In seiner Rede zu TOP 24 (Mündlicher Bericht der Landesregierung zur dauerhaften Sicherung und Weiterentwicklung der akut-stationären Versorgung in Schleswig-Holstein) erklärt der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Heiner Garg:
„Zunächst einmal stelle ich fest: Mit einer krassen Fehlentscheidung lässt sich die CDU-Fraktion für Gesundheitspolitik begeistern. Sie waren ja gar nicht mehr zu halten bei dem Beitrag der Ministerin. Ich bleibe hingegen dabei: Es wurde eine krasse Fehlentscheidung mit dieser Enthaltung getroffen.
Seit geraumer Zeit führen insbesondere das Fallpauschalensystem, aber auch eine ganze Reihe an Qualitätsanforderungen, die beispielsweise aus dem gemeinsamen Bundesausschuss kommen, zu einer kalten Strukturbereinigung in der Kliniklandschaft.
Es war im Sommer 2019 auf der Gesundheitsministerkonferenz in Leipzig, als auf Initiative Schleswig-Holsteins hin alle 16 Bundesländer – inklusive Bayern – den Beschluss gefasst haben, eine umfassende Reform zur Krankenhausfinanzierung auf den Weg bringen zu wollen.
Bei der Finanzierungsreform ist der Grundgedanke, dass die sogenannten Vorhaltekosten pauschal gezahlt werden sollen und nicht länger eine leistungsabhängige Komponente sind, damit der Bestand von versorgungsrelevanten Krankenhäusern in der Fläche gesichert wird. Was allen 16 Kolleginnen und Kollegen dabei klar war: Das muss von einer Krankenhausstrukturreform begleitet werden.
Im Januar 2020 hat Schleswig-Holstein dann in der Landesvertretung in Berlin erste Eckpunkte dazu vorgestellt. Im Herbst 2021 haben Daniela Behrens, Manfred Lucha und ich für den Ampel-Koalitionsvertrag reinverhandelt, dass die Krankenhausstrukturreform auf Bundesebene umgesetzt wird.
Ich möchte mich deswegen zunächst mal bei Melanie Schlotzhauer aus Hamburg, bei Karl-Josef Laumann aus Nordrhein-Westfalen sowie bei Manfred Lucha aus Baden-Württemberg bedanken. Sie haben federführend dafür gesorgt, dass wir eine Krankenhausstrukturreform bekommen. Eine SPD-Gesundheitssenatorin, ein CDU-Gesundheitsminister – mit einer hohen Expertise und seit vielen Jahren im Amt – und der GMK-Vorsitzende, mein Freund Manfred Lucha, haben den Mut bewiesen, den Sie, Frau von der Decken, nicht gehabt haben. Mit einer kraftvollen Enthaltung haben Sie sich nämlich komplett vom Spielfeld genommen. Sie haben sich damit jeglichen Gestaltungsspielraum genommen.
Natürlich brauchen wir eine Übergangsfinanzierung. Sie ist notwendig, um den kalten Strukturwandel zu stoppen. Doch glauben Sie denn, dass mit Ihrer kraftvollen Enthaltung, der kalte Strukturwandel gestoppt wird? Glauben Sie das wirklich? Nein, das glauben sie noch nicht mal selber. Sie wissen wahrscheinlich heute, dass die Enthaltung ein Fehler war.
Was hätten Sie machen können? Was hätten Sie nicht nur machen können, sondern machen müssen? Sie hätten zustimmen müssen. Sie hätten eine Protokollerklärung abgeben müssen und damit genau diese Übergangsfinanzierung einfordern. Das wäre der richtige Weg gewesen.
Bei dem jetzt gesehenen Abstimmungsverhalten könnte man sich auch scherzhaft fragen, ob das die neue Achse Söder-Günther ist.
Bayern hat dagegen gestimmt. Das war von vornherein klar, dass Bayern kurz vor der Landtagswahl nicht mehr an Bord ist. Ich fand es beeindruckend, dass der hessische Kollege, obwohl der auch vor einer Landtagswahl steht, den Mut hatte zuzustimmen.
Sind Sie jetzt der Auffassung, dass Ihre 14 Kolleginnen und Kollegen von der Sache keine Ahnung haben und sich alle haben über den Tisch ziehen lassen? Sie haben also als Einzige verstanden, worum es bei der Krankenhausstrukturreform geht? Dann müssen Sie nochmal erklären, ob Sie glauben, dass ohne die Strukturreform der kalte Strukturwandel gestoppt oder aufgehalten wird. Nein, das wird er natürlich auch nicht. Vor diesem Hintergrund bleibt es dabei – aus welchem Reflex auch immer – die Entscheidung getroffen worden ist: Es war eine falsche Entscheidung.
Niemand hätte Schleswig-Holstein die Rolle streitig gemacht an der Erstellung des Gesetzeswerkes federführend mitzuwirken. Das tun jetzt andere. Sie haben sich der größten Gestaltungsmöglichkeit beraubt. Ihr Handeln kann ich nicht nachvollziehen. Sie hätten wirklich für dieses Bundesland etwas Großartiges erreichen können.
Für Schleswig-Holstein ist das Kind jetzt in den Brunnen gefallen. Sie werden nicht an der Redaktionsgruppe teilnehmen. Das machen jetzt Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Sie hätten mit dabei sein können. Die Rolle hätte Schleswig-Holstein niemand streitig gemacht.
Dabei gibt es gar keinen Zweifel daran, dass die Krankenhausstrukturreform auch in Schleswig-Holstein kommen wird. Das Schlimme ist jedoch, dass Schleswig-Holstein sich mit diesem Abstimmungsverhalten gesundheitspolitisch verzwergt hat – und das ist es, was mich so ärgert.
Frau Ministerin, Sie haben noch Redezeit darauf verwandt, in die Zukunft zu schauen und zu erläutern, was auf der Basis der kommenden Strukturreform im Land passiert, um die akut-stationäre Versorgung zu sichern. Dabei geht es um ganz zentrale Fragen, die schnell beantwortet werden müssen – und zwar unabhängig von der Krankenhausstrukturreform.
Nun haben die Oppositionsfraktionen erst gestern erfahren, dass das Haushaltsaufstellungsverfahren und die Debatte um den Landeshaushalt nochmal drei Monate nach hinten geschoben werden. Doch Investitionsentscheidungen sind dringend zu treffen – und zwar nicht erst nach Verabschiedung des Haushalts 2024.
Die Regio Kliniken im Kreis Pinneberg brauchen jetzt eine Entscheidung über die konkrete Fördersumme. Sie brauchen die Entscheidung jetzt – und nicht den Hinweis auf laufende Haushaltsberatungen irgendwann. SANA Lübeck braucht eine klare Ansage, ob und in welcher Höhe gefördert wird – und zwar jetzt.
Im Landeskrankenhausausschuss werden Sie kommende Woche Farbe bekennen müssen im Hinblick auf den Standort in Eckernförde. Wird das Land Investitionsmittel für diesen Standort ausgeben – oder nicht?
Ich fordere Sie auf, dass Sie in Zukunft Ihre Gestaltungsmöglichkeiten auch nutzen und endlich anfangen, Gesundheit für dieses Land zu gestalten.
Bislang bleibt als Bilanz für Ihre Zeit als Ministerin, dass Sie in einem Namensbeitrag in einem AOK-Magazin die Wiedereinführung der Praxisgebühr gefordert oder als überlegenswert betitelt haben. Außerdem bleibt, dass Sie sich bei dem wichtigsten Versorgungssicherungsprojekt – nämlich der Krankenhausstrukturreform – kraftvoll enthalten haben. Meine Damen und Herren, das ist eine sehr bescheidene Bilanz nach einem Jahr."
Sperrfrist Redebeginn!
Es gilt das gesprochene Wort