„Auch in dieser Plenartagung sprechen wir wieder über das Thema Asylbewerber und Flüchtlinge: So, wie in praktisch jeder Sitzung des Innen- und Rechtsausschusses, steht auch im Plenum die Flüchtlingspolitik ständig auf der Tagesordnung.
Das Thema eignet sich nicht für die üblichen Rituale im Verhältnis von Regierung und Opposition. Dass wir die Landesregierung in der Vergangenheit in einer Reihe von Punkten kritisiert haben, ist allseits bekannt. Der einstimmige Landtagsbeschluss vom September 2013, der die Regierung aufforderte, gemeinsam mit den Kommunen ein Unterbringungs- und Betreuungskonzept zu entwickeln, lag de facto ein Jahr lang auf Eis. Und als im vorigen Jahr just zu Beginn der kälteren Jahreszeit auf dem Gelände der Erstaufnahmeaufnahmeeinrichtung in Neumünster Zelte aufgestellt worden sind, habe ich dies hier in einer Landtagsdebatte als zutiefst beschämend bezeichnet – und zwar erst recht im Hinblick auf die versprochene Willkommenskultur.
Unter Hinweis auf diese Punkte kann ich also feststellen, dass wir unsere Oppositionsrolle wahrgenommen haben, wo diese erforderlich und angemessen war.
Kein Verständnis habe ich jedoch dafür, wenn etwa der Landesvorsitzende der CDU, der Herr Liebing, die Landesregierung angreift, wo er sich als Bundestagsabgeordneter besser auf seinem eigenen politischen ‚Spielfeld‘ mit lichtvollen Initiativen hervortun sollte.
Die Forderung von Herr Liebing, das Land solle all jene Flüchtlinge nicht weiter auf die schleswig-holsteinischen Kommunen verteilen, die ‚erkennbar keine Chance auf einen dauerhaften Aufenthalt haben‘, ist kompletter Unfug, und zwar gleich aus mehreren Gründen:
- Wer – welcher Verwaltungsmitarbeiter – soll denn die Entscheidung treffen, auf wen dies vermeintlich zutrifft?
- Weshalb erhebt Herr Liebing eine Forderung, die gegebenenfalls zu einer katastrophalen Situation in den ohnehin überfüllten Erstaufnahmeeinrichtungen führen würde – sofern denn irgendjemand auf die Schnapsidee käme, diese dusselige Forderung umzusetzen?
Ich finde dies insbesondere deshalb ärgerlich, weil es ja die Aufgabe und Zuständigkeit des Bundes ist, die personellen und organisatorischen Voraussetzungen für eine zügige Durchführung der Asylverfahren zu gewährleisten. Das ist ein Thema, dem ein aus Schleswig-Holstein stammender Bundestagsabgeordneter der größten aller Koalitionen vielleicht eher seine Aufmerksamkeit zuwenden sollte als dem reflexartigen politischen Einprügeln auf die ungeliebte hiesige Landesregierung.
Dass es im Land in der Vergangenheit Fehler und Versäumnisse gab, dürfte ja wohl unstrittig sein. In letzter Zeit hat sich aber manches gebessert, und das verdient Anerkennung. Bei der Schulsituation für die als Flüchtlinge bei uns aufgenommenen Kinder und Jugendliche ist einiges an Verbesserungen eingeleitet worden, das wir sehr begrüßen. Es bleibt allenfalls die Frage, ob das Land die nun verstärkt benötigten Fachlehrerinnen und Fachlehrer mit einer Qualifikation im Bereich ‚Deutsch als Zweitsprache‘ auch tatsächlich finden wird. Oder muss hier in der Aus- und Fortbildung nicht noch wesentlich mehr getan werden, um die Fachkräftesituation wenigstens auf mittlere Sicht zu verbessern?
Der Umfang der Betreuungs- und Integrationsangebote wird sicher immer ein Diskussionsthema bleiben. In dem Bericht, Drucksache 18/2752, lesen wir zum Beispiel auf Seite 3, dass in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes einmal pro Woche gemeinsame Freizeitaktivitäten für Kinder im Alter von fünf bis 13 Jahren stattfinden sollen. Daran ließe sich zum Beispiel die Frage anschließen: Was wird Jugendlichen im Alter von 14 (und älter) geboten?
Die Anhörung, die der Innen- und Rechtsausschuss kürzlich durchgeführt hat, hat unterstrichen, welch große Bedeutung dem ehrenamtlichen Engagement bei der Betreuung und den Hilfen für Flüchtlinge zukommt. Dies macht eine professionelle Betreuungsstruktur sicher nicht überflüssig, aber es ist auch deutlich geworden, dass die verfügbaren Mittel hinten und vorn nicht ausreichen, um alle nötigen Maßnahmen durch hauptamtliche Kräfte zu erledigen. Außerdem sollten wir froh darüber sein, dass sich so viele Menschen in unserem Land für diese humanitären Aufgaben engagieren. Der Wert dieses bürgerschaftlichen Engagements kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Sollte die Einschätzung der Landesregierung zur Entwicklung der Aufnahmezahlen – Stichwort: 20.000 im Jahre 2015 – sich bewahrheiten, werden die Herausforderungen in den kommenden Monaten noch größer – erst Recht im Hinblick auf die dann erforderlichen Kapazitäten bei Erstaufnahmeeinrichtungen und Wohnungen.
Wir Freie Demokraten teilen die Auffassung des Ministerpräsidenten, dass spätestens im Zuge einer solchen Entwicklung auch der Bund für eine größere finanzielle Unterstützung der Länder und Kommunen in die Pflicht genommen werden muss. Im Zusammenhang mit dem Asylkompromiss im Herbst vorigen Jahres ist der Bund erstmals bereit gewesen zu einer solchen finanziellen Lasten-Beteiligung – aber das sollte nicht das letzte Wort sein.
Im Übrigen meinen wir, dass die Zuwanderung in unser Land nicht nur immer unter dem Aspekt damit verbundener Belastungen diskutiert werden sollte. Die Politik und die großen gesellschaftlichen Kräfte sollten vielmehr auch die Chancen betonen, die sich damit gerade für ein Land mit schrumpfender, immer älter werdender Bevölkerung ergeben. Wir Freie Demokraten sind daher auch für ein Einwanderungsgesetz, das auch Asylbewerbern die Chance eröffnet, parallel zum Asylverfahren auch die Aufnahme als Arbeitnehmer oder Auszubildende in einem von Fachkräftemangel gekennzeichneten deutschen Arbeitsmarkt beantragen zu können. Dies würde im Übrigen auch das überbeanspruchte Asylverfahren entlasten – und sowohl Einwanderern als auch Einheimischen helfen.
Abschließend eine Anmerkung zu dem Antrag von CDU und PIRATEN, im Landtag einen ‚Integrationsausschuss‘ einzurichten: Nach unserer Auffassung wäre dies in keiner Weise hilfreich, sondern würde bloß zu einer Zerfaserung der parlamentarischen Arbeit beitragen. Wir sehen in dem Antrag der christlichen Piraten-Seefahrt lediglich eine Beschäftigungsmaßnahme für die Arbeitsgruppe Damerow-Beer, die in der Sache überhaupt nichts voranbringt.“