Heute wurden im Kieler Landtag zum zweiten Mal Experten rund um das Thema Corona angehört. Der Fokus lag diesmal auf dem schleswig-holsteinischen Perspektivplan mit Öffnungsschritten, den die Landesregierung im Januar vorgeschlagen hatte. Zu den epidemiologischen und gesellschaftlichen Aspekten erklärt der gesundheits- und sozialpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Dennys Bornhöft:
„Unser Perspektivplan bildet eine sehr gute Grundlage für den Umgang mit der Pandemie, das haben die Experten heute bestätigt. Beruhigend ist auch, dass schon die heutigen Maßnahmen effektiv auch gegen die Virus-Mutationen wirken. Einer vorsichtigen Öffnung bei sinkenden Inzidenzen steht also nichts entgegen. Deshalb werden wir die Bereiche Gastronomie, Einzelhandel, Sport, Bildungsstätten oder der Inlandstourismus diskutieren müssen.
Nur mit Perspektiven und einer klaren Kommunikation kann die Akzeptanz bei der Bevölkerung aufrechterhalten werden. Deshalb ist es wichtig, dass Politik der sozialen Marktwirtschaft vertraut und kreativen Ideen im Umgang mit der Pandemie eine Chance gibt. Langfristig müssen wir uns auf ein Leben mit dem Virus einstellen, die No-Covid-Strategie ist ein Irrweg, da waren sich die Experten einig.“
Zu den Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche sowie auf den Bildungssektor erklärt die stellvertretende Vorsitzende und familien- und bildungspolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion, Anita Klahn:
„Die Abwägung zwischen dem Gesundheitsschutz und der Chancengerechtigkeit unserer Kinder und Jugendlichen ist keine einfache. Eine Lösung haben auch die heute gehörten Experten nicht. Bestätigt wurden wir darin, dass Schule und Kita für Kinder mehr als nur ein Ort der Wissensvermittlung sind. Sie benötigen die sozialen Kontakte und außerfamiliären Bindungen für ihre persönliche Entwicklung. Und Familien benötigen diese Unterstützung um ihrer beruflichen Tätigkeit nachgehen zu können, mit der sie die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Familie abzusichern.
Der Stufenplan ist auch in den Bereichen Kita und Schulen ein guter Ansatz und gibt Verlässlichkeit. Außerdem ist es dringend nötig, die Schulen für digital gestützte Unterrichtsmodelle noch besser auszustatten. Fehlende technische Infrastruktur darf für den persönlichen Bildungserfolg kein Kriterium sein. Daher brauchen die Bundesländer dringend die Unterstützung des Bundes für die Ausstattung der Bildungseinrichtungen.“
Zu den wirtschaftlichen Aspekten der Umsetzung des Perspektivplans erklärt der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Kay Richert:
„Dass die 35 die neue 50 ist, halten nicht nur wir, sondern auch Wirtschaftsexperten für keine glorreiche Idee. Das schafft zum einen Verdruss bei den Menschen, übersieht aber auch, dass es unterschiedliche Öffnungsgrade geben muss, wenn man vorsichtig öffnen will. Beherzigen sollten wir den berechtigten Hinweis auf die ungleiche Verteilung der Pandemiebelastungen und die Warnung vor einem zu einseitigen Blick auf Inzidenzwerte. Denn unser richtiger Ansatz, mehr zu testen, führt natürlich auch dazu, dass mehr positive Ergebnisse erfolgen werden und somit die Inzidenz auf dem Papier steigt. Wir teilen die Aussage des Experten, dass kein Corona-Test absolute Sicherheit bieten wird. Deshalb werden wir den Gedankenanstoß, künftig zwei Tests durchzuführen, um eine höhere Validität zu erreichen, in unsere weiteren Überlegungen mit einbeziehen. Unsere Kritik an den Hilfsprogrammen, die die erzwungenen Betriebsverbote kompensieren sollen, wurde voll bestätigt.“
Jan Marcus Rossa, rechtspolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, ergänzt zur Experten-Einschätzung der rechtlichen Aspekte:
„Der Ruf nach einer stärkeren Beteiligung der Landesparlamente ist in den letzten Wochen immer lauter geworden. Auch in Schleswig-Holstein haben wir uns Gedanken darüber gemacht, wie der Infektionsschutz durch eine landesgesetzliche Regelung begleitet und rechtssicher gemacht werden kann. Die heutige Anhörung hat jedoch gezeigt, dass der Bundesgesetzgeber den durch die Verfassung gewährten Handlungsspielraum für die Landesparlamente extrem eingeschränkt hat. Die Vierwochenfrist für Infektionsschutzregelungen auf Landesebene hat letztlich die Konsequenz, dass entsprechende Gesetze in einem ordentlichen parlamentarischen Verfahren nicht mehr erlassen werden können.
Man muss sich vor diesem Hintergrund deshalb die Frage stellen, ob die Fristenregelung in §28a Abs. 5 IfSG in unzulässiger Weise die Rechte der Landesparlamente aus Art. 80 Abs. 4 GG faktisch einschränkt. Denn mit solch kurzen Fristen ließen sich verordnungsvertretende Gesetze in Zukunft wirksam verhindern. Einen solchen Eingriff in die verfassungsmäßigen Rechte der Länder durch einfaches Bundesrecht finde ich hoch problematisch.“