„Der aktuelle Verfassungsschutzbericht dokumentiert für das Vorjahr Entwicklungen im Bereich des Extremismus, die Anlass zur Sorge zu erhöhter Wachsamkeit geben.
Was den Rechtsextremismus betrifft, so hat der Innenminister zwar darauf verweisen können, dass die Rechtsextremisten bei dem Versuch, mit Anti-Asyl-Aktionen Anschluss an das ‚bürgerliche Lager‘, keinen Erfolg hatte. Die steigenden Zahlen bei Mitgliedern und politisch motivierten Straftaten in diesem Sektor des Extremismus sollten jedoch sehr ernst genommen werden (Personen: Anstieg von 1070 auf 1300; Straftaten: Anstieg von 439 auf 640).
Bei den Linksextremisten ist die Personenzahl zwar praktisch unverändert geblieben (670) – und zwar auch bei den gewaltbereiten Aktivisten (310) – aber auch hier stieg die Zahl der politisch motivierten Straftaten um mehr als zehn Prozent (auf 200). Bei 23 registrierten Gewalttaten in diesem Bereich verzeichnet der Bericht zudem einen Zuwachs um 17 Fälle im Vergleich zu 2014.
Beachtung verdient eine Tendenz, die im Vorjahr zumindest in anderen Bundesländern deutlich geworden ist, nämlich die Feststellung, dass sich Extremisten von links und rechts zuweilen vereint gegen die Polizei wenden, und zwar sogar dann, wenn diese wie in dem Ort Heidenau (Sachsen) zum Schutz von Flüchtlingsunterkünften im Einsatz ist.
Ein zunehmendes Problem ist außerdem das Anwachsen des salafistischen Spektrums (von rund 230 auf etwa 300 Personen) und des islamistisch motivierten Straftaten. Letztere fallen zwar von der Zahl her nicht so sehr ins Gewicht (27), aber mit diesem Bereich des Extremismus sind natürlich die Gefahren mit in die Betrachtung einzubeziehen, die sich aus Rückkehrern aus dem Einflussbereich des ‚Islamischen Staates‘ und weiteren ‚Gefährdern‘ ergeben, die die aktuelle Flüchtlingsbewegung genutzt haben, um nach Deutschland und in manchen Fällen auch nach Schleswig-Holstein zu gelangen.
Die ungeregelte Grenzöffnung, die mit der Entscheidung der Bundeskanzlerin Anfang September 2015 verbunden war, und die in zahlreichen Fällen unterlassene Identitätsklärung haben hier zu Risiken geführt, mit denen Verfassungsschutz und Polizei heute erhebliche Probleme haben.
Im April d.J. hat der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz dies sehr deutlich gemacht und dabei auch eigene Versäumnisse seiner Behörde eingeräumt. Eine Nutzung der Flüchtlingsströme durch den IS habe man zunächst für ‚weniger wahrscheinlich‘ gehalten. ‚Dennoch habe der IS seine Leute unter die Flüchtlinge gemischt‘. In diesem Zusammenhang problematisierte Herr Maaßen auch den Umstand, dass 70 Prozent der Flüchtlinge keine gültigen Pässe vorlegten, und er äußerte die Sorge, dass gefährliche Personen sich unter falscher Identität bereits im Lande befänden.
Der Chef des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, hat nach einem Bericht des ‚Handelsblatts‘ vom 4. Juni – also vor wenigen Tagen – davon gesprochen, in Deutschland befänden sich derzeit knapp 500 Islamisten, ‚denen die Sicherheitsbehörden die Begehung eines Anschlags zutrauen‘.
Anders als manche unserer Nachbarn in der EU haben wir in Deutschland bislang Glück gehabt, dass geplante Anschläge rechtzeitig verhindert werden konnten oder wegen fehlerhafter Vorbereitung misslungen sind.
Da wir uns aber nicht darauf verlassen können, dass dieses Glück uns auch in Zukunft treu bleibt, müssen die zuständigen Behörden im Bereich der inneren Sicherheit vor allem durch bessere personelle, aber auch durch die erforderliche sächliche Ausstattung in die Lage versetzt werden, den gestiegenen Herausforderungen bei der Terrorabwehr gerecht werden zu können.
Dazu gehört auch die Vernetzung von Datenbanken wie des Schengener Informationssystems für Fahndungen und des Visa-Informationssystems, aber auch des Informationssystems ‚Eurodac‘ zur Speicherung von Fingerabdrücken von Flüchtlingen.
Nicht zielführend wäre dagegen eine massenhafte anlasslose Überwachung aller Bürger, und zwar nicht nur deshalb, weil damit Bürgerrechte in unvertretbarer Weise verletzt würden, sondern auch deshalb, weil ein solcher Ansatz ohne Sinn und Verstand Personalkapazitäten verschlingt, die man besser auf das Aufspüren und Verfolgen der bereits bekannten bzw. durch gutes nachrichtendienstliches ‚Handwerk‘ erkennbaren ‚Gefährder‘ ausrichten sollte.“