„Die verfassungsrechtlich garantierte Versammlungsfreiheit gehört zu den unentbehrlichen Wesensmerkmalen unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung. Ihre herausragende Bedeutung zeigt sich darin, dass sie der Minderheit die Möglichkeit gibt, Meinungen öffentlich zu artikulieren, womit ihr eine ausgleichende Funktion in der von Mehrheitsentscheidungen geprägten repräsentativen Demokratie zukommt.
In welchem Zustand sich unser pluralistisches Gemeinwesen befindet, erkennt man denn auch am Umgang des Staates mit der Versammlungsfreiheit als politischem Teilhaberecht des Bürgers.
Ein Versammlungsrecht muss deshalb in erster Linie immer der Grundrechtsgewährung, mithin dem Schutz der Versammlung dienen.
Der von uns eingebrachte Gesetzentwurf hat diese Vorgabe ebenso berücksichtigt wie unser Änderungsantrag. Unser Ziel war es immer, den Rahmen des Versammlungsrechts möglichst weit zu fassen, um so die Gewähr für einen offenen und staatsfreien gesellschaftlichen Diskurs zu bieten.
Dass der Änderungsantrag der Regierungskoalition diese Linie im Wesentlichen übernommen und – wie alle anderen Fraktionen auch – auf eine politische Instrumentalisierung des Versammlungsrechts verzichtet hat, begrüßen wir ausdrücklich.
Aufgrund der großen inhaltlichen Schnittmenge halten wir den Entwurf in weiten Teilen auch für durchaus konsensfähig.
Versammlungsrecht hat aber auch immer die Funktion der Gefahrenabwehr.
Der Gesetzentwurf meiner Fraktion trägt dem Rechnung, indem er die Polizei mit Instrumenten ausstattet, um im Gefahrenfall nicht nur die öffentliche Sicherheit, sondern vor allem auch die Versammlung und deren Teilnehmer zu schützen. Wir wählen damit einen kooperativen und keinen repressiven Ansatz.
Und hier machen eben die Punkte, in denen Ihr Entwurf hinter unserem zurückfällt, eine Zustimmung nicht möglich.
Problematisch ist der Entwurf der Regierungsfraktionen allerdings nur in wenigen Punkten, auf die ich kurz eingehen möchte.
Einen effektiven Versammlungsschutz kann es nur geben, wenn wir der Polizei auch praxistaugliche Instrumente an die Hand geben. Deshalb halten wir den Verzicht auf Kontrollstellen für falsch. Richtig ist jedoch, dass es eine anlasslose, routinemäßige Einrichtung von Kontrollstellen nicht geben darf.
Bei Vorliegen einer unmittelbaren Gefahr für die Durchführung der Versammlung können Kontrollstellen aber durchaus sinnvoll sein.
Bei Vorkontrollen handelt es sich nämlich gar nicht um einen Eingriff. Weder die Teilnahme an der Versammlung noch deren Form oder Inhalt werden hierdurch tatsächlich beeinträchtigt.
Sie sind vielmehr Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und tragen damit zum Schutz der Versammlung bei. Durch die Kontrollen können etwa bekannte Gewalttäter erkannt werden und nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsgrundlagen dann am Betreten des Versammlungsorts gehindert werden. Die Kontrollen dienen also dazu, Personen, die ohnehin nicht unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit an einer Demonstration teilnehmen wollen, die Teilnahme zu verbieten und auf diese Weise die Versammlung vor einer späteren Auflösung zu schützen.
Wenn man aber ausgerechnet auf die polizeilichen Befugnisse verzichten würde, die letztlich das Versammlungsrecht stärken, dann konterkariert man letztlich die Versammlungsfreiheit bzw. deren Ausübung. Und daran ändert dann auch ein symbolträchtiger Titel des Gesetzes nichts.
In der Schlussabstimmung werden wir daher beim Entwurf der Regierungsfraktionen mit Enthaltung votieren.“