Recht/Richterwahlausschuss

Jan Marcus Rossa: Das gegenwärtige System der Richterwahl muss nachgebessert werden

Jan Marcus Rossa

Zum heute eingereichten Jamaika-Gesetzentwurf zur Änderung des Landesrichtergesetzes erklärt der rechtspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Jan Marcus Rossa:

„Eine unabhängige Justiz mit den besten Köpfen dieses Landes ist ein wesentlicher Pfeiler unserer Demokratie. Bei der Auswahl unserer Richterinnen und Richter haben wir uns im Richterwahlausschuss schon immer vom Prinzip der Bestenauslese leiten lassen und den Auswahlprozess mit besonderer Sorgfalt durchgeführt. 

Allerdings muss das gegenwärtige System der Richterwahl nachgebessert werden, wenn wir verhindern wollen, dass der Richterwahlausschuss am Ende nur noch die Beurteilungen der Kandidaten durch die Präsidentinnen und Präsidenten der Obergerichte unseres Landes abnicken soll. Diese Gefahr wurde in den vergangenen Monaten durch eine Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts und eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Schleswig evident. In beiden Verfahren wurde die Wahlentscheidung des Richterwahlausschusses aufgehoben, ohne dass diesem rechtliches Gehör gewährt wurde. Die Gründe und Erwägungen, die seiner Auswahlentscheidung zugrunde lagen, fanden nur unzureichend Eingang in die verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Die Konsequenz ist, dass die Entscheidungen über Beförderungen tatsächlich nicht durch den Richterwahlausschuss getroffen werden, sondern faktisch durch die Beurteilenden, die mit ihren Beurteilungen das Auswahlergebnis vorgeben, aber tatsächlich keiner effektiven Kontrolle mehr unterliegen. Ob die Beurteilungen ordnungsgemäß sind, ob es sich wirklich um faire Beurteilungen handelt oder ob sie ergebnisgetrieben sind, das sind Fragen, die bei der Richterwahl dann keine Rolle mehr spielen. Genauso ist es praktisch kaum möglich, neben den Beurteilungen andere Erkenntnisse aus den Personalakten heranzuziehen, um auf dieser Grundlage die Bestenauslese vorzunehmen. Hier sehen wir Freie Demokraten eine erhebliche Schwäche im System der Richterbeförderung, die beseitigt werden muss.

Für die Überwindung dieser Problematik stehen verschiedene Lösungswege offen. Denkbar wäre, das Beurteilungswesen insgesamt zu reformieren und bereits durch Beteiligung der Richterräte eine Kontrolle der Beurteilungen einzuziehen. Möglich wäre auch, die Beurteiler im Richterwahlausschuss im Einzelfall anzuhören, damit sie ihre Beurteilungen gegenüber dem Ausschuss rechtfertigen und weiter begründen können. Schließlich kann man dem Richterwahlausschuss aber auch einen größeren Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum einräumen, ohne dass dadurch das Bestenausleseprinzip unterminiert werden würde. Dass dies rechtlich möglich und zulässig ist, darauf hat zum Beispiel auch das Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung hingewiesen. Auch das Bundesverfassungsgericht hat aufgezeigt, welcher Beurteilungsspielraum einem Richterwahlausschuss eingeräumt werden kann, ohne verfassungsrechtliche Grundsätze zu verletzen.

Die Fraktionen im Schleswig-Holsteinischen Landtag haben sich nach zunächst nur internen Debatten, einer umfassenden Expertenanhörung und einer intensiven Erörterung der Ergebnisse dieser Anhörung für den letztgenannten Lösungsweg entschieden und wollen den Beurteilungsspielraum des Richterwahlausschusses im Rahmen der verfassungsrechtlichen Grenzen ausgestalten. Wir hätten uns dabei gewünscht, wenn wir uns für die Formulierung entschieden hätten, dass der Richterwahlausschuss bei seiner Wahlentscheidung zu berücksichtigen hat, dass die zuständige Ministerin bzw. der zuständige Minister für Justiz an den Grundsatz der Bestenauslese gem. Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz gebunden ist. Das ist unseres Erachtens klarer als die Formulierung, dass sich der Ausschuss von diesem Grundsatz leiten lasse. Sollten beide Formulierungen gleichermaßen verfassungsgemäß sein und uns unserem Ziel näher bringen, dass der Richterwahlausschuss nicht nur der ‚Abnicker‘ von Beurteilungen Dritter ist, können wir auch mit der jetzigen Formulierung gut leben.

Sollte der oben geschilderte Lösungsansatz aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich sein, dann werden wir die Frage erörtern müssen, ob wir einen Richterwahlausschuss überhaupt brauchen. Die gewünschte demokratische Legitimation geht von einer Richterwahl durch den Ausschuss nicht mehr aus, wenn lediglich der Wille der Beurteilenden vollzogen werden darf, ohne dass die Beurteilungen auf den Prüfstand gestellt werden.“