In seiner Rede zu TOP 12+33 (Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Auflösung der Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein – Erste Lesung – und Beiträge für die Pflegeberufekammer übernehmen) erklärt der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Dennys Bornhöft:
„Beginnen möchte ich mit einer Danksagung. Mein Dank geht vor allem an die ehrenamtlichen Mitglieder der Kammergremien, die ihre Freizeit damit verbracht haben, sich Gedanken über die Weiterentwicklung des Berufsstandes zu machen. Mein Dank gilt auch den Mitarbeitern bei der Umsetzung des gesetzlichen Auftrages. Danken möchte ich ebenso jenen, die das Unbehagen in der Pflege kanalisiert und basisdemokratisch organisiert haben und ebenfalls einen Großteil ihrer Freizeit für friedlichen und kreativen Protest verwandt haben und zu einer Graswurzelbewegung wurden.
Ich möchte auf die Historie eingehen, die zeigt, dass schon zu Beginn der Kammer nachhaltige politische Fehler gemacht wurden. Die damalige SPD-geführte Landesregierung hat sich Ende 2012 auf den Weg gemacht, eine Pflegekammer zu gründen. Diese Körperschaft des öffentlichen Rechts mit hoheitlichen Befugnissen hatte das Ziel, eine ‚starke Stimme‘ für die Pflege zu sein und den Berufsstand fortzuentwickeln. Das sind eherne und auch richtige Ziele. Ob eine Berufskammer, die sonst eher für überwiegend freiberufliche Professionen als Aufsicht geschaffen wurde, dafür das richtige Instrument ist, ist die große Frage. 2013 führte SPD-Ministerin Kristin Alheit eine Umfrage bei 1.170 examinierten Pflegekräften durch. Schon hier gab es Berichte über Unmut der Pflegenden sowie über die Art und Weise der Auswahl zur Teilnahme. Das Ergebnis fiel denkbar knapp aus. Auf die Frage, ‚Wie bewerten Sie die Errichtung einer Pflegekammer?‘ antworteten 51 Prozent mit ‚finde ich gut‘. Wer jedoch in die Unterfragen schaute, stellte schnell fest, dass bei den vermeintlichen Befürwortern auch einige angegeben haben, dass sie eine Beitragspflicht ablehnen. Damit hätte es für eine Kammer, deren Wesen die Pflichtmitgliedschaft und der auskömmliche Pflichtbeitrag qua Gesetz ist, schon hier keine Mehrheit gegeben. Nichtsdestotrotz hat die damalige Landesregierung 2015 mit der Errichtung der Kammer durch Gesetz begonnen, deren Gründungsprozess zu Beginn 2018 abgeschlossen wurde.
Von da an wurden die Proteste der Pflegenden von Monat zu Monat größer, sie formierten sich in den sozialen Medien als auch auf der Straße. Ebenso wurde der Unmut größer, da die ‚starke Stimme‘ nicht als Vertretung der Berufsinteressen der Pflegekräfte empfunden wurde. Dieser dauerhafte Protest, der 2019 mit fast 1.000 Personen vor dem Landtag und tausenden Unterschriften einen seiner Höhepunkte erreichte, war nicht ohne Wirkung. Demonstrationen gab es bis zum Corona-Lockdown fast wöchentlich im ganzen Land verteilt. Die ‚starke Stimme‘ wurde so zum großen Störfaktor der Pflegekräfte und brachte sogar mehr Mobilisierung als bei der Verhandlung über Arbeitsbedingungen oder Gehälter. Dass tausende Pflegekräfte ihren Erholungsurlaub damit verbringen, gegen die Körperschaft, die prinzipiell für die Vertretung ihrer Interessen geschaffen wurde, immer wieder auf die Straße zu gehen, konnte die Landespolitik nicht nur zur Kenntnis nehmen. Eine Interessensvertretung kann nur funktionieren, wenn sie die Mehrheit der Mitglieder auch hinter sich weiß. Durch die gesetzliche Pflichtmitgliedschaft war eine Abstimmung mit Füßen nur durch das Ausscheiden aus dem Beruf in Schleswig-Holstein möglich – beim Fachkräftemangel ein eher bedrohliches Szenario.
Uns Freien Demokraten war es wichtig, dass nicht nur 1.170 auserlesene Pflegende sich entscheiden konnten, sondern alle. Die Pflege muss selbst entscheiden, ob der Landesgesetzgeber ihnen eine Kammer mit Pflichtmitgliedschaft und Pflichtbeitrag auferlegt, um dann mit dieser Körperschaft ö.R. den Berufsstand zu stärken. Wie gesagt, eine Interessenvertretung, die nicht genug Rückhalt der Mitglieder hat, kann nicht funktionieren. Die Kammer hat vom Land drei Millionen Euro nachträgliche Anschubfinanzierung bekommen und hat den Auftrag erhalten, eine Vollbefragung durchzuführen. Bei 75 Prozent Wahlbeteiligung haben fast 92 Prozent für die Auflösung gestimmt. Das Ergebnis war so eindeutig, dass der Landesgesetzgeber diesen Auftrag von rund 16.000 examinierten Kräften umzusetzen hat. Die Pflegeberufekammer wird somit noch in 2021 aufgelöst.
Ich wünsche mir und werde auch gerne daran mitarbeiten, dass die Pflegekräfte eine Vertretung finden oder gründen, mit der sie gemeinsam auf die Straße gehen würden und nicht gegen sie. Also eine Vertretung mit großem Rückhalt und möglichst der Kompetenz, an den Arbeitsbedingungen auch wirklich was verändern zu können. Die Form sollte aber nicht von der Politik vorgeben werden, erst recht nicht, wenn die betroffene Berufsgruppe nicht oder zu wenig beteiligt wird. Diese Herangehensweise der Politik, zu wissen glauben, was eine Berufsgruppe für sich braucht, wurde von Beginn an vom Landesgesetzgeber falsch angepackt. Dieses Modell ist – nicht nur in Schleswig-Holstein – gescheitert.“
Es gilt das gesprochene Wort!