In seiner Rede zu TOP 38 + 44 (Regelmäßige Tests auf SARS-CoV-2 für Sozialberufe ermöglichen mit Bericht zum Corona-Virus und seinen Auswirkungen auf Schleswig-Holstein) erklärt der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Dennys Bornhöft:
„Der Umgang mit einer unbekannten Gefahr, mit einem neuen Gegner ist geprägt von Unsicherheiten, stetig neuen Erkenntnissen sowie leider natürlich auch dem Widerlegen von bisherigem Wissen.
Wirkt sich Corona nur wie eine alljährliche Grippe aus, wie es einige im Februar dachten? Bringt ein Mund-Nasen-Schutz etwas oder bringt er nichts? Wie wirkt sich das Corona-Virus auf Kinder aus? Schädigt Covid-19 nur die Lunge oder auch andere Organe wie Niere, Leber oder Gehirn? Reicht die Virenlast im Atemaerosol aus, um andere anzustecken oder müssen es schon Tröpfchen sein? Aus letzterem Gedanken sind die 1,5 Meter Abstand entstanden. Die erste und richtige Reaktion war, die Möglichkeiten, dass Menschen, vor allem sich fremde Menschen, sich nahe kommen zu reduzieren, die Übertragungswege zu minimieren. Dies wirkte sich nicht nur auf den Konsum und das Freizeitverhalten aus. Großveranstaltungen wie die Kieler Woche, die heute Soundcheck gehabt hätten, sind verboten. Aber auch Alltäglicheres wie der Gang zum Hausarzt oder Fachärztin wurde weniger bzw. verschoben.
Nun ist es aber nicht so, dass aufgrund der Corona-Pandemie eine Krebserkrankung, Herz-Kreislaufleiden und weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht mehr stattfinden. Corona kommt sozusagen obendrauf. Das Verschieben oder nicht Wahrnehmen von Vorsorgeuntersuchungen oder das Vermeiden von Praxis- oder Klinikbesuchen, trotz akuter Beschwerden, aus Sorge, sich mit Covid-19 anzustecken, ist ebenfalls ein Risiko für die Gesundheit der Bevölkerung. Insofern kann man hier einen Appell an die Bevölkerung richten: Bitte gehen Sie zum Arzt, wenn Sie Beschwerden haben. Bitte nehmen Sie Vorsorge- und Kontrolluntersuchungen wahr, damit ein etwaiger Krankheitsverlauf frühzeitig therapiert werden kann.
Das Ganze hat auch finanzielle Auswirkungen auf die Praxen und Kliniken, da ihnen mit Ausbleiben von Behandlungen Einnahmen fehlen. Die hieraus resultierende finanzielle Schieflage des UKSH haben wir im Finanz- als auch im Sozialausschuss bereits erörtert bekommen. Die internationale Reaktion auf die Pandemie war eine überwiegend sehr schnelle Schließung der jeweiligen Ländergrenzen – auch für den Berufs- und Warenverkehr. Die globale Just-in-Time-Produktion und Lieferketten sind binnen kürzester Zeit kollabiert. Selbst der stabile europäische Binnenmarkt ist für eine gewisse Zeit zum Erliegen gekommen. Dies hat sich auch direkt auf medizinische Produkte ausgewirkt, so auf persönliche Schutzausrüstung oder teil-weise auch auf Medikamente. Hieraus müssen wir Lehren ziehen. Als Frei-er Demokrat bin ich ein Verfechter der Globalisierung, weil es weltweit viele Menschen aus der Armut gebracht hat und Wohlstand schafft. Spätestens jetzt wissen wir aber, dass es volkswirtschaftlich zu einem Problem werden kann, wenn gewisse Produkte fast ausschließlich aus einer Region für die ganze Welt hergestellt werden. Die Forderung, die Arzneiherstellung in Europa wieder zu stärken, gab es auch schon vor Corona. Pharmaforschung, -entwicklung und -produktion im europäischen Binnenmarkt ist gut. Politische Forderungen, nun z.B. Schutzausrüstung in Deutschland oder gar in Schleswig-Holstein für den Eigenbedarf herzustellen, sehe ich als Liberaler etwas kritischer. Besser ist es, wenn es genauere Vorgaben gibt, was das Vorhalten von Reserven für den Katastrophen- oder Pandemiefall betrifft. Diese Vorgaben müssen dann auch eingehalten werden, um Probleme bei Lieferketten überbrücken zu können.
Schleswig-Holstein hat im Bundesvergleich die geringsten Infektionsraten. Das heißt, dass wir, die Landesregierung, die Beschäftigten im Gesundheitswesen, im Einzelhandel, an sich fast alle Menschen in Schleswig-Holstein viel richtig gemacht haben. Ich möchte auch an dieser Stelle einen ausdrücklichen Dank an all die besonnenen Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner richten. Je konsequenter unser Verhalten dazu führt, dass sich der Virus nicht clusterförmig verbreitet, desto schneller werden wir auch wieder zu dem gesellschaftlichen Leben kommen, wie wir es 2019 noch hatten.
Ich möchte bei den Corona-Folgen einen Blick über Schleswig-Holstein hin-aus werfen: Das SARS-CoV-2-Virus allein ist schon für die menschliche Gesundheit sehr gefährlich. Seine weiteren Folgen und Auswirkungen sind es aber nicht minder. Mit der Corona-Pandemie ging auch eine Pandemie an Fake News um die Welt. Da waren zum einen harmlose Dinge dabei gewesen, die zu Hamsterkäufen von Knoblauch oder Klopapier geführt haben. Ich bin gespannt, ob bald bei Testamentsvollstreckungen der gänzlich mit Klorollen gefüllte Wohnungskeller für Nachlassstreitigkeiten sorgen wird. Bei Verschwörungstheorien waren und sind aber auch gefährliche Umtriebe dabei. In ihrer Ablehnung gegenüber Staat und Politik tun sich nun auch in Deutschland Reichsbürger, Esoteriker, Rechts- und Linksradikale zusammen, um sich zu widersetzen. Ich muss gestehen, dass ich mir ‚Gemeinsam gegen Corona‘ anders vorgestellt habe als diese unheilige Allianz von ganz links bis nach ganz rechts. Eine krude Truppe um einen gefeuerten Radiomoderatoren, einen geschassten Soulsänger und einen antisemitischen Kochbuchautor. Im heutigen Tagesspiegel ist zu lesen, dass Attila Hildmann Hitler bezüglich der Ermordung von Juden verteidigt habe. Dieser widerliche Antisemitismus gehört verurteilt. Dafür darf es keinen Platz in unserer Gesellschaft geben.
Wirtschaftsminister Buchholz hat gestern gesagt, er sei froh, dass er diese Pandemie in Deutschland und nicht anderswo erfahren muss. Das möchte ich bekräftigen. Schaut man sich an, wie andere Länder oder Regierungen der Pandemie begegnen, bzw. sie vielmehr nutzen. In Ungarn schleift Orban die Parlamentsrechte noch weiter, in Brasilien nutzt Bolsonaro die eingeschränkte Arbeit der Kontrollbehörde, um illegal mehr Amazonas-Regenwald abholzen zu lassen, in China schleift Xi Jingping das Prinzip ‚Ein Land – Zwei Systeme‘ und macht Hongkong zum West-Berlin des 21. Jahr-hunderts. Die Corona-Pandemie kam Festlandchina gelegen, konnten so doch die Demonstrationen in Hongkong gegen die Einflussnahme von Peking noch schneller unterdrückt werden.
Ja, ich kann wirklich sagen, ich bin sehr froh, dass wenn ich diese Pandemie schon erleben muss, ich sie in Deutschland und Schleswig-Holstein durchleben kann.“