Innen/Extremismus

Dr. Ekkehard Klug: Politischer Extremismus birgt weiterhin erhebliche Gefahren

„Die verschiedenen Erscheinungsformen eines politischen Extremismus bleiben ein Thema, das Aufmerksamkeit und Vorsorge erfordert. Dies ist eine Aufgabe der Politik, aber auch der mit politischer Bildung befassten Einrichtungen – und natürlich aller staatlichen Organe, die hier besondere Zuständigkeiten haben. Nicht zuletzt ist dies natürlich der Verfassungsschutz.

 

Der ‚klassische‘ Rechts- und Linksextremismus sind erfreulicherweise keine expandierenden, sondern eher auf dem Rückzug befindliche Bereiche – auch in Schleswig-Holstein. Gleichwohl gibt es keinen Grund für nachlassende Aufmerksamkeit.

 

Die Entwicklung des ‚Nationalsozialistischen Untergrunds‘ – NSU – hat ja gezeigt, welch gefährliches Potenzial sich in Deutschland nach wie vor Rechtsaußen befindet, und auf der anderen Seite des politischen Spektrums haben die gewalttätigen Frankfurter Anti-EZB-Demos vor wenigen Monaten verdeutlicht, dass auch Linksaußen ein gefährliches Gewaltpotenzial existiert.

 

Die aktuell mit Abstand größten Gefahren gehen jedoch offenkundig von der islamistischen Szene aus.

 

Vor nicht allzu langer Zeit war gar nicht daran zu denken, dass hierzulande fanatische junge Islamisten auf die Idee kommen könnten, in die Bürgerkriegsgebiete im Mittleren Osten zu gehen, sich dort an den Kämpfen zu beteiligen, um dann anschließend nach Deutschland zurückzukehren – verbunden mit dem nicht auszuschließenden Risiko, dass sie die andernorts erworbenen Kenntnisse im Umgang mit Waffen und Sprengmitteln dann hier für Anschläge einsetzen könnten.

 

Im Lichte der Erfahrungen aus Paris und Kopenhagen ist jedenfalls klar, dass sich hier eine neue Gefährdungslage entwickelt hat, die Wachsamkeit und Vorsicht erfordert.

 

Der Innen- und Rechtsausschuss des Landtages hatte Mitte Januar eine nichtöffentliche Sitzung in den Räumen des Innenministeriums, in der wir durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des schleswig-holsteinischen Verfassungsschutzes speziell über diesen Teilbereich des politischen Extremismus detaillierte Informationen und Einschätzungen erhalten haben. Dies war, wie ich finde, ein sehr hilfreiches Meeting.

 

Im Einzelnen haben wir über die Inhalte dieses Gesprächs Vertraulichkeit vereinbart. Ich möchte aber daraus drei für mich sehr klare Schlussfolgerungen ableiten:

 

Erstens bin ich der Ansicht, dass der Verfassungsschutz und andere staatliche Stellen eine personelle und sächliche Ausstattung brauchen, mit der sie den Herausforderungen in diesem Bereich des Extremismus wirkungsvoll begegnen können.

 

Zweitens halte ich es für wichtig, dass gewaltbereiten islamistischen Gruppierungen dadurch das Wasser abgegraben werden muss, dass man ihnen die Nachwuchsrekrutierung bei potenziellen jungen ‚Kämpfern‘ möglichst erschwert. Viele junge Leute, darunter Menschen aus Einwandererfamilien, aber auch ‚Konvertiten‘ deutscher Herkunft, finden in den extremistischen Gruppen offenbar deshalb eine Heimat, weil sie sich dort (und leider nur dort) anerkannt, geborgen, in eine Gemeinschaft aufgenommen fühlen.

 

Fänden sie eine Alternative in anderen gemeinschaftlichen Zusammenhängen, würden viele sicher nicht den Weg zu einer radikalen islamistischen Gruppierung gehen.

 

Es geht also, kurz gesagt, um gelingende Integration in unsere Gesellschaft, nicht mehr und nicht weniger. Wo dies misslingt, droht ein Abgleiten in den islamistischen Extremismus.

 

Drittens – und dies hängt offenbar mit dem vorgenannten Punkt zusammen – gibt es unter jungen Leuten mit einem ‚islamischen‘ Familienhintergrund offenbar in einer Reihe von Fällen ein Bedürfnis nach religiöser Orientierung, das derzeit oft nicht anders Befriedigung finden kann als durch den Eintritt in eine islamistische Gruppierung.

 

Wenn man dies feststellt, wird meines Erachtens sehr deutlich, wie wichtig etwa das Angebot eines islamischen Religionsunterrichts an unseren Schulen ist. Das in Schleswig-Holstein hierzu an einer Reihe von Schulen durchgeführte Modellvorhaben ist bereits in der Zeit der Großen Koalition initiiert worden; in der 17. Wahlperiode wurde es dann unter meiner Verantwortung weitergeführt. Gegen Ende meiner Amtszeit als Bildungsminister ist dann die wissenschaftliche Evaluation dieses Modellprojekts vorgelegt worden. Sie fiel positiv aus.

 

Meines Erachtens ist es wichtig, solche Ansätze aufzugreifen und diese Angebote zu verbreitern, damit junge Menschen nicht islamistischen Hasspredigern auf den Leim gehen, sondern für ihre religiösen Bedürfnisse den Zugang zu einem weltoffenen, modernen und ‚aufgeklärten‘ Islam finden.“