Justiz/Strafvollzug

Dr. Ekkehard Klug: Ein moderner Strafvollzug ist nicht zum Nulltarif zu haben

„Vor uns liegt vielleicht das schwierigste Gesetzgebungsvorhaben dieser Wahlperiode. Die Weiterentwicklung eines resozialisierungsfördernden Strafvollzugs ist sinnvoll und notwendig, denn sie eröffnet – potentiell – nicht nur den Strafgefangenen neue Chancen auf ein Leben außerhalb der Kriminalität, sondern sie gibt auch der Gesellschaft die Chance, künftig mit weniger Rückfalltätern konfrontiert zu sein. Der mögliche Nutzen liegt also für alle auf der Hand.

 

Auf der anderen Seite gebietet es allein schon die Fürsorgepflicht, auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Vollzugsdienst Arbeitsbedingungen zu gewährleisten, die ihre Sicherheit so gut wie möglich gewährleisten. Und hier hat die Geiselnahme, zu der es am vorigen Weihnachtstag in der JVA Lübeck gekommen ist, Einblicke eröffnet, die nachdenklich stimmen müssen. Die für diesen Bereich in Legislative und Exekutive verantwortlichen Personen sind in der Pflicht, diesen Aspekt bei den anstehenden Entscheidungen nicht außer Acht zu lassen.

 

Im Rahmen dieser fünfminütigen Debattenrunde ist es nicht möglich, dieses Spannungsverhältnis in allen Details auszuleuchten. Deshalb kann es hier nur um eine sehr allgemeine Bewertung der Probleme gehen, die sich mit dem Reformvorhaben ergeben.

 

Grundsätzlich ist festzustellen, dass die Ziele des Gesetzentwurfs nur dann erreicht werden können, wenn die zur Umsetzung erforderlichen personellen und baulichen Rahmenbedingungen gesichert werden können.

 

Dies führt auch zu der Frage, ob zum Beispiel die im Gesetzentwurf genannten Anforderungen an einen Ausbau der Sozialtherapie und die Umsetzung eines stärker ‚familienorientierten‘ Strafvollzugs seitens des Justizministeriums in hinreichender Form dargestellt worden sind – oder ob es hier nicht noch einen erheblichen Nachbesserungsbedarf gibt. Und es stellt sich natürlich die Frage, inwieweit diese unerlässlichen Anforderungen auch ihren Niederschlag in Anmeldungen der Landesregierung zum Landeshaushalt bzw. der mittelfristigen Finanzplanung finden.

 

Ich greife dazu ein Beispiel heraus: Für familienunterstützende Maßnahmen entstehen laut Gesetzesentwurf jährliche Kosten in Höhe von etwa 55.000 Euro. Hier stellt sich die Frage, ob dies nicht eine krasse Fehleinschätzung ist. Die Umsetzung des Gesetzentwurfes würde zu einer Ausweitung der Aufschlusszeiten führen. Dem hierdurch entstehenden personellen Mehrbedarf soll aber zunächst nur durch organisatorische Maßnahmen in den Anstalten begegnet werden. Nach unseren Erkenntnissen ist es aber tatsächlich so, dass allein der personelle Mehrbedarf von Wochenenden voraussichtlich bei zwölf Stellen des allgemeinen Vollzugsdienstes liegt.

 

Die Landesregierung hat bei der Gestaltung ihres Gesetzentwurfs bereits einzelne Punkte aus dem ursprünglichen Referentenentwurf herausgenommen, deren Umsetzung offenkundig mit den Realitäten, d.h. den tatsächlichen personellen und räumlichen Gegebenheiten kollidiert – wie z.B. die Streichung der anfangs vorgesehenen Möglichkeit, dass Kinder von Strafgefangenen die Möglichkeit erhalten sollten, in der JVA zu übernachten.

 

Dieses Beispiel macht deutlich, wo die Schwierigkeiten liegen: Einerseits wissen wir aus den Erfahrungen anderer Staaten, dass ein familienorientierter Strafvollzug eine wichtige Hilfe bei dem Bemühen ist, den Straftätern nach Ende der Haftzeit die Rückkehr in ein Leben außerhalb der Kriminalität zu ermöglichen; andererseits ist klar, dass ein solcher moderner Strafvollzug nicht zum Nulltarif zu haben sein wird.

 

Für die Beratung dieses Gesetzesvorhabens müssen wir uns – noch mehr als sonst üblich – die notwendige Zeit nehmen, die sich in diesem Zusammenhang ergebenden Zielkonflikte auszuloten und sachgerechte Lösungen zu finden.“