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Dr. Ekkehard Klug: Eine Haftungsverschärfung für kostenlose WLAN-Netze muss verhindert werden

„Deutschland hinkt bei der Versorgung der Bevölkerung mit öffentlichen WLAN-Hotspots im Vergleich zu anderen Ländern noch immer hinterher. Die Große Koalition hat sich deshalb auf den Weg gemacht, das Telemediengesetz zu novellieren, um so die flächendeckende Verbreitung kostenloser Hotspots zu fördern. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel kündigte den Gesetzentwurf als ‚Schub für kostenloses WLAN‘ an.

 

Tatsächlich erreicht der Gesetzentwurf aber das Gegenteil. Er verschärft die Haftung von Anbietern kostenloser WLANs und führt zu zusätzlicher Rechtsunsicherheit.

 

Denn nach dem Willen Sigmar Gabriels sollen die Anbieter freier WLANs zukünftig Verschlüsselungsverfahren einsetzen und vom Nutzer eine Erklärung verlangen, dass dieser bei der Nutzung keine Rechtsverletzung begehen wird.

 

Beides geht nicht nur weit über die von der Rechtsprechung entwickelte Störerhaftung hinaus, sondern ist auch unsinnig.

 

Zum einen ist der darin enthaltene Generalverdacht – jeder Internetnutzer ist ein potenzieller Straftäter – schon gar nicht mit der Verfassung vereinbar. 

 

Vom Nutzer die Zusicherung zu verlangen, keine Rechtsverletzungen zu begehen, ist als Schutzmaßnahme zum anderen auch noch völlig untauglich. Ein Nutzer, der plant gegen das Gesetz zu verstoßen, wird sich durch das Anklicken eines Bestätigungsbuttons hiervon sicher nicht abhalten lassen.

 

Aus diesem Grund muss man beim Kauf eines Autos ja auch nicht versichern, keine rechtwidrigen Handlungen zu begehen, um den Autoverkäufer von Haftungsrisiken freizustellen.

 

Mindestens genauso sinnlos ist auch die Anforderung einer Verschlüsselungspflicht. Sinn und Zweck eines Freifunks ist gerade der öffentliche, unverschlüsselte Zugang. Eine Verschlüsselung ist hier also vollkommen kontraproduktiv. Sie führt nicht zu dem vom Bundeswirtschaftsminister angekündigten ‚Schub für kostenloses W-LAN‘, sondern unweigerlich zu deren Ende.

 

Wir brauchen den Ausbau offener WLAN-Zugänge. Eine flächendeckende Versorgung mit freien Internetzugängen stärkt die Infrastruktur und setzt wirtschaftliche Impulse. Sie eröffnet Chancen für digitales Lernen an den Schulen und trägt zur freien Meinungsbildung und einem unabhängigem Informationszugang bei.

 

Der Gesetzentwurf der Großen Koalition, der übrigens laut dem Landesdatenschutzbeauftragen Thilo Weichert ‚genau zur richtigen Zeit kommt‘, aber bewirkt das Gegenteil und konterkariert seinen eigenen Zweck.

 

Insofern ist der Antrag der PIRATEN auch durchaus zu begrüßen. Es ist aber zumindest fraglich, ob die im Antrag geforderte völlige Haftungsfreistellung für Anbieter offener WLAN-Zugänge der richtige Weg ist. 

 

Denn unterm Strich sind hier die Informationsfreiheit der Nutzer und das Fernmeldegeheimnis mit dem Recht am geistigen Eigentum abzuwägen.

 

Und da erscheinen zumutbare Sorgfaltspflichten jedenfalls diskussionswürdig.

 

Und das eine hat sich doch gerade durch die Rechtsprechung im vergangenen Jahr gezeigt: Ernsthafte Haftungsrisiken für Betreiber offener W-LANs entstehen aus den richterlich entwickelten Anforderungen bislang nicht.

 

Demnächst wird sich nun der EuGH zur hier in Frage stehenden Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie äußern. Vermutlich wird die unsinnige Gesetzgebung der Großen Koalition dadurch ohnehin hinfällig. In jedem Fall aber ist es hilfreich, die Einschätzung des EuGH zur Art und Weise der Haftungsprivilegierung zu kennen.

 

Meiner Ansicht sollte der Antrag der Piraten deshalb im Innen- und Rechtsausschuss weiter erörtert werden.

 

Ist hier dennoch aber die Abstimmung in der Sache gewollt, können wir dem Antrag im Ergebnis zustimmen.“