In seiner Rede zu TOP 25A (Landespflegestrategie in Schleswig-Holstein) erklärt der pflegepolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Dr. Heiner Garg:
„Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, liebe Frau Ministerin Touré!
Sie haben ein Ding der Unmöglichkeit fertiggebracht. Sie haben nämlich eine Landespflegestrategie skizziert. Ich löse das gleich noch einmal auf.
Ich will darauf hinweisen, dass die Opposition die Landespflegestrategie heute eingefordert hat, aber ursprünglich, und zwar im März diesen Jahres, wollten die Koalitionsfraktionen etwas zu dieser Landespflegestrategie erfahren.
Dann wurde das Thema – das ist kein Vorwurf, da haben Sie ja nicht mitgemischt – auf die nächste Tagung im Mai verschoben. Dann haben wir wieder nicht über die Landespflegestrategie debattiert. Dann tauchte die Landespflegestrategie für das Juni-Plenum auf. Zumindest sollte sie das. Dann wurde der Antrag allerdings zurückgezogen.
Daraufhin hat die Opposition gedacht: Erstens, wichtiges Thema! Zweitens, was ist denn da los? Hat die Ministerin vielleicht keine Landespflegestrategie?
Dann haben wir etwas ganz Unkreatives gemacht: Wir haben einfach den Antrag der Koalitionsfraktionen wortgleich eingebracht.
Und dann müssen Sie sich bitte, liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt mal den Fraktionsvorsitzenden der CDU anhören und sich das auf der Zunge zergehen lassen. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Tobias Koch sieht bei dem Antrag der Opposition, der wortgleich mit dem Antrag der Koalitionsfraktionen ist, einen unlauteren Vorwurf gegenüber dem Sozialministerium.
Ich habe Ihnen gar keinen Vorwurf gemacht, ich habe nur einen Antrag eingebracht!
Wörtlich: ,Eine Landespflegestrategie hätten wir uns in der Tat schon zur Diskussion gewünscht. Aber da gilt der Respekt vor den Gremien und einem Landespflegeausschuss, der zurzeit noch berät, soweit ich informiert bin’, betonte er.
Und wenn dieses Gremium noch berate, sei es ein Ding der Unmöglichkeit, eine landespolitische Strategie vorzulegen.
Frau Ministerin, herzlichen Glückwunsch, Sie haben dieses Ding der Unmöglichkeit geschafft!
Herr Koch, Sie sind offensichtlich schlecht informiert. Denn entweder hat die Ministerin hier unzutreffenderweise berichtet, dass es eine Landespflegestrategie gibt, was ich nicht glaube, oder Sie haben einen solchen rhetorischen Fehltritt produziert, wo ich nur sagen kann: Lieber Tobias Koch, der Anspruch, die Ministerin zu verteidigen, wo sie gar nicht zu verteidigen ist, ist gründlich nach hinten losgegangen.
Zur Sache: Ich habe zum Glück Zeit, denn die Ministerin hat ausführlich von der Landespflegestrategie berichtet.
Erstens, Frau Ministerin, das ist mir wichtig, weil ich glaube, dass wir diese unterschiedliche Sichtweise tatsächlich grundsätzlich haben. Sie haben wieder gesagt, dass die Frage der Eigenanteile ausschließlich eine Frage oder ein Problem des Bundes sei.
Ich teile diese Auffassung grundsätzlich nicht.
Denn § 9 SGB XI regelt ganz klar die Zuständigkeit der Länder in Sachen Investitionskosten.
Schleswig-Holstein liegt nach dem neuesten AOK-Report mit 502 Euro pro Monat pro Pflegebedürftigen bei den Eigenanteilen der Investitionskosten sogar über dem Bundesdurchschnitt.
Sie haben das Pflegewohngeld erwähnt. Ich bin zweitens der Auffassung, das Pflegewohngeld müsste längst überarbeitet, novelliert oder sogar abgeschafft und durch eine andere investitionsfördernde Regelung ersetzt werden.
Ich will Ihnen hier sehr klar sagen, warum wir das in der letzten Legislaturperiode nicht getan haben. Weil es dafür erhebliche Landesmittel bräuchte, um eine faire Investitionsregelung zu treffen, die dem Anspruch des § 9 SGB XI auch wirklich gerecht würde.
Und das ist auch keine Kritik an der nicht anwesenden Finanzministerin. Ich habe dafür Verständnis, dass das nicht auf einmal geht. Das wäre nämlich ein dreistelliger Millionenbetrag, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Aber faktisch wäre das Land in der Verantwortung, genau das zu leisten.
Was ich Ihnen aber übel nehme, ist, dass Sie einen Antrag meiner Fraktion zum Haushalt vor zwei Jahren, in dem wir Ihnen Mittel bereitstellen wollten, um ein Gutachten in Auftrag geben zu können, wie man den Einstieg in eine solche faire Investitionsfinanzierung findet, rundweg abgelehnt haben. Sie können gerne so weitermachen, Sie werden aber auf Dauer nicht drum herum kommen, die Pflegestrategie, wenn sie dann operativ umgesetzt wird, zu null zu haben.
Und das ist die Riesenmisere, der Sie heute noch ausweichen konnten in Ihrem Beitrag.
Sie werden schon sehr bald, nämlich mit den Haushaltsberatungen nach der Sommerpause, darlegen müssen, wie viel zusätzliches Geld Sie für die Pflege eigentlich von Ihren Kabinettskolleginnen und Kabinettskollegen zur Verfügung gestellt bekommen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, man kann und ich finde, man sollte auch Dinge tun, die vermutlich wenig Geld oder sogar gar kein Geld kosten.
Das Erste ist dringend eine Bestandsaufnahme der Pflegesituation zu machen, wie sie sich nach der akuten Phase der Pandemie in den Einrichtungen der Pflege, bei der ambulanten Pflege, aber auch von pflegenden Angehörigen tatsächlich darstellt. Ich glaube, da hat sich in den Jahren der akuten Pandemie nochmal eine ganze Menge an den Arbeitsbedingungen verschlechtert.
Das aufzugreifen und das tatsächlich in eine Strategie mit einzubeziehen, ist eine Kernaufgabe aus meiner Sicht, die auch auf Landesebene liegt. Das Zweite, und da macht es die Trennung zwischen ihrem Pflegereferat im Sozialministerium und den Zuständigkeiten bei der Pflegeausbildung bei ihrer Kollegin, die neben dran sitzt, noch nicht unbedingt einfacher, ist eine Bestandsaufnahme aus meiner Sicht der generalistischen Pflegeausbildung, die wir in der letzten Legislaturperiode unter Jamaika gemeinsam an den Start gebracht haben.
Ich sage mal selber: Ich habe das weniger aus voller fachlicher Überzeugung getan, sondern weil ich wollte, dass das, was der Bundesgesetzgeber damals auf den Weg gebracht hat, auch schnell und erfolgreich in Schleswig-Holstein umgesetzt werden kann.
Ich stelle aber fest, dass ich nicht weiß, wer von Ihnen beiden da möglicherweise bereits ähnliche Erfahrungen gesammelt hat, dass wir zumindest bei der Altenpflege und bei der Kinderkrankenpflege nochmal sehr genau hingucken müssen, ob die generalistische Pflegeausbildung so, wie sie jetzt umgesetzt wird, und so, wie jetzt die ersten Jahrgänge der Absolventinnen und Absolventen an den Arbeitsmarkt gehen, ob das tatsächlich damals vollumfänglich die richtige Entscheidung gewesen ist.
Ich bezweifle das zumindest für den Bereich der Kinderkrankenpflege und der Altenpflege.
Ein letzter Punkt. Ich habe nach wie vor den Eindruck, dass im Bereich der Pflegeassistenz bzw. der Altenpflege-Hilfe, dass auch wenn wir da in der letzten Legislaturperiode bei der Pauschale nochmal nachgelegt haben, dass sie nach wie vor nicht vollumfänglich ausfinanziert ist. Eine weitere Erhöhung ist jedenfalls vonnöten, um beispielsweise das Problem der auskömmlichen Bezahlung der Dozentinnen und Dozenten, die notwendig sind, um auch Altenpflege-Assistenzberufe an den Start zu bringen, zu lösen.
Dafür ist das Land ja unmittelbar zuständig.
Ich komme zu meinem letzten Satz. Ich bin fasziniert, dass Ihnen etwas Unmögliches gelungen ist. Jedenfalls hat Herr Koch ja behauptet, das sei unmöglich. Ich bin allerdings auch sehr gespannt, wie das Unmögliche dann finanziert wird, damit es möglich ist."
Sperrfrist Redebeginn!
Es gilt das gesprochene Wort.