In seiner Rede zu TOP 6 (Gesetz zur Änderung des Kindertagesförderungsgesetzes) erklärt der kitapolitische Sprecher, Heiner Garg:
„Lassen Sie mich zwei Vorbemerkungen machen, in denen ich auf zwei Beiträge der Kollegin und des Kollegen der regierungstragenden Fraktionen gerne eingehen würde. Herr Koch, in Anbetracht der Tatsache, dass Sie nicht einen einzigen Punkt aus Ihrem Koalitionsvertrag zur Verbesserung der Situation in den Kitas erfüllt haben und erfüllen werden, haben Sie ganz schön auf die Tonne gehauen, dafür, dass wir Ihnen einen an die Haushaltslage angepassten Alternativvorschlag gemacht haben, wie man auch zum Ziel gekommen wäre.
Frau Kollegin Nies, ich teile vieles, was Sie in der Analyse gesagt haben, wo man rangehen muss und was Sie zum Teil auch versucht haben, umzusetzen. Ich sage Ihnen aber: Für alles, was Sie aufgezählt haben, was Sie an Zielen erreichen wollen, hätten Sie die Einführung eines Anstellungsschlüssels nicht gebraucht. Sondern Sie hätten einen anderen, einen konsequenteren Weg gehen können, der eben nicht schon wieder einen Systemwechsel im System vollzieht.
Seit Beginn des Kita-Reformprozesses, also seit 2017, werden und wurden wir immer wieder mit der Frage konfrontiert, sowohl von Beteiligten, von Journalisten, manchmal provokativ, manchmal auch ernst gemeint, ob wir uns das überhaupt alles leisten können, ob immer mehr Fachkräfte pro Kind, immer mehr Geld für ein Kita-System nicht Hirngespinste wären. Und ich sage Ihnen: Wir müssen uns das leisten, wir wollen uns das leisten und wir können uns das in dieser Gesellschaft auch leisten, wenn wir es denn nur wollen. Das ist keine sture Haltung eines ehemals Verantwortlichen für diese Kita-Reform, sondern ich bleibe dabei, dass die sogenannte Kita-Reform, also das Kindertagesstättenförderungsgesetz aus der letzten Legislaturperiode, das hier mit breiter parlamentarischer Mehrheit beschlossen wurde, Maßstäbe gesetzt hat, und zwar auch und gerade im Hinblick auf die Sicherung und auf die Weiterentwicklung der Qualität der frühkindlichen Bildung. Das ist und bleibt und muss ein Anspruch bleiben, dass Kita nicht Kinderaufbewahrung ist, sondern dass die jüngsten faire Startchancen in den Kitas und bei den Kindertagespflegepersonen haben.
Mit der Kita-Reform wurde gleichzeitig ein umfangreicher Evaluierungsprozess nicht nur vereinbart, sondern er wurde gesetzlich festgeschrieben. Das ist natürlich auch in der Erwartung der Beteiligten, also der Kommunalen Spitzenverbände, der Landesarbeitsgemeinschaft, der Freien Wohlfahrtsverbände und der Landeselternvertretung, geschehen. Natürlich gab es die Erwartung, dass die Evaluierungsergebnisse dann auch umgesetzt werden. Ich frage mich, sehr geehrter Kollege Koch, warum Sie für den heute vorgelegten Gesetzentwurf – da will ich gar nicht auf die handwerklichen Fehler eingehen – gestern Abend noch einmal einen Änderungsantrag zum §10a KitaG nachgelegt haben, aber dann nicht konsequenterweise auch den §15a KitaG genauso abgeändert haben. Denn eigentlich stehen die im Kontext und Ihre jetzt nachgeschobene Änderung macht so alleinstehend gar keinen Sinn. Die Frage ist, Herr Koch, und das meine ich sehr ernst, wie man vor dem Hintergrund der schlechteren Haushaltslage als in der letzten Legislaturperiode es trotzdem hinbekommt, in einer gemeinsamen Kraftanstrengung die Evaluationsergebnisse umzusetzen. Ich sage auch, dass die Sozialministerin zum Schluss wesentlich zurückhaltender in der Beurteilung gewesen ist, was den möglichen Erfolg des heute vorliegenden Änderungsgesetzes anbelangt. Sie haben klar gesagt, Sie evaluieren die nächsten zwei Jahre. Ich finde es sehr viel angenehmer, wenn Sie die Frage offenlassen, ob Sie wirklich das erreichen, was Sie erreichen wollen, als so zu tun, als seien die Probleme jetzt gelöst.
Der Evaluationsprozess hat eine Finanzierungslücke von rund 110 Millionen Euro festgestellt. Er hat Nachsteuerungsbedarfe in der Systematik festgestellt. Ich will sehr deutlich sagen, dass der vorliegende Gesetzentwurf in Teilen auch positive Nebeneffekte hat. Ich finde den Verweis auf die Kinderrechte richtig. Ich finde es richtig, dass jedenfalls in einer Übergangszeit, die Regelung zu den helfenden Händen, die wir scharf kritisiert haben, dass sie aufgehoben wurde, sodass jetzt jede Kita im Zweifel Helfende Hände anstellen kann. Das ist alles in Ordnung. Ich finde bei diesem Thema diese Rituale, wie sie der Fraktionsvorsitzende der CDU hier wieder an den Tag gelegt hat – Regierung macht einen tollen Job und alle Probleme sind gelöst und alle sollen alle zufrieden sein damit, wie es jetzt gelöst wurde und die Opposition beteiligt sich bestenfalls durch Schaueffekte – ich glaube, die Leute haben genau diese Schwarz-Weiß-Malerei einfach satt, sondern sie wollen, dass die Probleme gelöst werden. Jedenfalls nach Auffassung unserer Fraktion, Herr Koch, ist das Kernelement Ihrer Änderung, mit dem Sie die zentralen Probleme lösen wollen, nämlich die Finanzierungslücke zu schließen, vor dem Hintergrund der Haushaltslage darf das aber in Wahrheit nicht so viel Geld kosten, die Qualität soll mindestens gewährleistet werden und die Verlässlichkeit soll erhöht werden, da ist der Anstellungsschlüssel als Kernelement sozusagen ein Wunderwerkzeug. Ich sage Ihnen, dieses Wunderwerkzeug kann das gar nicht erfüllen, was Sie sich davon versprechen. Die Finanzierungslücke wird nämlich nicht geschlossen. Die 70 Millionen Euro, die übrig bleiben, wenn man die insgesamt zusätzlichen 40 Millionen Euro von Land und Kommunen abzieht, die schneiden Sie aus dem System heraus. Wo soll es denn herkommen, Herr Koch?
Sie führen jetzt ein neues Element ein, das im Übrigen wieder einen Systemwechsel in einem System auslöst. In Bayern gibt es das schon lange und in Bayern steht das Kita-System kurz vor dem Kollaps. Die Fahnenträger der großen Kritik sind in Bayern die Grünen, die in der Opposition sitzen. Darüber würde ich einmal nachdenken. In Bayern funktioniert der Anstellungsschlüssel nicht. In Bayern kommen Sie im Elementarbereich nahezu auf dieselben Werte und in Bayern steht das Kitasystem kurz vorm Kollaps. Und deswegen sage ich Ihnen: Sie lösen das Kernproblem, vor dem wir stehen, nicht mit dem Anstellungsschlüssel.
Sie würden das Kernproblem lösen, wenn Sie einen Prozess aufgesetzt hätten, indem Sie alle, die am Entstehungsprozess beteiligt waren, zusammengeholt hätten und mit ihnen einen zugegeben mühsameren Weg vereinbart hätten, nämlich die Evaluationsergebnisse vor dem Hintergrund der deutlich schwierigeren Haushaltslage systematisch in einzelnen Schritten, also in drei bis fünf Jahresschritten, umgesetzt hätten. Das war unser Vorschlag.
Ja, es ist richtig, Sie stecken immer mehr Geld in das System. Das stimmt, aber bestenfalls um den Status quo zu erhalten. Und dass so viel Dynamik in diesem System steckt, war eine bewusste Entscheidung der letzten Legislaturperiode – und zwar zulasten der Landesfinanzen – und im Sinne der Verlässlichkeit würde ich mir wünschen, dass Sie auf diesen Pfad wieder zurückkehren würden.“
Sperrfrist Redebeginn!
Es gilt das gesprochene Wort.