Fanal gegen den Krieg. Nach vier Jahren Krieg hatten viele Soldaten und auch weite Teile der Zivilbevölkerung genug vom sinnlosen Töten, das zu dem Zeitpunkt bereits Millionen von Menschen das Leben gekostet hatte. Die Matrosen, die mit ihren Schiffen in Wilhelmshaven und Kiel vor Anker lagen, sahen keinen vernünftigen Grund darin, in einem Himmelfahrtskommando gegen England ihr Leben zu verlieren. Sie erhoben sich deshalb gegen ihre Vorgesetzten. Das war eine sehr mutige Entscheidung, weil dies natürlich ebenfalls sehr gefährlich war.

Der Matrosenaufstand war mehr als ein militärhistorisches Ereignis. Er hatte gravierende politische Folgen. Der Aufstand traf auch in anderen Teilen Deutschlands auf Widerhall. An vielen Orten bildeten sich revolutionäre Räte und nicht wenige Menschen begehrten gegen die überholte Ordnung auf. Geschichte verläuft ja oft in Brüchen. Es war damals im November 1918 noch überhaupt nicht abzusehen, welche Gestalt eine neue Ordnung haben würde. Was dann auf den Aufstand folgte, war die Flucht des Kaisers ins holländische Exil. Deutschland wurde zur Republik, das Reich kapitulierte und der Krieg war zu Ende. Von Kiel ging damit ein wesentlicher Anstoß zur Beendigung des Krieges, zum Ende des Kaiserreiches und zur Aufhebung des Adelsstandes aus. Alles sehr erfreuliche Entwicklungen, auch wenn Letzteres offenbar noch nicht von allen Beteiligten vollständig realisiert wurde.

Der Matrosenaufstand trug auch zu einer weiteren Demokratisierung Deutschlands bei. Mit den sogenannten Oktoberreformen hatte sich das Reich bereits kurz vor dem Kieler Aufstand in eine Parlamentarische Monarchie verwandelt. Doch erst unter dem Druck der Matrosen und der Revolutionäre im ganzen Land wurde unter heftigen Geburtswehen der Schritt zu einer demokratischen Republik vollzogen, mit dem Wahlrecht für alle – eben auch für Frauen, was wir hier heute ebenfalls feiern können. Es ist absolut lohnenswert, sich immer wieder an die damaligen Ereignisse und Entwicklungen zu erinnern. Nicht nur weil Kiel ausnahmsweise einmal im Fokus des Weltgeschehens lag, sondern weil es sich um einen echten Umbruch in unserer Geschichte gehandelt hat, der viel Gutes gebracht hat.

Der Kieler Matrosenaufstand spielte lange Zeit nur eine vergleichsweise geringe Rolle in unserem kollektiven Gedächtnis. Das sollte sich ändern. Die Ausstellungen, die an die Geschehnisse des Jahres 1918 erinnern, wollen wir daher – soweit möglich und sinnvoll – der Öffentlichkeit weiter zugänglich machen. Wenn wir zum Beispiel Texte und Exponate digitalisieren, können wir sie überall und für jeden abrufbar machen. Das wäre eine gute und zukunftsfähige Lösung, wie ich finde, um die Ereignisse von 1918 nicht zu vergessen. Ich habe schon im Vorfeld der Debatte festgestellt, dass die historische Bedeutung des Matrosenaufstandes hier im Hohen Hause durchaus unterschiedlich bewertet wird. Das ist politisch ja auch irgendwie nachvollziehbar und nicht weiter dramatisch. Was uns aber sicherlich eint, ist die Tatsache, dass uns dieses Ereignis von vor 100 Jahren auch in diesen bewegten Zeiten einige wesentliche Dinge wieder vor Augen führt: Wir können alle miteinander sehr froh sein, dass wir heute leben und nicht damals. Heute könnte es wohl nur noch einen Aufstand der Marineangehörigen geben, weil es an einsatzbereiten Schiffen mangelt. Die entscheidende Botschaft für meine Fraktion lautet: Frieden, Freiheit und Demokratie haben einen extrem hohen Wert, sind aber leider nicht selbstverständlich, sondern müssen immer verteidigt oder erkämpft werden.“

Es gilt das gesprochene Wort!