„Der Impfstart in Deutschland und Europa verlief holprig. Das größte Manko seit Anbeginn und leider auch Weiterhin ist die geringe Menge Impfstoff, die nach Deutschland und somit in die Bundesländer geliefert werden. Dabei waren die Bundesländer, Kreise und die freien Wohlfahrtsverbände, Feuerwehren etc. sehr gut vorbereitet. Generalstabsmäßig wurden binnen kürzester Zeit Impfzentren aus dem Boden gestampft. Es steht prinzipiell alles bereit, personell wie organisatorisch. In unseren Impfzentren in Schleswig-Holstein könnten wir pro Woche knapp 100.000 Personen impfen, wenn, ja wenn nur der Impfstoff entsprechend vorhanden wäre.
Die Kritik am Beschaffungsmanagement der Bundesregierung, aber auch an der Europäischen Kommission wird von Tag zu Tag lauter. Über das Wochenende war bei NDR Info zu hören, dass die EU-Kommission erst deutlich später zu Vertragsabschlüssen kam, weil sie möglichst wenig pro Impfdosis zahlen wollte. Ein geringerer Preis als der, den USA, Großbritannien oder Israel zahlen, sei wichtig gewesen. Der vermeintliche Skaleneffekt, da man ja für über 400 Millionen Menschen bestellt – sprich große Menge zu kleinem Einzelpreis – ist bei einem Produkt wie diesem Impfstoff, der neu und vor allem nur in knappen Mengen am Markt ist, jedoch hinderlich. Vielmehr geht es hier um den Faktor Zeit, sprich die schnelle Verfügbarkeit. Was nützt es uns als Gesellschaft oder als Staat, wenn eine Impfdosis nun eher zwölf statt 20 Euro kostet, wir aber den Lockdown entsprechend deutlich länger aushalten müssen? Der Staat gibt Milliarden aus, um die Unternehmen zu finanzieren, die staatlich geschlossen wurden. Wobei die Bundesregierung bisher mehr verspricht, als dass wirklich Geld an die Selbstständigen ausbezahlt wird – momentan ist es für Wirtschaftsminister Altmaier also eher günstig: Wo kein Geld ausgegeben wird, da sind ja auch keine Kosten. Eine Grundimmunität der Bevölkerung ist der einzige dauerhafte Ausweg aus der Pandemie und somit auch der Ausweg aus ständigen Lockdowns und einer Staatsverschuldung durch Wirtschaftshilfen und wegbrechenden Einnahmen. Priorität eins für das politische Engagement und die Staatsgelder sollten daher Instrumente haben, die Lockdowns verhindern können. Das heißt: Impfen statt Schulschließungen, Berufs- oder Kontaktverbote.
Hier in Schleswig-Holstein, mit der Jamaika-Koalition um Gesundheitsminister Heiner Garg, wurde diese Wichtigkeit des Impfens erkannt und entschieden gehandelt. Schon im Sommer hat der Minister im Ausschuss berichtet, dass sich das Land bereits um Impfbesteck etc. kümmere, obwohl nicht klar war, ob und wann Impfstoffe verfügbar sind. Man wollte nicht, dass es Impfstoff gibt, aber keine Nadeln, um ihn zu verabreichen. Schleswig-Holstein hat mit extremer Voraussicht agiert. Das sieht man auch daran, wie schnell die Impfzentren organisatorisch einsatzbereit waren – es fehlte nur der Impfstoff. Schleswig-Holstein ist seit Wochen im Bundesländervergleich unter den Top drei bei den Impfungen. Wenn wir Impfstoff haben, wird dieser auch sofort an Mann und Frau gebracht. Über 85.000 Menschen haben die Erstimpfung bereits erhalten, fast 2.800 die Zweitimpfung. Wir haben das allergrößte Interesse daran, dass möglichst viele Menschen in diesem Land so schnell wie möglich geimpft werden. Die Nachfrage in der Bevölkerung ist groß und es ist natürlich frustrierend, dass man teilweise Wochen und Monate warten muss, bis man dran ist. Ich persönlich würde mich am liebsten gestern als heute impfen lassen; insofern teile ich persönlich den Frust über die zu geringen Mengen gelieferten Impfstoffs.
Natürlich müssen sich alle Akteure fragen, was man besser machen kann. Manche Beispiele aus anderen Ländern lassen einen aber eher aufhorchen: Die Reihenfolge der Terminvergabe nach Alphabet, die Schätzung des Alters einer Person anhand des Vornamens, da Meldedaten von einem privaten Dienstleister nicht genutzt werden dürfen, die massenhafte Absage von zugesagten Impfterminen, weil mehr Termine vergeben wurden als Impfstoff da war. Leider sind die stationären Einrichtungen mit alten Menschen am stärksten von der Corona-Pandemie betroffen. Die Datenlage zeigt, dass dort die schweren Krankheitsverläufe und das höchste Risiko für einen tödlichen Verlauf vorliegen. Der Fokus auf mobile Impfteams, die dort möglichst schnell und flächendeckend impfen, ist daher der beste Ansatz.
Ich bin froh, dass wir in Schleswig-Holstein ein Terminverfahren haben, das schnell und leistungsstark ist, aber auch gerade für ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger noch einmal erleichtert wurde. Sie sehen also: Alles steht prinzipiell bereit. Eine Impfstruktur mit Impfzentren, eine Ausweitung der Impfteams, erweiterter Terminvergabe – nur mehr Impfstoff brauchen wir hier alle dringend.“