Europa/Flüchtlingspolitik

Dr. Ekkehard Klug: Zu einer neuen europäischen Flüchtlingspolitik ist der Weg noch sehr weit

„Der Antrag der drei Koalitionsfraktionen beschreibt Ziele, die man – zusammenfassend – als das Idealbild einer neu ausgerichteten Flüchtlingspolitik der Europäischen Union bezeichnen kann. Das ist sehr ehrenwert.

 

Die ersten Reaktionen auf den kürzlich von der Brüsseler EU-Kommission unterbreiteten Vorschlag für eine neue EU-Flüchtlingspolitik haben aber auch mit aller Deutlichkeit gezeigt, wie weit wir noch von einer solchen Neuorientierung entfernt sind: Sehr weit.

 

Man kann es auch noch drastischer formulieren: Der Antrag beschreibt ein Ideal, das sich aller Voraussicht nach nicht verwirklichen lässt. Also ein Antrag, der vielleicht nichts bewirken wird, außer dass er seinen Autoren ein gutes Gewissen verschafft. Dies wäre die ganz pessimistische Variante.

 

Eine etwas weniger pessimistische Prognose könnte darauf hinauslaufen, dass die proklamierten Ideallösungen zumindest dazu beitragen, geringe Fortschritte zu erreichen. Zum Beispiel Beschlüsse wie der vom Krisengipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs vereinbarte Ausbau der Kapazitäten für die Seenotrettung – ohne dass dabei freilich eine Rückkehr zu der im Herbst 2014 mangels europäischer Unterstützung eingestellten italienischen Mare-Nostrum-Hilfsaktion zustande kam.

 

Das ist eine bittere Erkenntnis. Sie ist schlimm vor allem für die Menschen, deren Leben auf den Fluchtwegen nach Europa in höchster Gefahr ist; schlimm ist sie aber auch für all jene, die vom vereinten Europa mehr erwarten, als es absehbar zustande bringen wird.

 

Der Vorschlag der EU-Kommission, anerkannte Flüchtlinge gerecht über die gesamte Europäische Union zu verteilen, hätte sicher bereits früher eingebracht werden müssen, aber er ist gleichwohl richtig.

 

Und es ist geradezu aberwitzig, dass die Ablehnung dieses Vorschlags aus Brüssel postwendend unter anderem von jenen großen Mitgliedsstaaten kam, die durch ihre Politik nicht wenig zu der aktuellen Flüchtlingswelle von Nordafrika über das Mittelmeer nach Europa beigetragen haben.

 

Die militärische Intervention Großbritanniens und Frankreichs im libyschen Bürgerkrieg hat zwar seinerzeit den Sturz der Gaddafi-Diktatur befördert, aber statt daraufhin stabile neue staatliche Strukturen zu schaffen, ist aus Libyen ein vollkommen zerrütteter ‚failed state‘ geworden. Und dort florieren mittlerweile Geschäftsmodelle wie Schutzgelderpressung und die brutale Ausbeutung von Menschen, die durch diese Region über das Mittelmeer nach Europa flüchten wollen.

 

Die Mitgliedsländer der EU werden das Flüchtlingsproblem bei noch so gutem Willen nicht vernünftig und human lösen können, wenn sie sich nicht auch mir ganz anderem Nachdruck als bisher mit der Aufgabe befassen, in dieser Region zum Aufbau einer stabilen staatlichen Ordnung beizutragen.

 

Falls Europa dies nicht gelingt, wird die katastrophale Entwicklung der vergangenen Monate nicht enden. Ich fürchte sogar, dass wir dann noch Schlimmeres erleben werden.“