In seiner Rede zu TOP 21+48 (Flächendeckende verpflichtende Sprachtests für Vierjährige sowie Bericht Übergang Kita-Grundschule gemeinsam gestalten, Kompetenzförderung in den Blick nehmen) erklärt der kitapolitische Sprecher, Heiner Garg:
„Das waren ja beeindruckende Attribute, die hier vorne schon genannt wurden. Es wurde von Trendwende gesprochen – ich habe noch auf die Revolution gewartet.
Es wird etwas Richtiges gemacht. Es wird ein richtiges Thema angegangen, nämlich die Frage, wie gestalten wir den Übergang von der Kita in die Grundschule besser. Und zwar besser, um faire Startchancen für die Jüngsten, und zwar für alle Jüngsten, in diesem Land zu gestalten. Das ist eine Herausforderung, denn unsere Gesellschaft wandelt sich. Sie wird nicht nur älter, sondern sie wandelt sich vor allem auch soziodemografisch. Das passt nicht allen, aber ich finde, darin steckt eine Chance. Und damit das gelingt, muss sich Politik auch diesem soziodemografischen Wandel stellen.
Ich möchte Ihnen von meiner besten Freundin aus Schulzeiten berichten, die Erzieherin in Baden-Württemberg ist. Sie kam aus einem sechstägigen Urlaub zurück und hat sechs neue Kita-Kinder bekommen. Fünf davon mit erheblichem Sprachförderbedarf. Das waren übrigens nicht nur Kinder, deren Erstsprache nicht Deutsch war, sondern es war auch ein deutsches Kind dabei, das mit seinen drei Jahren überhaupt noch nicht gesprochen hat. Was sie nicht bekommen hat, sind irgendwelche zusätzlichen Ressourcen, um damit umzugehen, damit diese Kinder in Zukunft auch eine Chance haben auf ein gutes, faires Leben.
Hamburg, Rheinland-Pfalz, Hessen, es sind schon Länder genannt worden, die es besser machen und jetzt kann man den Streit natürlich fortführen. Ich will das an dieser Stelle mal ausnahmsweise gar nicht tun, sondern es ist ein Startpunkt gesetzt worden und der ist vom Grund her richtig. Es ist die beste Investition in jedes einzelne Kind und somit ist das auch die beste Investition für unsere gesamte Gesellschaft. Die Bildungsministerin hat ja recht, wenn sie feststellt, dass frühe Investitionen in das Bildungssystem die entscheidendsten und die effizientesten Investitionen sind. Aber genau deswegen muss man sich sehr genau angucken, wie investiert wird, wie viel investiert wird und in welche Strukturen investiert wird. Um es kurz zu machen: Es ist wichtig, dass klug investiert wird, übrigens gerade in Zeiten knapper Haushaltsmittel.
Und selbstverständlich ist es auch die Aufgabe der Opposition, hinzuschauen, ob zum einen ausreichend investiert wird und zum anderen in die richtigen Strukturen. Kommen wir zum ausreichend. Dazu ist ganz viel gesagt worden. Ja natürlich sind 50 Perspektiv-Kitas nur ein Anfang und natürlich gehe ich davon aus, dass das auch die Sozialministerin und die Bildungsministerin wissen. Natürlich ist das nicht genug. Was mich eher daran stört, ist nicht, dass Sie im Kita-/Schuljahr 202/2026 mit 50 Perspektiv-Kitas anfangen, sondern mich stört ehrlicherweise der beschriebene Weg. 2028/2029 soll da das Rollout ja beendet sein und nicht beginnen, wenn ich das richtig verstanden habe. Beginnen soll das Rollout ja wohl 2027/2028. In den unterschiedlichen Dokumenten – dem Bericht und der Pressemitteilung – werden diese beiden Daten ständig miteinander vermischt. Ich wäre für eine Klarstellung dankbar. Ich verstehe das so: 2028/2029 soll das flächendeckend ausgerollt sein. Das ist mir zu langsam. Das würde nämlich bedeuten, dass wir volle weitere zwei Kita-Kinder-Generationen genau diese Unterstützung nicht gewähren oder man kann auch sagen, dass wir diese verlieren.
Was so trocken, auf dem Papier jedenfalls, als Übergang Kita/Schule daherkommt, ist ein ganz zentraler Schlüssel für den Bildungserfolg und für Bildungsgerechtigkeit. Daher werden wir, das kann ich Ihnen zusagen, die geplanten Verbesserungen der Förderstrukturen auch sehr konstruktiv, aber eben auch sehr kritisch begleiten. Der Vorsatz, Frau Sozialministerin, ‚Keine Förderung ohne Diagnostik und keine Diagnostik ohne Förderung‘, ist vollkommen richtig. Und ebenso richtig ist die Forderung aus dem Alternativantrag der Koalitionsfraktionen zum SPD-Antrag, neben der sprachlichen Entwicklung auch weitere basale Kompetenzen der Kinder wie soziale, motorische und kognitive Fähigkeiten zu berücksichtigen. Aber dann frage ich mich: Warum bringen Sie nicht ganz konkret Punkte ein, die genau denen gerecht werden? Stattdessen bleibt Ihr sogenannter Alternativantrag hinter dem richtigen SPD-Antrag zurück und ist vollkommen ambitionslos. Sie begnügen sich mit Selbstverständlichkeiten, beispielsweise wie die Landesregierung den selbst festgeschriebenen Zeitplan einhalten oder umsetzen soll. Erstens soll sie mehr Tempo machen. Zweitens muss man die Landesregierung nicht unbedingt auffordern, das, was sie ohnehin aufgeschrieben hat, auch umzusetzen. Davon würde ich jetzt mal ausgehen.
Kommen wir zu den Strukturen. Das auf vorhandene Strukturen aufgesetzt werden soll, finde ich vernünftig. Also Perspektiv-Kitas im Umfeld von Perspektiv-Schulen zu bestimmen. Das klingt zunächst einmal vernünftig. Frau Ministerin Prien, ich war ja bei Ihren Gesprächen nicht dabei, d.h. ich weiß nicht, wie es dazu gekommen ist, dass Sie sich ja offensichtlich dafür entschieden haben, dass Kinder mit höherem sprachlichen Förderbedarf außerhalb der Kita an der Schule gefördert werden sollen. Ich frage zumindest einmal: Warum? Ich finde, das sollten wir in den weiteren Beratungen inklusive entsprechender Anhörungen auch herausarbeiten. Denn die professionellen Fachkräfte in den Kitas verfügen sowohl über die notwendige Theorie als auch über das erforderliche Handlungswissen für einen ganzheitlichen Ansatz und zwar in der Kita. Ich würde die Viereinhalbjährigen nicht aus der Kita in die Schule bringen, sondern ich würde auf vorhandenen Strukturen in den Kitas aufbauen, die Kitas stärken und Bindung als wesentlichen Lernfaktor sehen und multiprofessionelle Teams in den Kitas aufbauen, beziehungsweise dort, wo es sie schon gibt, stärken. Ich finde, das ist zumindest ein Aspekt, der in der weiteren Auseinandersetzung über das Projekt mal mitgedacht und mitberücksichtigt werden sollte. Es lohnt sich, glaube ich, mit Expertinnen und Experten im Rahmen einer Anhörung in den entsprechenden Ausschüssen sich damit auseinanderzusetzen. Ich sage bei aller richtigen Kritik daran, dass das relativ spät kommt und auch etwas langsam geschieht: Es ist wichtig, dass dieser Schritt überhaupt gemacht wird und deswegen noch einmal: Wir sagen Ihnen als FDP-Fraktion eine kritische, aber auch eine konstruktive Begleitung dieses zentralen bildungs- und frühbildungspolitischen Vorhabens zu.“
Sperrfrist Redebeginn!
Es gilt das gesprochene Wort.