Christopher Vogt zu TOP 34 „30 Jahre Deutsche Einheit: Erinnern, bewahren und Blick nach vorne richten“

Fraktionsvorsitzender Christopher Vogt

In seiner Rede zu TOP 34 (30 Jahre Deutsche Einheit: Erinnern, bewahren und Blick nach vorne richten) erklärt der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Christopher Vogt:

„Bald dürfen wir 30 Jahre Wiedervereinigung feiern. Das ist quasi eine ganze Generation. Die DDR gab es rund 40 Jahre, die Mauer 28 Jahre. Wir werden den 3. Oktober ja leider nicht so feiern können, wie es eigentlich angemessen wäre. Wir sollten dieses Jubiläum dennoch nutzen, um uns gemeinsam über den Glücksfall der Wiedervereinigung zu freuen. Wir sollten uns an die schmerzhafte Zeit der Teilung erinnern, zurückblicken auf das, was wir seitdem gemeinsam geschafft haben und wir sollten optimistisch in die Zukunft blicken.

Die Wiedervereinigung, mit der ja auch ein neues Kapitel für unseren Kontinent einherging, ist allen Unkenrufen und Problemen zum Trotz eine Erfolgsgeschichte. Auch wenn man nach 30 Jahren noch feststellen muss, dass die ‚Mauer in den Köpfen‘ teilweise noch vorhanden ist und es noch immer nennenswerte Unterschiede wirtschaftlicher, kultureller und damit eben auch politischer Art zwischen unseren Landesteilen in Ost und West gibt, zeigt die Zwischenbilanz doch eine enorme Kraftanstrengung sehr vieler Menschen – vor allem in Ostdeutschland.

Natürlich wurden auf diesem Weg auch Fehler gemacht, schließlich gab es für diesen Prozess keine wirklichen Erfahrungswerte. Aber anstatt vor allem über Missstände zu schimpfen, sollten wir auch mehr Verständnis dafür entwickeln, dass eine unterschiedliche Geschichte auch unterschiedliche Prägungen bei den Menschen bedeutet. Wir sollten gemeinsam mehr Stolz für das Erreichte entwickeln und uns neue Ziele setzen. Dazu gehört für mich auch die Erkenntnis, dass es mittlerweile auch in Westdeutschland Regionen gibt, die bei der Entwicklung von Infrastruktur und Wirtschafts-struktur mehr Unterstützung brauchen, während es im Osten zum Glück auch sehr starke Regionen gibt.

Die Teilung war die Folge des von uns Deutschen ausgelösten Zweiten Weltkrieges, der unendlich viel Leid gebracht hat. Die Menschen im Osten unseres Landes hatten für die Verbrechen Nazi-Deutschlands nach dem Krieg einen deutlich höheren Preis zu zahlen als wir im Westen. Die Geschichte unseres Landes und ein Blick auf das Geschehen in vielen Ländern auf der Welt sollten uns allen verdeutlichen, dass Demokratie, Rechtsstaat und Soziale Marktwirtschaft alles andere als selbstverständlich sind. Sie sind die Voraussetzung für unsere Freiheit und müssen des-halb immer wieder aufs Neue verteidigt werden. Gerade wir Deutsche sollten uns noch stärker an die Seite der mutigen Menschen in Hongkong oder Belarus stellen. Sie erinnern uns an die mutigen Menschen, die 1989 in der DDR für ihre Freiheit auf die Straße gegangen sind. Zum Glück hatten sie mit der friedlichen Revolution Erfolg.

Die DDR war Ende der achtziger Jahre wirtschaftlich und politisch auch schlichtweg komplett ruiniert – moralisch war sie es eigentlich von Anfang an. Wir haben vor 30 Jahren eben nicht nur die Teilung überwunden, sondern auch ein sozialistisches Unrechtsregime auf deutschem Boden – mit einem unglaublichen Ausmaß an staatlicher Überwachung, Drangsalierung, und Zersetzung und mit der Mauer, die eigentlich ein menschenverachten-der Todesstreifen mit Minen, Selbstschussanlagen und Grenztruppen mit Schießbefehl war. Daran gibt es nichts zu relativieren! Viele Menschen lei-den noch heute unter den perfiden Methoden der sogenannten Staatssicherheit und es war die absolut richtige Entscheidung, dieses dunkle Kapitel mit Hilfe der Gauck-Behörde intensiv aufzuarbeiten.

Ich halte es für absolut angemessen, dass wir uns auf einen gemeinsamen Antrag verständigt haben. Die gemeinsame Beleuchtung der Geschichte ist ja immer ein interessantes Unterfangen. Uns war unter anderem wichtig, dass wir auch die großen Verdienste der USA bei der Wiedervereinigung würdigen. Aber wir hatten eben auch das Glück, dass es in der Sowjetunion einen Michail Gorbatschow gab, und dass unsere europäischen Nachbarn ihren Segen gegeben haben, auch wenn die Skepsis vor einem wiedervereinigten Deutschland teilweise noch immer groß war. Die neue Ostpolitik von Willy Brandt und Walter Scheel mit dem Wandel durch Annäherung war sehr wichtig, aber auch das unbeirrte Festhalten vor allem der Union an der Wiedervereinigung. Die zupackende Art von Helmut Kohl in der Wendezeit gilt es zu würdigen, aber die Helden bleiben natürlich die damaligen Demonstranten in Leipzig, Berlin und anderswo. Es berührt mich noch heute, wenn ich die Worte von Hans-Dietrich Genscher auf dem Prager Botschaftsbalkon und den Jubelschrei der Menschen höre, die auf das Botschaftsgelände geflüchtet waren.

Ich war 1990 sechs Jahre alt und ich kann mich relativ gut an die Wendezeit erinnern. Auch bei uns wurde damals übrigens auch eine Familie wiedervereinigt. Statt Verklärung brauchen wir mehr Aufklärung für die heutige Jugend. Da sind vor allem die Schulen gefragt und am besten eignen sich da meines Erachtens der Besuch von Erinnerungsorten und das Gespräch mit Zeitzeugen. Heute hat der FSJler unserer Fraktion Geburtstag. Er ist 19 Jahre alt und damit nach dem 11. September 2001 geboren worden. Wir sind es dieser Generation schuldig, noch mehr mit ihr über unsere Geschichte und die Lehren daraus zu sprechen.“