Christopher Vogt zu TOP 28+43 "Inklusion an Schulen"

Christopher Vogt

In seiner Rede zu TOP 28+43 (Inklusion an Schulen) erklärt der bildungspolitische Sprecher und Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Christopher Vogt:

Die Umsetzung der Inklusion ist eine der größten Herausforderungen im Schulsystem unseres Bundeslandes. Ich denke, uns allen ist die Bedeutung einer gelingenden Inklusion bewusst: Jedes Kind soll – unabhängig von seinen individuellen Voraussetzungen – die bestmögliche Förderung und Teilhabe am schulischen Leben erfahren. Ich finde den Inklusionsgedanken ethisch völlig richtig und sehr erstrebenswert.

Die Praxis an unseren Schulen zeigt jedoch, dass bei der Inklusion Anspruch und Wirklichkeit zum Teil sehr weit auseinander liegen. Ich wundere mich immer wieder, wenn sich die Inklusionsdebatten – auch hier im Hohen Hause – vor allem um die Inklusionsquote drehen, die in Schleswig-Holstein höher ist als anderswo im Bundesgebiet. Das ist doch aber, mit Verlaub, kein Wert an sich, wenn die Inklusion mangels Ressourcen zulasten aller Beteiligter umgesetzt wird.

Ich stelle in vielen Gesprächen immer wieder eine große Erschöpfung an unseren Schulen – vor allem natürlich an den Gemeinschaftsschulen – fest, wenn es die Beschulung der sehr heterogenen Schülerschaft im Klassenverbund geht:

  • Es fehlt allzu oft vor allem an den personellen Ressourcen, um die Inklusion angemessen umzusetzen. Speziell ausgebildete Fachkräfte wie Sonderpädagogen sind an den Schulen oft nicht in ausreichender Zahl vorhanden, um den individuellen Bedürfnissen der Schüler gerecht zu werden.
  • Viele Lehrkräfte fühlen sich nicht ausreichend ausgebildet für diese komplexe Aufgabe, insbesondere im Umgang mit spezifischen Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler – zumal es ja auch immer noch Aufholbedarfe durch die Pandemie und oft auch große Herausforderungen durch die notwendige Integration gibt.
  • Obwohl das Bewusstsein für die Bedeutung einer inklusiven Bildung gestiegen ist, fehlt es häufig an spezifischem Wissen und Methoden, um Inklusion im Schulalltag erfolgreich umsetzen zu können.
  • Die notwendige individuelle Förderung kommt oftmals leider viel zu kurz. Dies führt dazu, dass die Potenziale der Inklusion nicht vollständig ausgeschöpft werden können und die Qualität des Unterrichts für alle Schülerinnen und Schüler leidet.
  • Es gibt vielerorts auch Defizite bei der Infrastruktur: Viele Schulgebäude sind noch nicht in ausreichendem Maße auf eine inklusive Beschulung ausgelegt, was ebenfalls für Probleme sorgt.
  • Ein weiteres Problem ist die ineffiziente Ressourcennutzung: Es fehlt ja fast überall Personal, aber im Unterricht sitzen nicht selten drei Schulbegleiter. Mir scheint eine Reform der Schulbegleitung dringend angezeigt zu sein.
  • Es braucht meines Erachtens auch insgesamt eine Reform, was die verschiedenen Berufsgruppen angeht, die mittlerweile in einer Schule tätig sind und teilweise verschiedene Dienstherren haben. 

Schulen müssen zu Lernorten werden, die allen Kindern gerecht werden, unabhängig von ihren physischen, kognitiven oder sozial-emotionalen Voraussetzungen. Ich plädiere aber auch für mehr Realismus. Wir müssen Druck aus dem System Schule nehmen. Es wird zu Recht viel über neue Wege bei der Lehrkräftegewinnung diskutiert. Da muss ohne Frage viel passieren, damit wir in Zukunft ausreichend Fachkräfte haben werden.

Ich bin aber auch der Überzeugung, dass es eine zunehmend wichtige Aufgabe für die Landesregierung werden wird, die aktuellen Lehrkräfte besser zu motivieren und zu unterstützen, damit sie überhaupt in ihrem Job bleiben. Und vielleicht auch nicht mehr so sehr auf Teilzeitstellen gehen. Es muss natürlich auch darum gehen, die Schulsozialarbeit zu verbessern und mehr Sonderpädagogen an die Schulen zu bringen. Diese müssen dann aber auch regional gleichmäßig im Land verteilt werden, was bereits bei den Lehrkräften eine sehr große Herausforderung ist. Ich bin dafür, dass die Förderzentren wieder gestärkt werden. Und ich halte es auch für sinnvoll, an den Gemeinschaftsschulen ab einer bestimmten Klassenstufe auf abschlussbezogene Klassen zu setzen, um die Förderung besser hinzubekommen. Ich weiß, dass das einige hier ganz furchtbar finden, man wird aber meines Erachtens darüber sprechen müssen, um den Druck aus dem System zu nehmen. Die Infrastruktur muss selbstverständlich weiter verbessert werden und die Aus- und Fortbildung ebenfalls.

Die Umsetzung der Inklusion ist in Schleswig-Holstein meines Erachtens auf keinem guten Weg und teilweise auch schlichtweg gescheitert. Als Sparmodell wird es schlichtweg nicht funktionieren. Bei den Kindern und Jugendlichen mit körperlichen Einschränkungen funktioniert es mittlerweile oft sehr gut, aber in den anderen Bereichen sehe ich die Umsetzung sehr kritisch und deshalb kann es kein 'Weiter so' geben. Es braucht eine ganz Reihe an Korrekturen.

Uns überzeugt deshalb weder der vorliegende Koalitionsantrag noch der Antrag von SPD und SSW, aber es stehen jeweils diskussionswürdige Punkte drin, die wir in einer Ausschussbefassung vertiefend beraten sollten –  gern auch mit Menschen aus der schulischen Praxis."

 

Sperrfrist Redebeginn!

Es gilt das gesprochene Wort.